Fidschi: Anwalt vor Gericht

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Der fidschianische Anwalt Richard Naidu

Der Anwalt Richard Naidu muss wegen der friedlichen Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung mit einem hohen Bußgeld oder einer Gefängnisstrafe rechnen. Er hatte in den Sozialen Medien auf einen Rechtschreibfehler in einem Gerichtsurteil hingewiesen und muss sich deswegen am 10. November in einer Anhörung wegen Missachtung des Gerichts verantworten. Seine strafrechtliche Verfolgung verletzt das Recht auf freie Meinungsäußerung. Jetzt hat die Generalstaatsanwaltschaft sogar mitgeteilt, dass Richard Naidus Anwalt eine ähnliche Anklage drohen könnte wegen Äußerungen, die er während der Vertretung seines Mandanten vor Gericht getätigt hat. Amnesty International fordert die zuständigen Behörden auf, die Anklage gegen Richard Naidu umgehend fallen zu lassen.

Appell an

Generalstaatsanwalt von Fidschi

Aiyaz Sayed-Khaiyum


Attorney General of Fiji

Level 9, Suvavou House

Victoria Parade

Suva, FIDSCHI

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Fidschi

S.E. Herrn Deo Saran

Square Eugene Plasky 92-94

1030 Brüssel

BELGIEN

Fax: 0032-2 736 14 58

E-Mail: info@fijiembassy.be

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich dazu auf, das Verfahren wegen Missachtung des Gerichts gegen den Anwalt Richard Naidu einzustellen.
  • Bitte reformieren Sie die Definition von Missachtung des Gerichts auf der Basis internationaler Menschenrechtsstandards, da die bisherige Definition ist nicht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dessen möglichen Einschränkungen vereinbar ist.
  • Bitte sehen Sie von Kommentaren, Drohungen oder Einschüchterungsversuchen gegenüber Anwält*innen ab, die Angeklagte in durch die Regierung angestrengten Verfahren vertreten.

Sachlage

Richard Naidu, Anwalt aus Fidschi, wies in den Sozialen Medien auf einen Rechtschreibfehler in einem Gerichtsurteil hin. Nun läuft ein Verfahren wegen Missachtung des Gerichts gegen ihn. Der Rechtschreibfehler selbst ist nicht Bestandteil der Anklage. Das Verfahren in diesen Fall ist unangemessen, bestrafend und unnötig.

Der Fall von Richard Naidu stellt den jüngsten einer Reihe von Verfahren dar, die Amnesty International mit Sorge beobachtet: Anwält*innen, Gewerkschaftsführer*innen, führende Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft, Journalist*innen und Akademiker*innen werden unter Berufung auf eine Reihe von Gesetzten zur Zielscheibe. Die Vorwürfe lauten u.a. auf Aufwiegelung, Missachtung des Gerichts, Verleumdung oder Verletzungen des Gesetzes über die öffentliche Ordnung (Public Order Act), des Gesetzes über die Entwicklung der Medienindustrie (Media Industry Development Act) und des Strafgesetzes (Crimes Act). In all diesen Fällen hatten die jeweiligen Anklagepunkte einen stark negativen Effekt auf die Meinungsfreiheit in Fidschi.

Besorgniserregend sind auch die Äußerungen zu Jon Apted, dem Anwalt von Richard Naidu. Auch Jon Apted könnte angeklagt werden, und das nur, weil er die Interessen seines Mandanten vertritt. Dies stellt eine unangemessene Einmischung in die Unabhängigkeit von Anwält*innen dar und untergräbt das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren des Angeklagten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 27. Juni 2022 erhob der Generalstaatsanwalt von Fidschi wegen Missachtung des Gerichts Anklage gegen den erfahrenen Anwalt Richard Naidu. Dieser hatte in den Sozialen Medien auf einen Rechtschreibfehler in einem Gerichtsurteil hingewiesen: Im Dokument wurde das Wort "injection" (Injektion) anstelle des Wortes "injunction" (Anordnung) verwendet. Amnesty International und die Menschenrechtsorganisation CIVICUS glauben, dass die Anklage eine übermäßige und politisch motivierte Reaktion auf das Hinweisen auf einen Rechtschreibfehler in einem Gerichtsurteil ist und darüber hinaus das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt.

Richard Naidu könnten eine hohe Geld- oder eine Gefängnisstrafe drohen, sollte er der Anklage für schuldig befunden werden.

Der Generalstaatsanwalt räumte ein, dass der von Richard Naidu entdeckte Fehler tatsächlich ein Rechtschreibfehler ist. Er erklärte jedoch, dass Richard Naidu mit seinem Post in den Sozialen Medien schaden wollte und andere Menschen dazu einladen würde, die Justizbehörden zu verspotten, und nannte Kommentare und Antworten von anderen Social-Media-Nutzer*innen. Amnesty International und CIVICUS sprechen sich gegen Verfahren wegen Missachtung des Gerichts oder ähnlicher Anschuldigungen aus, die seitens der Behörden dazu genutzt werden, um berechtigte Kritik und den Meinungs- und Informationsaustausch zu unterdrücken, denn der Vorwurf der Missachtung des Gerichts oder ähnlicher Anschuldigungen ist nur wage definiert. Die Nutzung dieser Vorwürfe, um berechtigte Kritik und den Meinungs- und Informationsaustausch zu unterdrücken, widerspricht dem Recht auf freie Meinungsäußerung und nicht erforderlich, um gerechtfertigte öffentliche Interessen zu schützen (wie z.B. den ordentlichen Ablauf eines Gerichtsverfahrens). Der Vorwurf der Missachtung des Gerichts wird auch häufig missbraucht und führt so zu hohen Geld- oder Freiheitsstrafen.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist durch internationale Menschenrechtsstandards geschützt. Es erlaubt auch Äußerungen, die andere als kritisch ansehen, oder die Regierungseinrichtungen scharf kritisieren, einschließlich der Justizbehörden. Jede Einschränkung dieses Rechts, einschließlich der Androhung von Strafverfolgung und Bestrafung für die "Missachtung des Gerichts", muss deshalb klar durch ein Gesetz abgedeckt sein und nachweislich erforderlich und angemessen sein für den Zweck des Schutzes spezifischer und gerechtfertigter öffentlicher Interessen oder der Rechte oder des Ansehens anderer.

Andere Gesetze, die zur Unterdrückung von Freiheiten herangezogen werden, sind gesetzliche Bestimmungen zur Aufwiegelung im Strafgesetz (Crimes Act) und des Gesetzes [erweiterte Fassung] über die öffentliche Ordnung von 2014 (Public Order [Amendment] Act 2014), mit denen bereits gegen Journalist*innen, Aktivist*innen und Regierungskritiker*innen vorgegangen wurde. Andere Paragrafen des Gesetzes über die öffentliche Ordnung (Public Order Act) werden herangezogen, um willkürlich friedliche Proteste einzuschränken.

Die strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Verfolgung eines Anwalts, der in den Sozialen Medien korrekt auf einen Rechtschreibfehler in einem öffentlichen Gerichtsdokument hingewiesen hat, ist eine offensichtliche und unangemessene Verletzung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung. Es grenzt an Einschüchterung oder Drangsalierung.

Die jüngste Anklage wegen Missachtung des Gerichts untergräbt die Unabhängigkeit von Anwält*innen in Fidschi und den juristischen Berufszweig und damit auch das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren. All dies könnte einen erheblichen Negativeffekt auf die Meinungsfreiheit in Fidschi haben. Dabei hat die Regierung die Pflicht, zu gewährleisten, dass Anwält*innen ihren beruflichen Pflichten sicher und ohne Drohungen, Einschüchterungsversuche oder Drangsalierungen nachgehen können.

Die Nichtregierungsorganisation CIVICUS verfolgt mit ihrem Recherchetool CIVICUS Monitor den Zustand der Zivilgesellschaft und bürgerlicher Freiheiten in 196 Ländern. Die bürgerlichen Freiheiten in Fidschi werden im CIVICUS Monitor mit "beschränkt" eingestuft.