Ecuador: 14-jährige Klimaaktivistin eingeschüchtert

Das Bild zeigt ein Mädchen, das in ein Mikrofon spricht.

Die 14-jährige Klima-Aktivistin Leonela Moncayo setzt sich für Umweltschutz in Ecuador ein (Standbild aus einer Video-Aufnahme vom Februar 2024).

Die 14-jährige Klimaaktivistin Leonela Moncayo hat berichtet, dass es am 26. Februar eine Explosion vor ihrem Haus gab, die durch einen improvisierten Sprengsatz verursacht wurde. Fünf Tage zuvor hatte die Ministerin für Energie und Bergbau in der Nationalversammlung Bezug auf ihr Engagement gegen das ständige Abfackeln von Gas genommen und erklärt, Leonela Moncayo und acht weitere Mädchen seien "manipuliert worden". Leonela Moncayo, ihre Familie und weitere acht jugendliche Aktivist*innen könnten in Gefahr sein. 

Appell an

Generalstaatsanwältin
Diana Salazar
Juan León Mera N19-36 y Av. Patria,
Edificio Fiscalía General del Estado Quito
Quito
ECUADOR 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Ecuador
S. E. Herrn Diego Fernando Morejon Pazmiño
Joachimstaler Straße 12
10719 Berlin

Fax: 030 – 800 969 699
E-Mail: info@ecuadorembassy.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie nachdrücklich auf, den Angriff auf Leonela Moncayo und ihre Familie wirksam, unabhängig und unparteiisch zu untersuchen. Alle Personen, die einer strafrechtlichen Verantwortung verdächtigt werden, ob als materielle oder geistige Urheber*innen, müssen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden.
  • Außerdem fordere ich die ecuadorianischen Behörden auf, die neun klagenden Mädchen nicht zu stigmatisieren und ihre Sicherheit zu gewährleisten, damit sie ihre Arbeit zum Schutz der Menschenrechte und des Klimas in einem sicheren Umfeld ausüben können. Diese Mädchen sind Menschenrechtsverteidigerinnen im Kampf gegen den Klimawandel.

Sachlage

Leonela Moncayo ist eine Klimaaktivistin aus dem ecuadorianischen Amazonasgebiet. Am 26. Februar hörten Leonela Moncayo und ihre Mutter ein Geräusch im Hof ihres Hauses. Sie dachten, es sei eine Ölleitung geplatzt. Als sie hinausgingen, um den Vorfall zu überprüfen, stellten sie jedoch fest, dass es sich nicht um eine Ölleitung handelte. Sie sahen reichlich weißen Rauch und es roch nach Pyrotechnik. Nachdem sich der Rauch verzogen hatte, fanden sie Teile eines improvisierten Sprengsatzes bestehend aus Quadua-Rohr, Papier und einem Rohr aus Karion. Dies könnte eine Drohung und ein Einschüchterungsversuch gegen Leonela Moncayo und ihre Familie sein, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen. 

Leonela Moncayo ist eine von neun minderjährigen Klimaaktivistinnen aus den Provinzen Sucumbíos und Orellana, die ein historisches Urteil erwirkt haben, mit dem der ecuadorianische Staat verpflichtet wird, alle Gasfackeln zu beseitigen, die erheblich zur Klimakrise beitragen und die Gesundheit der dort lebenden Menschen schädigen. Seit Inkrafttreten des Urteils wurden bislang nur die öffentlichen Entschuldigungen, die Vorlage einer "Ersatzverordnung für die Umweltverordnung für Kohlenwasserstoffbetriebe" und zwei vom Ministerium für Energie und Bergbau erstellte technische Berichte über das ständige Abfackeln von Gas umgesetzt. Es wurden weder Umweltsanierungsmaßnahmen eingeleitet, noch wurde das Recht auf Gesundheit oder andere Rechte wiederhergestellt. 

Am 21. Februar nahmen vier der neun klagenden Mädchen, darunter Leonela Moncayo, an einer Sitzung des paralmentarischen Ausschusses für biologische Vielfalt teil, um die Einhaltung des Urteils durch die zuständigen Behörden zu fordern. Dort wurden sie von der Ministerin für Energie und Bergbau, Andrea Arrobo, stigmatisiert, die den Minderjährigen unterstellte, sie seien "manipuliert" worden, und sagte, die "Regierung habe das Urteil bereits umgesetzt", denn sie habe "zwei Gasfackeln beseitigt". Die Mädchen wiesen die Behauptungen der Ministerin zurück und verteidigten ihr Recht als Kinder aktiv zu sein und für die Rechte ihrer Gemeinschaften einzutreten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Leonela Moncayo ist die Tochter der Menschenrechtsverteidiger*innen Silvia Zambrano und Donald Moncayo von der Organisation "Unión de Afectados por Texaco" (UDAPT), die strategische Rechtsstreits führt. Sie gehört zu der Gruppe von Mädchen aus dem Amazonasgebiet, die zusammen mit der UDAPT ein historisches Urteil gegen das ständige Abfackeln von Gas in den Provinzen Sucumbíos und Orellana in Ecuador erreicht hat. Das ständige Abfackeln von Gas ist ein Prozess bei der Erdölförderung, der in sehr hohem Maße zur Klimakrise beiträgt, da dabei Methan freigesetzt wird, ein Treibhausgas, das noch schädlicher ist als CO2. Es wird davon ausgegangen, dass Methan für ein Drittel der Nettoerderwärmung seit der industriellen Revolution verantwortlich ist. Das ständige Abfackeln von Gas wird auch mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der dort lebenden Menschen in Verbindung gebracht, da dabei eine Vielzahl von schädlichen Gasen und Substanzen freigesetzt wird.

Am 29. Juli 2021 stellte der Gerichtshof der Provinz Sucumbíos fest, dass der ecuadorianische Staat das Recht auf eine gesunde Umwelt und das Recht auf Gesundheit der Kläger*innen missachtet und seinen Verpflichtungen zur Eindämmung des Klimawandels nicht nachgekommen ist. Das Gericht stellte fest, dass der Staat die Gasfackeln, insbesondere in der Nähe von bewohnten Gebieten, schrittweise beseitigen und den betroffenen Gemeinden Entschädigungen zahlen muss. 

Am 21. Februar 2024 nahmen vier der neun klagenden Mädchen, darunter Leonela Moncayo, an einer Sitzung des parlamentarischen Ausschusses für biologische Vielfalt teil, die das Ziel hatte, die Einhaltung des Urteils durch die zuständigen Behörden zu überprüfen. Die Ministerin für Energie und Bergbau, Andrea Arrobo, erklärte in ihrem Beitrag, dass die Regierung "zwei Fackeln beseitigt" habe und somit "dem Urteil bereits nachgekommen" sei. Sie sagte: "Es ist eine Sache, auf die Beseitigung von Gasfackeln zu bestehen, und eine andere, Panik zu verbreiten", wobei sie die Dimension des Problems unterschätzte. Die Ministerin unterstellte den Mädchen auch, sie seien "manipuliert" worden.

Die vier klagenden Mädchen, darunter Leonela Moncayo, nahmen das Mikrofon und widersprachen den Aussagen der Ministerin, dass dem Urteil nachgekommen worden sei. Laut Angaben des Büros der Ombudsperson gäbe es nicht mehr 447, sondern inzwischen 486 Gasfackeln. Außerdem sagte eine der Klägerinnen zu den Politiker*innen: "Wie können Sie behaupten, dass wir manipuliert werden? Wir kämpfen für unsere Rechte." Schließlich sagte Leonela Moncayo der Ministerin und den Parlamentarier*innen, dass das, was die Mädchen und anliegenden Gemeinden in dieser Sitzung von ihnen erhielten, "ein Almosen, ein Hohn" sei. 

Die Organisation UDAPT, Leonela Moncayo und ihre Eltern sind der Ansicht, dass die Einschüchterung vom 26. Februar eine Vergeltungsmaßnahme für den Protest von Leonela Moncayo und den anderen Mädchen im parlamentarischen Ausschuss und generell für ihren Einsatz für die Umsetzung des Urteils durch die Behörden war.

Fortsetzung auf Englisch:
The Special Rapporteur on Human Rights Defenders, Mary Lawlor, mentions in her last report about the situation of child and youth human rights defenders that child activists often face "demeaning and belittling remarks, questioning their experience, expertise and motivation", something worsened by "political narratives that use the age of child and youth human rights defenders to imply that they are being manipulated, recruited or brainwashed". These narratives of stigmatization, according to the Interamerican Human Rights Commission, can exacerbate hostility and intolerance by different sectors of the population, which can put the lives and integrity of human rights defenders at risk. In 2023, Amnesty International released an urgent action to urge Ecuadorian state to refrain from using expressions that stigmatize, insult or discredit Pablo Fajardo, an Ecuadorian lawyer and activist who is part of UDAPT, after the last Minister of Energy and Mines accused him of being an "international criminal". 

Amnesty International documented throughout 2018 a series of attacks and threats perpetrated against women human rights defenders and leaders Patricia Gualinga, Nema Grefa, Salomé Aranda and Margoth Escobar, members of Mujeres Amazónicas (Amazonian Women) collective. In February 2023, Eduardo Mendúa, leader of the A'I Cofán indigenous people, was shot and killed. Mendúa had been outspoken in his opposition to oil exploitation in the area. These examples and the unfortunate situation of Leonela and her family show how Ecuadorian authorities continue to fail to protect human rights defenders, especially land, territory, and environmental defenders, and guarantee them a safe and enabling environment to carry out their work.