Guatemala: Menschenrechtsanwältin inhaftiert

Viele Menschen demonstrieren auf einem öffentlichen Platz

Demonstration in Guatemala City gegen Korruption (Archivaufnahme)

Am 28. August 2023 wurde die guatemaltekische Anwältin und Menschenrechtsverteidigerin Claudia González Orellana in ihrer Wohnung festgenommen, nachdem ein Richter einen fragwürdigen Haftbefehl gegen sie erlassen hatte. Claudia González ist eine ehemalige Beamtin der CICIG, einer UN-Antikorruptionsstelle, die bis 2019 in Guatemala tätig war und deren ehemalige Beamt*innen häufig verfolgt wurden. Claudia González ist auch die Rechtsvertreterin verschiedener ehemaliger Anti-Korruptionsanwält*innen, die als Vergeltung für ihre Arbeit kriminalisiert wurden. Claudias González' Festnahme ist ein klarer Versuch, sie und alle, die für Gerechtigkeit und Menschenrechte in Guatemala kämpfen, zum Schweigen zu bringen.

Appell an

Noé Nehemías Rivera Vásquez

Fiscalía de Asuntos Internos

Ministerio Público de Guatemala

15 avenida 15-16 zona 1, Barrio Gerona


Ciudad de Guatemala, 01001

GUATEMALA

Priority

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Guatemala

S.E. Herrn Jorge Alfredo Lemcke Arevalo

Kaiserdamm 20

14057 Berlin


Fax: (030) 206 436 59

E-Mail: sekretariat@botschaft-guatemala.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich auf, die bestehenden Anklagen gegen Claudia González Orellana mit Blick darauf zu prüfen, ob sie begründet sind und zu garantieren, dass nationales und internationales Recht gewahrt sind.

Sachlage

Claudia González Orellana wurde am 28. August von Vertreter*innen der Staatsanwaltschaft festgenommen. Sie ist eine ehemalige CICIG-Beamtin und die Anwältin mehrerer Personen in Guatemala, die aufgrund ihrer Tätigkeit zur Korruptionsbekämpfung zu Unrecht strafrechtlich verfolgt werden. Vor dem Hintergrund der in Guatemala weit verbreiteten Kriminalisierung von Personen, die sich gegen Korruption und Straflosigkeit einsetzen, stellt die Anklage gegen Claudia González Orellana einen eindeutigen Versuch dar, sie zum Schweigen zu bringen und für ihre Arbeit zu bestrafen.

Es ist besorgniserregend, dass die Staatsanwaltschaft bei der Anhörung gegen sie am 28. August nicht anwesend war, um die Anklage zu erheben. Dies verletzt ihre Rechte. Bemerkenswert ist auch, dass sie wegen "Amtsmissbrauchs" angeklagt wird, obwohl sie nie ein Amt in der guatemaltekischen Verwaltung bekleidet hat. Dies lässt ernsthafte Zweifel an der Unparteilichkeit und den Gründen für die gegen sie erhobenen Vorwürfe aufkommen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Claudia González Orellana, ist eine ehemalige Beamtin der CICIG, der UN-Kommission gegen Korruption und Straflosigkeit in Guatemala, die bis 2019 im Land tätig war. Im Jahr 2019 weigerte sich die Regierung, das Mandat dieser Institution zu verlängern, und seitdem sehen sich ihre ehemaligen Beamt*innen - einschließlich derjenigen, die für die Sonderstaatsanwaltschaft gegen Korruption und Straflosigkeit (FECI) arbeiten, die eng mit der CICIG zusammenarbeitete - als Vergeltung für ihre Arbeit einer intensiven Verfolgung und Kriminalisierung gegenüber. Während der Tätigkeit der CICIG wurden zahlreiche Korruptionsskandale aufgedeckt und Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen nach internationalem Recht, die von großem öffentlichen Interesse waren, verfolgt.

Claudia González ist zudem die rechtliche Vertretung mehrerer ehemaliger CICIG- und FECI-Beamt*innen, die als Vergeltungsmaßnahme für ihre Arbeit zu Unrecht strafrechtlich verfolgt werden. Sie vertritt unter anderem die ehemalige FECI-Beamtin Virginia Laparra, die derzeit eine Haftstrafe verbüßt, weil sie in Ausübung ihres Amtes eine Beschwerde gegen einen Richter eingereicht hat, sowie Juan Francisco Sandoval, den ehemaligen FECI-Chef, der derzeit im Exil lebt. Im Mai 2023 erhielt Claudia González den Lawyers for Lawyers Award, mit dem Jurist*innen ausgezeichnet werden, die bei ihrer Arbeit hohen Risiken ausgesetzt sind. 

Das Strafverfahren gegen Claudia González ist der Versuch, sie sowohl für ihre Arbeit bei der CICIG zu bestrafen als auch für ihr Ansinnen, Gerechtigkeit für diejenigen zu suchen, die in ihrem Beruf zu Unrecht kriminalisiert werden. Darüber hinaus sind Mandant*innen wie Virginia Laparra und Juan Francisco Sandoval in den gegen sie laufenden Prozessen nun ohne Vertretung und das Strafverfahren sendet eine einschüchternde Botschaft an alle, die sich für Gerechtigkeit und Menschenrechte in Guatemala einsetzen. 

Seit 2019 sahen sich mehr als 50 Menschenrechtsverteidiger*innen, Staatsanwält*innen, ehemalige CICIG-Mitarbeiter*innen, Richter*innen und Journalist*innen gezwungen, das Land zu verlassen, weil die Staatsanwaltschaft des Landes unbegründete Strafverfahren gegen sie eingeleitet hat und es in Guatemala derzeit keine Unparteilichkeit und keine Garantien für ihre Rechte gibt. Claudia González' Inhaftierung fand in diesem Kontext statt. Internationale Menschenrechtsexpert*innen haben wiederholt ihre Besorgnis über die Kriminalisierung derjenigen geäußert, die an der Bekämpfung der Korruption und der Straflosigkeit in Guatemala beteiligt sind.

Vor ihrer Festnahme wandte sich Claudia González wiederholt an die Staatsanwaltschaft, um Informationen über ein mögliches Verfahren gegen sie zu erhalten, was ihr jedoch verweigert wurde. Am 28. August vollstreckten Beamt*innen der Staatsanwaltschaft mehrere Durchsuchungsbefehle gegen ehemalige Mitarbeiter*innen der CICIG und der FECI, unter anderem in Claudia González' Wohnung. Sie wurde anschließend in Gewahrsam genommen. Am Tag ihrer Festnahme weigerte sich der Richter zunächst, eine Anhörung durchzuführen. Als die Anhörung schließlich doch stattfand, war die Staatsanwaltschaft nicht anwesend, und Claudia González wurde daher nicht ordnungsgemäß über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert, was eine Verletzung ihrer Rechte darstellt. Trotzdem wurde Claudia González bis zu ihrer nächsten Anhörung in Untersuchungshaft genommen und wird Berichten zufolge in Einzelhaft gehalten. Die nächste Anhörung ist für den 6. September angesetzt, obwohl sie nach guatemaltekischem Recht innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Inhaftierung stattfinden muss.

Jüngste, von Amnesty International dokumentierte Fälle zeigen, dass die guatemaltekischen Behörden das Recht auf ein faires Verfahren und andere Menschenrechte von Personen, die unbegründet strafrechtlich verfolgt werden, nicht garantieren.