Bangladesch: Journalist unter Anklage

Mehrere Personen stehen nebeneinander. Sie haben ihre Münder mit Tüchern verbunden und halten Schiler hoch. Auf einem steht: "Free Shams!"

Protestaktion für die Freilassung des inhaftierten Journalisten Shamsuzzaman Shams in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka (29. März 2023)

+++ Aktualisierung vom 3. April: Shamsuzzaman Shams befindet sich gegen Kaution auf freiem Fuß. Er steht aber nach wie vor unter Anklage. Deshalb sind weitere Appelle an die Behörden erforderlich - vielen Dank! +++ Am 29. März wurde der Journalist Shamsuzzaman Shams von mehreren Personen in Zivilkleidung, die sich als Kriminalpolizei zu erkennen gaben, aus seiner Wohnung abgeführt. Grund war ein Online-Artikel über die steigenden Lebenshaltungskosten, den er am 26. März, dem Unabhängigkeitstag Bangladeschs, für die Zeitung Prothom Alo geschrieben hatte. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu sieben Jahre Haft. Zehn Stunden lang gab es keine Informationen zu seinem Verbleib. Dann teilte die Polizei mit, dass er sich in ihrem Gewahrsam befinde und auf Grundlage des Gesetzes über digitale Sicherheit angeklagt werde. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Shamsuzzaman Shams muss unverzüglich freigelassen werden.

Appell an

Prime Minister

Sheikh Hasina

Prime Minister's Office

Old Sangsad Bhaban

Tejgaon, Dhaka-1215

BANGLADESCH

Sende eine Kopie an

Botschaft der Volksrepublik Bangladesch

S.E. Herrn Mosharraf Hossain Bhuiyan

Kaiserin-Augusta-Allee 111

10553 Berlin

E-Mail: info.berlin@mofa.gov.bd

 

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Shamsuzzaman Shams bitte unverzüglich frei und alle Anklagen gegen ihn fallen.
  • Heben Sie das Gesetz zur digitalen Sicherheit auf oder ändern Sie das Gesetz in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards. Lassen Sie außerdem alle Personen frei, die unter diesem Gesetz willkürlich inhaftiert wurden.
  • Kommen Sie Ihren Verpflichtungen zum Schutz des Rechts auf freie Meinungsäußerung gemäß der Verfassung von Bangladesch und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) nach.

 

Sachlage

Der Journalist Shamsuzzaman Shams wurde am 29. März 2023 um 4 Uhr morgens von einer Gruppe von Personen in Zivil, die sich als Kriminalpolizei auswies, aus seiner Wohnung in Ambagan in Dhaka abgeführt, weil er am 26. März für die Zeitung Prothom Alo einen Online-Artikel über die steigenden Preise für lebensnotwendige Güter in Bangladesch geschrieben hatte. Zehn Stunden lang gab es keine Informationen zu seinem Verbleib.

Dann teilte die Polizei mit, dass sich Shamsuzzaman Shams in ihrem Gewahrsam befinde und wegen mehrerer Verstöße gegen die Paragrafen 25, 26, 29, 31 und 35 des drakonischen Gesetzes über digitale Sicherheit (Digital Security Act 2018) angeklagt sei. So soll er durch die Veröffentlichung verleumderischer, falscher und erfundener Informationen am Unabhängigkeitstag von Bangladesch zum Verfall von Recht und Ordnung im Land beigetragen haben. Der entsprechende Artikel wurde auf der Facebook-Seite von Prothom Alo veröffentlicht, zusammen mit dem Foto eines Kindes, das in der Nähe eines Denkmals für die Unabhängigkeit Blumen verkauft, und begleitet vom Ausspruch eines Arbeiters über die Lebenshaltungskosten. Prothom Alo bewertete die Verwendung des Fotos in Verbindung mit dem Zitat des Arbeiters im Nachhinein als falsch, entfernte das Foto 17 Minuten nach seiner Veröffentlichung und gab eine Stellungnahme ab.

Shamsuzzaman Shams drohen im Falle einer Verurteilung bis zu sieben Jahre Gefängnis. Das Strafmaß könnte jedoch auch höher ausfallen. Seit seiner Einführung wird das Gesetz über digitale Sicherheit von den Behörden genutzt, um kritische Stimmen und Andersdenkende zum Schweigen zu bringen, darunter auch Journalist*innen, die wegen ihrer Online-Veröffentlichungen ins Visier genommen werden. Die Festnahme von Shamsuzzaman Shams ist ein klarer Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, wie es durch internationale Menschenrechtsnormen, einschließlich des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Bangladesch gehört, gewährleistet wird.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Shamsuzzaman Shams arbeitet als Journalist für die Zeitung Prothom Alo in Bangladesch. Er wurde am 29. März 2023 gegen 4 Uhr morgens von mehreren Personen in Zivilkleidung, die sich als Angehörige der Kriminalpolizei auswiesen, aus seiner Wohnung im Stadtteil Ambagan von Sabhar bei Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, abgeführt. Die lokale Polizei und die Kriminalpolizei in Dhaka bestritten zunächst, etwas über seinen Aufenthaltsort zu wissen. Am 30. März wurde er vor Gericht gestellt, seine Freilassung gegen Kaution jedoch abgelehnt und er ins Gefängnis gebracht.

Die Zeitung Prothom Alo veröffentlichte einen Artikel mit Augenzeugenberichten, aus denen hervorging, dass gegen 4 Uhr morgens eine Gruppe von rund 15 Personen in drei Fahrzeugen vor dem Haus von Shamsuzzaman Shams eintraf. Während einige von ihnen draußen blieben, gingen andere ins Haus, durchsuchten sein Zimmer und beschlagnahmten sein Laptop, zwei Mobiltelefone und eine mobile Festplatte. Sie verließen das Haus mit Shamsuzzaman Shams in Gewahrsam. Etwa eine halbe Stunde später kehrten sie mit Shamsuzzaman Shams in sein Haus zurück, erstellten eine Liste der beschlagnahmten Gegenstände, machten Fotos von ihm, wie er im Zimmer stand, und forderten ihn auf, vor dem Verlassen des Hauses einige Sachen zu packen.

In dem Artikel, den Shamsuzzaman Shams zum Unabhängigkeitstag Bangladeschs unter dem Titel "Wir brauchen die Unabhängigkeit von Fisch, Fleisch und Reis" auf der Facebook-Seite von Prothom Alo veröffentlicht hatte, ging es um die steigenden Lebenshaltungskosten, insbesondere die steigenden Kosten für lebensnotwendige Güter in Bangladesch. Er wurde mit einem Foto eines Jungen mit Blumen in der Hand mit einem Zitat darunter illustriert, das aus einem Interview mit einem Arbeiter in dem Artikel stammte. Darin hieß es: "Was nützt mir die Unabhängigkeit, wenn ich nicht genug Reis zu essen habe? Wenn ich auf den Markt gehe, bricht mir der Schweiß aus. Wir brauchen die Unabhängigkeit von Fisch, Fleisch und Reis." Prothom Alo bewertete die Verwendung des Fotos in Verbindung mit dem Zitat des Arbeiters im Nachhinein als falsch, löschte den Beitrag 17 Minuten nach seiner Veröffentlichung von seiner Facebook-Seite, entfernte das Foto des Jungen und veröffentlichte eine Stellungnahme.

Neben Shamsuzzaman Shams wurde eine Gruppe nicht namentlich genannter Personen, darunter ein Fotograf, angeklagt. Auch der Herausgeber von Prothom Alo, Matiur Rahman, wurde unter dem Gesetz zur digitalen Sicherheit verklagt und in Shamsuzzaman Shams' Fall als Hauptbeschuldigter genannt. Seit der Einführung des Gesetzes im Jahr 2018 wird es von den Behörden dazu genutzt, die Äußerung abweichender Meinungen im Internet zu unterdrücken und das Recht auf freie Meinungsäußerung im Online-Bereich einzuschränken.

Der UN-Menschenrechtsausschuss hat erklärt, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung die Äußerung von Ideen und Meinungen in jeglicher Form schützt, darunter auch politische Diskurse, Kommentare zu öffentlichen Angelegenheiten und Diskussionen über die Menschenrechte im Rahmen des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, dem Bangladesch beigetreten ist. Die UN-Sonderberichterstatterinnen für das Recht auf freie Meinungsäußerung und zur Situation von Menschenrechtsverteidiger*innen haben erklärt, dass die Paragrafen des Gesetzes über digitale Sicherheit, einschließlich derer, die gegen Shamsuzzaman Shams verwendet wurden, weite Bereiche der Meinungsäußerung in vager und weit gefasster Form kriminalisieren. Ihnen zufolge räumt das Gesetz über digitale Sicherheit der Regierung von Bangladesch "einen breiten Ermessensspielraum ein, um Personen wegen der Äußerung oder Weitergabe persönlicher Ansichten ungebührlich zu bestrafen und so eine abschreckende Wirkung hinsichtlich der Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung zu erzeugen". Zahlreiche Personen wurden einer Vielzahl von Menschenrechtsverstößen ausgesetzt, darunter Verschwindenlassen, willkürliche Inhaftierung und Folter, und das nur, weil sie mächtige Personen oder die Regierung in den Sozialen Medien kritisiert hatten.

Trotz der internationalen Verpflichtung Bangladeschs, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu schützen, werden Journalist*innen für ihre Arbeit bestraft. Wie die NGO Center for Governance Studies aus Bangladesch berichtet, wurden zwischen Januar 2019 und August 2022 insgesamt 138 Fälle gegen Journalist*innen im Rahmen des Gesetzes zur digitalen Sicherheit eingereicht, bei denen insgesamt 280 Personen angeklagt und 84 festgenommen wurden.

Das Gesetz zur digitalen Sicherheit besteht aus übermäßig vagen Bestimmungen, die zunehmend dazu eingesetzt werden, Personen aus allen Lebensbereichen allein wegen der Äußerung abweichender Meinungen und der Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung im Internet ins Visier zu nehmen. Im Februar 2021 starb der bangladeschische Autor Mushtaq Ahmed im Gefängnis. Er hatte zehn Monate in Untersuchungshaft verbringen müssen, weil er das Vorgehen der Regierung angesichts der Corona-Pandemie kritisiert hatte. Vor kurzem starb die Regierungsangestellte Sultana Jasmine, die ebenfalls unter dem Gesetz zur digitalen Sicherheit angeklagt war, im Gewahrsam des Sondereinsatzkommandos Rapid Action Battalion-5, nachdem sie Hirnblutungen erlitten hatte.