Amnesty Report 20. Mai 2017

Senegal 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Die staatlichen Stellen schränkten die Rechte auf friedliche Versammlung und Meinungsfreiheit auch 2016 ein. Die Gefängnisse waren nach wie vor überfüllt. Obwohl mehrere Polizisten wegen rechtswidriger Tötungen für schuldig befunden wurden, gab die Straflosigkeit weiterhin Anlass zur Sorge. Frauen und Männer wurden wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung festgenommen. Es gab Bemühungen, die Zahl der Kinder, die auf den Straßen betteln, zu verringern, doch wurde nichts unternommen, um diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die Kinder ausbeuten und misshandeln.

HINTERGRUND

Der Prozess gegen den früheren tschadischen Präsidenten Hissène Habré vor den Außerordentlichen Afrikanischen Kammern, der in der senegalesischen Hauptstadt Dakar stattfand, kam im Mai 2016 zum Abschluss. Habré wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Folter während seiner Amtszeit (1982–90) im Tschad schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt.

Nach einem Referendum im März 2016 wurden Verfassungsänderungen angenommen, die u. a. eine Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten auf fünf Jahre vorsahen.

RECHT AUF VERSAMMLUNGSFREIHEIT

Die Behörden verboten friedliche Demonstrationen und nahmen Demonstrierende fest.

Im Oktober 2016 trieben die Sicherheitskräfte die Teilnehmenden einer von der Opposition organisierten friedlichen Demonstration mit Tränengas auseinander. Der Präfekt von Dakar rechtfertigte die Entscheidung, die Demonstrierenden zu einer anderen Marschroute zu zwingen, indem er sich auf einen Erlass aus dem Jahr 2011 berief, demzufolge in bestimmten Teilen der Stadt Versammlungen grundsätzlich verboten sind.

RECHT AUF FREIE MEINUNGSÄUßERUNG

Journalisten und Kunstschaffende, die u. a. durch die Wahl ihrer Kleidung abweichende Meinungen zum Ausdruck brachten, waren Einschüchterungsversuchen, Schikanen und willkürlichen Inhaftierungen ausgesetzt.

Mamadou Mouth Bane, Journalist und Vorsitzender der sozialen Bewegung Jubanti, wurde im Februar 2016 über zwölf Stunden von der Kriminalpolizei in Gewahrsam gehalten, weil er im Fernsehen Äußerungen zum bevorstehenden Referendum über die Verfassung gemacht hatte, die als "aufrührerisch" bewertet wurden. Er kam später ohne Anklageerhebung frei.

Im Juni 2016 wurde die auch unter dem Namen "Déesse Major" bekannte Rapperin Ramatoulaye Diallo für drei Tage in Gewahrsam genommen und wegen "Unsittlichkeit" und "Verletzung moralischer Prinzipien" angeklagt. Der Grund für die Anklage war die Art der Kleidung, welche sie in Videos trug, die sie in sozialen Medien eingestellt hatte. Alle Anklagepunkte wurden jedoch fallengelassen, und sie kam aus dem Gewahrsam frei.

Mindestens zwei Menschen wurden in Dakar wegen Religionsbeleidigung festgenommen.

ANTITERRORMAßNAHMEN UND SICHERHEIT

Die Nationalversammlung nahm Änderungen des Strafrechts und der Strafprozessordnung an, die dazu benutzt werden könnten, abweichende Meinungen zu unterdrücken. Die Änderungen enthalten vage formulierte Definitionen von Straftaten im Zusammenhang mit Terrorismus, definieren die Herstellung und Verbreitung von "unmoralischem Material" im Internet als strafbare Handlung und ermächtigen die staatlichen Stellen, den Zugang zu "unerlaubten Inhalten" im Internet zu beschränken.

Die Strafprozessordnung enthielt Änderungen, mit denen der Zeitraum, über den Terrorverdächtige in Gewahrsam gehalten werden können, bevor sie einem Richter vorgeführt werden müssen, auf zwölf Tage verlängert wurde. Dies stellt eine Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit dar. Die Änderungen höhlten außerdem das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren aus, weil in ihnen nicht festgelegt war, dass Menschen Zugang zu einem Rechtsbeistand haben müssen, sobald ihnen die Freiheit entzogen wird.

Mindestens 30 Personen befanden sich wegen terrorismusbezogener Straftaten in Haft. Die Umstände der Festnahme und Inhaftierung einiger Personen gaben Anlass zur Sorge. Dies galt z. B. im Fall von Imam Ndao, der sich das gesamte Jahr über in Untersuchungshaft befand und seine Gefängniszelle nur 30 Minuten am Tag verlassen durfte. Ihm wurden u. a. "Terrorakte" und die "Verherrlichung des Terrorismus" zur Last gelegt.

HAFTBEDINGUNGEN UND TODESFÄLLE IN GEWAHRSAM

Die Gefängnisse waren nach wie vor überfüllt. In Dakar waren im Rebeuss-Gefängnis, das auf maximal 1600 Häftlinge ausgelegt ist, 2090 Personen inhaftiert.

2016 starben mindestens sechs Menschen in Gewahrsam. Bei einem Aufstand im Rebeuss-Gefängnis wurde im September 2016 ein Inhaftierter erschossen. 41 Personen, darunter 14 Gefängniswärter, wurden verletzt.

STRAFLOSIGKEIT

In vier Fällen rechtswidriger Tötungen durch Sicherheitskräfte waren nach langwierigen Gerichtsverfahren Durchbrüche zu verzeichnen. Befehlshabende Angehörige der Sicherheitskräfte, die nichts unternahmen, um die exzessive Anwendung von Gewalt zu verhindern, wurden allerdings nicht zur Rechenschaft gezogen, und es musste sich auch niemand für die zahlreichen anderen Fälle von Folterungen, rechtswidrigen Tötungen und Todesfällen in Gewahrsam seit 2007 verantworten.

Im Januar 2016 wurde der Fahrer des Polizeifahrzeugs, mit dem der Student Mamadou Diop während einer friedlichen Demonstration vor den Wahlen 2012 getötet worden war, wegen "Körperverletzung mit Todesfolge" und "vorsätzlichen tätlichen Angriffs" zu zwei Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Der Beifahrer musste für drei Monate ins Gefängnis, weil er "ein Verbrechen gegen die körperliche Unversehrtheit" nicht verhindert hatte. Das Gericht ordnete außerdem an, dass die beiden Polizisten den Verwandten von Mamadou Diop Schmerzensgeld zahlen mussten.

Im Juni 2016 wurde der Polizist, der den Studenten Bassirou Faye im August 2014 während einer friedlichen Demonstration an der Université Cheikh Anta Diop in Dakar erschossen hatte, wegen Mordes schuldig gesprochen und zu 20 Jahren Zwangsarbeit sowie der Zahlung von Schmerzensgeld an die Angehörigen des Studenten verurteilt.

Ebenfalls im Juni wurde ein Polizist im Zusammenhang mit der Tötung von Ndiaga Ndiaye, auch Matar Ndiaye genannt, zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Ndiaga Ndiaye starb, nachdem man ihm im Jahr 2015 bei einem Polizeieinsatz ins Bein geschossen hatte.

Im Juli 2016 wurden vier Polizisten wegen der Tötung von Ibrahima Samb im Jahr 2013 für schuldig befunden und zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Ibrahima Samb erstickte, weil ihn die Polizisten mehr als 16 Stunden lang im Kofferraum eines Fahrzeugs eingesperrt hatten.

DISKRIMINIERUNG – SEXUELLE ORIENTIERUNG

2016 wurden mindestens sieben Männer und eine Frau wegen ihrer vermeintlichen sexuellen Orientierung inhaftiert.

Im Januar 2016 sprach das Berufungsgericht in Dakar sieben Männer vom Vorwurf "widernatürlicher Handlungen" frei. Die Männer waren im Juli 2015 festgenommen und im August 2015 zu sechs Monaten Haft und einer Bewährungsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden.

KINDERRECHTE

Im Juli 2016 leitete die Regierung Maßnahmen ein, um Kinder von der Straße zu holen. Den staatlichen Stellen gelang es jedoch auch 2016 nicht, die Gesetze, die die Ausbeutung und Misshandlung von Kindern unter Strafe stellen, vollständig umzusetzen, und nur in wenigen Fällen wurden Ermittlungen aufgenommen oder die Täter strafrechtlich belangt.

Weitere Artikel