Venezolanische Flüchtlinge abgeschoben

Zeichnung eines Zelts

Am 15. März fand in La Paz eine friedliche Demonstration statt, die sich gegen Menschenrechtsverletzungen in Venezuela richtete. Auch venezolanische Flüchtlinge nahmen daran teil. Zwei Tage später wurden 14 von ihnen durch Angehörige der Polizei und der Einwanderungsbehörde willkürlich festgenommen. Noch am gleichen Tag wurden sechs der Betroffenen nach Peru abgeschoben, die verbleibenden acht hatten zuvor einen Antrag auf Asyl gestellt und wurden wieder freigelassen. Die Verfolgung und willkürliche Abschiebung venezolanischer Flüchtlinge, die internationalen Schutz benötigen, muss aufhören.

Appell an

Minister of Government

Carlos Romero

Av. Arce esq. Belisario Salinas N° 2409

La Paz

BOLIVIEN

Sende eine Kopie an

Ombudsperson

Mrs. Nadia Cruz

Defensora del Pueblo

Calle Colombia N° 440 entre Héroes del Acre y Gral. González, La Paz, BOLIVIEN

Twitter: @DPBolivia

Botschadt des plurinationalen Staates Bolivien

Gustavo Ramiro Espinoza Trujillo (Geschäftsträger a.i.)

Wichmannstr. 6

10787 Berlin

Fax: 030-2639 1515

E-Mail: berlin@embajada-bolivia.de

 

Amnesty fordert:

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass die willkürlichen Festnahmen, die Verfolgung und Ausweisung venezolanischer Flüchtlinge, die internationalen Schutz benötigen, eingestellt werden.

Sachlage

Am 15. März nahmen mehrere venezolanische Flüchtlinge in La Paz an einer friedlichen Demonstration vor der kubanischen Botschaft teil, die sich gegen Menschenrechtsverletzungen in Venezuela richtete. Zwei Tage später wurden 14 von ihnen (drei Frauen und elf Männer) durch Angehörige der Polizei und der Einwanderungsbehörde in einer Unterkunft für Geflüchtete willkürlich festgenommen.

Die Beamt_innen brachten sie in ein Büro der Einwanderungsbehörde, verhörten sie und beschuldigten sie der "Verschwörung" und "politischer Aktivitäten gegen Geld, die die öffentliche Ordnung stören". Dieses Vorgehen verletzt das Recht der Betroffenen auf ein ordnungsgemäßes Verfahren. Noch am gleichen Tag wurden sechs der Betroffenen nach Peru abgeschoben, da sie von dort aus nach Bolivien eingereist waren.

Die verbleibenden Acht hatten zuvor einen Antrag auf Asyl gestellt und wurden wieder freigelassen. Fünf von ihnen flohen jedoch aus Angst vor weiterer Verfolgung. Ihr Ziel war ebenfalls Peru. In der Grenzregion zwischen Bolivien und Peru sind sowohl die sechs abgeschobenen als auch die fünf geflohenen Flüchtlinge Misshandlungen und Gewalt ausgesetzt.

Die drei Venezolaner_innen, die sich noch in Bolivien aufhalten, fürchten sich nun vor einem strafrechtlichen Nachspiel und vor einer willkürlichen Abschiebung an einen Ort, an dem ihr Leben oder ihre Freiheit gefährdet sein könnten. Vertreter_innen von örtlichen Organisationen sowie weitere Zeug_innen gaben an, dass die meisten der Festgenommenen von Polizist_innen bedroht und misshandelt worden waren. Die Verfolgung und willkürliche Abschiebung venezolanischer Flüchtlinge, die internationalen Schutz benötigen, muss sofort aufhören.

Alle Menschen – auch Migrant_innen ohne regulären Aufenthaltsstatus, reguläre Migrant_innen, Asylsuchende und Flüchtlinge – haben das Recht auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung, ordnungsgemäße Gerichtsverfahren und verfahrensrechtliche Garantien. Misshandlungen, Massenabschiebungen oder Zurückweisungen (Refoulement) sind nicht zulässig. Das Non-Refoulement-Prinzip ist das Verbot, Menschen in Staaten oder Territorien auszuweisen, zurückzuweisen, abzuschieben oder auszuliefern, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen wie z. B. Folter und andere Misshandlungen drohen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 17. März gab das Regierungsministerium in einer offiziellen Erklärung bekannt, dass Angehörige der Polizei und der Einwanderungsbehörde bei einer Razzia in der Flüchtlingsunterkunft Casa del Migrante de la Pastoral de Movilidad Humana in La Paz 14 Venezolaner_innen festgenommen hätten. Diese hätten zwar ihren Wohnsitz in Bolivien, ihr Aufenthaltsstatus sei jedoch "irregulär".

Die Beamt_innen brachten die Festgenommenen in ein Büro der Generaldirektion Immigration, um sie dort zu ihrem Aufenthaltsstatus und ihrer angeblichen Teilnahme an einer Demonstration vor der kubanischen Botschaft am 15. März zu verhören. Anschließend behauptete der Innenminister, dass alle Festgenommenen gestanden hätten, gegen Geld an "Verschwörungsaktionen" und "politischen Aktivitäten" teilgenommen zu haben, "die die öffentliche Ordnung störten".

Vertreter_innen von örtlichen Organisationen sowie weitere Zeug_innen gaben an, dass die Flüchtlinge in ihrer Unterkunft als Gruppe festgenommen wurden. Die Festnahmen erfolgten ohne Haftbefehl und auch von der zuständigen Behörde war niemand anwesend. Während der Durchsuchung hätten die Polizist_innen die Festgenommenen mit vorgehaltener Waffe bedroht. Die Flüchtlinge wurden keiner Justizbehörde vorgeführt, der Zugang zu Rechtsbeiständen wurde ihnen verwehrt. Auch die Verhöre wurden ohne Anwält_innen durchgeführt, womit ihnen auch die Möglichkeit genommen wurde, ihre Verteidigung vorzubereiten. Die Beamt_innen gaben ihnen keinerlei Möglichkeit, gegen ihre Abschiebung vorzugehen.

Während ihrer etwa zehnstündigen Haftzeit erhielten die Festgenommenen kein Essen und durften die Toilette nur in Begleitung von Beamt_innen aufsuchen. Das wirft die Frage auf, ob die Angehörigen der Polizei und der Einwanderungsbehörde die Flüchtlinge misshandelten und/oder bedrohten, um "Geständnisse" von ihnen zu erpressen.

Am 19. März berichteten lokale Organisationen, dass fünf der freigelassenen Flüchtlinge nach Peru geflohen seien. Sie hätten Angst vor weiterer Verfolgung, da der Innenminister sie öffentlich beschuldigt und die Polizei außerdem ihre Ausweispapiere konfisziert hatte.

Die sechs Flüchtlinge wurden beschuldigt und noch am selben Tag kollektiv abgeschoben, ohne dass ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, gegen ihre Abschiebung vorzugehen. Dies verstößt gegen das Völkerrecht und deutet darauf hin, dass es sich um eine willkürliche Entscheidung handelte, da das Kriterium der Objektivität in der Einzelfallprüfung nicht erfüllt war.

Bei einem der Betroffenen handelte es sich um einen Angehörigen der indigenen Gemeinschaft der Pemón aus der Gemeinde Kumarakapay im venezolanischen Bundesstaat Bolívar. Obwohl er kein Spanisch sprach, erhielt er während des Verhörs keine Dolmetsch-Unterstützung. Somit hatte er keine Kenntnis über die ihm zur Last gelegten Vorwürfe und konnte sich nicht verteidigen. Einwohner_innen der Gemeinde Kumarakapay wurden zwischen dem 22. und 24. Februar 2019 von Angehörigen des venezolanischen Militärs angegriffen und waren gezwungen, nach Brasilien zu fliehen. Es ist daher wahrscheinlich, dass sie einen Anspruch auf internationalen Schutz geltend machen können.