Amnesty Report Irak 17. Februar 2016

Irak 2016

 

Die Lage der Menschenrechte verschlechterte sich 2015 weiter. Sicherheitskräfte der Regierung, regierungstreue Milizen und die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) begingen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße. Regierungstruppen waren für wahllose Angriffe auf Gebiete unter IS-Kontrolle verantwortlich und verübten außergerichtliche Hinrichtungen. Der IS verübte Massentötungen im Stil von Hinrichtungen und war für Entführungen verantwortlich. Er verschleppte Frauen und Mädchen, um sie anschließend sexuell zu versklaven. Regierungsbehörden hielten Tausende Häftlinge ohne Anklageerhebung fest. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren an der Tagesordnung. Viele Gerichtsprozesse erfüllten nicht die internationalen Standards für faire Verfahren. Frauen und Mädchen litten unter Diskriminierung, sexueller Gewalt und anderen Gewalttaten. Journalisten mussten unter extrem gefährlichen Bedingungen arbeiten. Gerichte verurteilten nach wie vor Menschen zum Tode, die zumeist wegen terroristischer Taten angeklagt waren. Es wurden Dutzende Hinrichtungen vollstreckt.

Hintergrund

Der bewaffnete Konflikt zwischen Sicherheitskräften der Regierung und IS-Kämpfern ging 2015 unvermindert weiter. Der IS kontrollierte vor allem sunnitische Gebiete nördlich und östlich der Hauptstadt Bagdad, darunter die Stadt Mossul. Die Regierungstruppen wurden von Einheiten der Volksmobilisierung unterstützt, die sich hauptsächlich aus schiitischen Milizen zusammensetzten. Im Mai 2015 nahmen IS-Kämpfer Ramadi ein, die Hauptstadt der Provinz Anbar, und töteten Angehörige der Sicherheitskräfte, die sie gefangen genommen hatten. Tausende Menschen verließen Ramadi und flohen nach Bagdad und in andere Städte. Nach dem Vormarsch des IS billigte Ministerpräsident Haider al-Abadi zur Unterstützung einer Gegenoffensive der Regierungstruppen den Einsatz der Volksmobilisierungseinheiten, obwohl diese in der Vergangenheit schwere Menschenrechtsverletzungen an Sunniten verübt hatten. Im Dezember 2015 wurde Ramadi von Sicherheitskräften der Regierung zurückerobert, während Mossul zum Jahresende noch immer unter der Kontrolle des IS stand. In der Stadt Sindschar, die kurdische Peschmerga-Kämpfer im November 2015 vom IS zurückeroberten, wurden Massengräber gefunden.

Im Zuge der Kämpfe wurden zwischen Januar und Oktober 2015 nach UN-Angaben etwa 6520 Zivilpersonen getötet. Die humanitäre Krise verschärfte sich weiter, da seit Januar 2014 fast 3,2 Mio. Menschen aufgrund des bewaffneten Konflikts vertrieben wurden. Viele der Binnenvertriebenen suchten Zuflucht in der teilautonomen Region Kurdistan im Nordirak.

Alle Konfliktparteien begingen Kriegsverbrechen sowie andere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechtsverstöße. Berichten zufolge setzten sowohl die Einheiten der Volksmobilisierung als auch der IS Kindersoldaten ein.

Im Januar 2015 schuf das Parlament ein Beratungsgremium für Menschenrechte. Es soll unter Mitwirkung von NGOs und zivilgesellschaftlichen Gruppen prüfen, ob Gesetze mit den Menschenrechten in Einklang stehen. Bis zum Jahresende waren jedoch noch keine nennenswerten Gesetzesreformen in die Wege geleitet worden.

Im August 2015 machte eine offizielle Untersuchung über die Eroberung von Mossul durch den IS im Juni 2014 den ehemaligen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki und seinen Stab dafür verantwortlich, dass die Sicherheitskräfte die Stadt aufgaben.

Im September 2015 billigte Präsident Fuad Masum das Gesetz 36/2015. Es verbietet politischen Parteien, militärische Flügel zu unterhalten oder sich mit bewaffneten Gruppen zu verbinden. Ein geplantes Amnestiegesetz und Gesetzentwürfe zu Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit waren Ende des Jahres 2015 noch nicht beschlossen. Ministerpräsident al-Abadi versprach, korrupte Armeeangehörige zu entlassen. Ein Gesetzentwurf zur Nationalgarde wurde kontrovers diskutiert. Er sah Regelungen für bewaffnete Milizen und eine stärkere Kontrolle der Sicherheitskräfte und Polizei auf lokaler Ebene vor, um so die Marginalisierung von Sunniten und Kurden innerhalb der Sicherheitskräfte zu verringern. Einige Parlamentsabgeordnete vertraten die Ansicht, dies würde die nationale Sicherheit gefährden.

Mehrere UN-Menschenrechtsgremien überprüften 2015 die Situation im Irak, darunter der Ausschuss für die Rechte des Kindes, der Ausschuss gegen Folter und der Menschenrechtsausschuss. Alle äußerten ihre Besorgnis angesichts der sich verschlechternden Menschenrechtslage.

Interner bewaffneter Konflikt

Regierungstruppen und Einheiten der Volksmobilisierung verübten Kriegsverbrechen, andere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechtsverletzungen. Sie richteten sich in den meisten Fällen gegen sunnitische Gemeinden in Gebieten unter IS-Kontrolle. Wahllose Luftangriffe der Regierungstruppen in den Provinzen Anbar, Niniveh und Salah al-Din töteten und verletzten Zivilpersonen und trafen Moscheen und Krankenhäuser.

Sicherheitskräfte und mit ihnen verbündete Milizen töteten Sunniten in den vom IS zurückeroberten Gebieten als Vergeltungsmaßnahme für deren vermeintliche Unterstützung des IS und steckten Häuser und Moscheen in Brand. Im Januar 2015 wurden im Dorf Barwana in der Provinz Diyalah mindestens 56 Sunniten Opfer einer außergerichtlichen Hinrichtung durch die Sicherheitskräfte und verbündete schiitische Milizen. Nachdem diese die Männer des Ortes versammelt hatten, um angeblich ihre Identität festzustellen, erschossen sie die Opfer, von denen viele mit Handschellen gefesselt waren.

Ebenfalls im Januar 2015 griffen Mitglieder einer jesidischen Miliz in der Region Sindschar im Nordwesten des Iraks die Dörfer Jiri und Sibaya an, in denen überwiegend sunnitische Araber leben. Sie töteten 21 Zivilpersonen im Stil von Hinrichtungen, darunter auch minderjährige und alte Menschen, und verschleppten weitere Personen. Nach Aussagen von Dorfbewohnern waren Angehörige des kurdischen Sicherheitsdienstes (Asayish) und Peschmerga-Kämpfer vor Ort, als die Tötungen begangen wurden. Nachdem die Peschmerga im November 2015 die Region Sindschar vom IS zurückerobert hatten, plünderten jesidische Milizen die Häuser von sunnitischen Arabern und setzten sie in Brand.

Die USA, Großbritannien, Frankreich und andere Länder beteiligten sich an Luftangriffen auf den IS zur Unterstützung der irakischen Regierung. Bei einigen dieser Angriffe wurden dem Vernehmen nach in umkämpften oder unter IS-Kontrolle stehenden Gebieten Zivilpersonen getötet oder verletzt.

Verstöße bewaffneter Gruppen

Bewaffnete Gruppen verübten 2015 im gesamten Land Selbstmord- und Autobombenanschläge, bei denen Zivilpersonen verletzt oder getötet wurden. Es handelte sich dabei sowohl um wahllose Anschläge als auch um solche, die sich gezielt gegen Zivilpersonen richteten. IS-Kämpfer töteten Zivilpersonen durch unterschiedslos wirkende Artilleriegeschosse. Außerdem wurden in Gebieten unter IS-Kontrolle weiterhin Zivilpersonen verschleppt und getötet, u.a. Personen, die sich der Machtübernahme des IS widersetzten. Im März und November 2015 berichteten Medien, der IS habe bei Bombenangriffen Chlorgas eingesetzt. Bei dem Kampf um Ramadi im Mai 2015 starben etwa 500 Menschen, darunter auch Zivilpersonen. Nachdem IS-Kämpfer die Stadt eingenommen hatten, töteten sie Zivilpersonen und Angehörige der Sicherheitskräfte und warfen einige der Leichen in den Euphrat. Kämpfer aus den eigenen Reihen, die geflohen waren, wurden ebenfalls summarisch getötet.

In Gebieten unter IS-Kontrolle wurden den Bewohnern strenge Regeln bezüglich Kleiderordnung, Verhalten und Bewegungsfreiheit auferlegt und Verstöße dagegen hart bestraft. IS-Kämpfer verübten öffentlich Tötungen, die die wie Hinrichtungen inszeniert waren, und führten andere Strafmaßnahmen durch. In einigen Fällen hatten "Gerichte" Menschen zuvor verurteilt, weil sie gegen die Regeln des IS oder seine Auslegung des islamischen Rechts verstoßen hatten. Dutzende Männer, denen nachgesagt wurde, homosexuell zu sein, wurden vom IS summarisch getötet, häufig indem man sie von hohen Gebäuden stieß. In Mossul kontrollierten IS-Kämpfer jedes Betreten und Verlassen des Stadtgebiets und hinderten Menschen daran, andernorts medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie keinen Bürgen für ihre Rückkehr vorweisen konnten. Berichten zufolge enthauptete der IS einige dieser Bürgen, weil diejenigen, für die sie einstanden, nicht mehr zurückgekehrt waren.

IS-Kämpfer setzten Kulturgüter, schiitische und jesidische Schreine und andere religiöse Kultstätten sowie geräumte Häuser von Regierungsbeamten und Angehörigen der Sicherheitskräfte in Brand und zerstörten sie.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Frauen und Mädchen wurden durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert und waren nicht ausreichend gegen sexuelle Gewalt und andere Gewalttaten geschützt. In den vom IS besetzten Gebieten wurden sie Opfer massiver Menschenrechtsverstöße. Berichten zufolge wurden Frauen und Mädchen dort als Sklavinnen verkauft, mit IS-Kämpfern zwangsverheiratet und im Falle einer Weigerung getötet. Im März 2015 tötete der IS dem Vernehmen nach mindestens neun schiitische Frauen, die der Minderheit der Turkmenen angehörten, weil sie sich geweigert hatten, IS-Kämpfer zu heiraten, nachdem der IS zuvor ihre Ehemänner getötet hatte.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Die Sicherheitskräfte nahmen Personen ohne Haftbefehl fest und informierten weder die Betroffenen noch deren Angehörige über die Gründe. Häftlinge, insbesondere Terrorverdächtige, hatten nach ihrer Festnahme oft wochen- oder monatelang keinen Kontakt zur Außenwelt und wurden häufig unter Bedingungen festgehalten, die den Tatbestand des Verschwindenlassens erfüllten. Sie waren in Geheimgefängnissen des Innen- und des Verteidigungsministeriums inhaftiert, zu denen weder die Staatsanwaltschaft noch andere Kontrollgremien Zugang erhielten. Nachdem Angehörige der Häftlinge den Vorwurf des Verschwindenlassens erhoben hatten, bestritt der Innenminister im Mai 2015, dass sein Ministerium Geheimgefängnisse betreibe. Viele Häftlinge wurden ohne Anklageerhebung freigelassen, Tausende waren jedoch weiterhin unter harten Bedingungen inhaftiert, u.a. im Nassiriyah-Gefängnis südlich von Bagdad. In dem Gefängnis, das vor allem für die Inhaftierung sunnitischer Männer genutzt wurde, die wegen terroristischer Straftaten angeklagt oder verurteilt worden waren, wurden Gefangene dem Vernehmen nach misshandelt.

Folter und andere Misshandlungen

Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren auch 2015 in den Gefängnissen und Haftzentren des Landes weit verbreitet. Die Verantwortlichen gingen straffrei aus. Vernehmungsbeamte folterten Häftlinge, um Informationen zu erpressen und "Geständnisse" zu erzwingen, die später vor Gericht gegen sie verwendet wurden. Einige Häftlinge sollen infolge der Folter gestorben sein. Im April 2015 bestätigte ein Mitglied des parlamentarischen Menschenrechtsausschusses, dass nach wie vor Häftlinge gefoltert und erpresste "Geständnisse" vor Gericht verwendet würden. Der UN-Ausschuss gegen Folter warf der Regierung vor, Foltervorwürfe nicht zu untersuchen, und forderte bessere Schutzmaßnahmen gegen Folter.

Unfaire Gerichtsverfahren

Das Strafjustizwesen wies weiterhin gravierende Mängel auf. Der Justiz fehlte es an Unabhängigkeit. Die Verfahren waren systematisch unfair, insbesondere solche, in denen Anklage wegen terroristischer Straftaten erhoben wurde und die Todesstrafe verhängt werden konnte. Gerichte sprachen Angeklagte aufgrund von "Geständnissen" schuldig, die unter Folter erpresst worden waren und die teilweise bereits vor Prozessbeginn von staatlichen Fernsehsendern ausgestrahlt wurden.

Rechtsanwälte, die Terrorismusverdächtige verteidigten, wurden von Sicherheitsbeamten bedroht und eingeschüchtert und von Milizen tätlich angegriffen. Der IS und andere bewaffnete Gruppen attackierten und töteten weiterhin Richter, Rechtsanwälte und Justizbedienstete.

Im Juli 2015 verurteilte das Zentrale Irakische Strafgericht in Bagdad 24 mutmaßliche IS-Mitglieder zum Tode. Die Männer waren für schuldig befunden worden, im Juni 2014 mindestens 1700 Militärkadetten des Militärstützpunkts Camp Speicher in der Nähe von Tikrit in der Provinz Salah al-Din getötet zu haben. Vier weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Die Gerichtsverhandlung dauerte nur wenige Stunden und stützte sich weitgehend auf "Geständnisse", die nach Angaben der Angeklagten während ihrer Untersuchungshaft unter Folter erpresst worden waren, sowie auf ein Video des Massakers, das der IS zuvor in Umlauf gebracht hatte. Die Angeklagten bestritten ihre Beteiligung an den Tötungen. Einige gaben an, zum Tatzeitpunkt nicht in Tikrit gewesen zu sein. Keiner der Angeklagten hatte einen Rechtsbeistand seiner Wahl. Alle wurden von Rechtsanwälten vertreten, die das Gericht ernannt hatte. Diese plädierten zwar für milde Urteile, stellten aber die Beweise oder die Zulässigkeit der "Geständnisse" nicht in Frage.

Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit

Die Behörden schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit ein. Im Juni 2015 verabschiedete die Regierung ein neues Gesetz zur Regelung von Mediennetzwerken. Die offizielle Unabhängige Menschenrechtskommission (Independent High Commission for Human Rights) befand, das Gesetz sei zu restriktiv.

Im Juli und August 2015 beteiligten sich in Bagdad, Basra und anderen Städten Tausende Menschen an Straßenprotesten gegen staatliche Korruption, Engpässe in der Strom- und Wasserversorgung und die Unfähigkeit der Behörden, grundlegende Versorgungsleistungen sicherzustellen. Mindestens fünf Personen wurden getötet, als die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt einsetzten, um die Demonstrationen aufzulösen. In den darauffolgenden Wochen wurden mehrere Anführer der Proteste in Bagdad, Nassiriya und Basra von Unbekannten getötet. Der Innenminister behauptete, die Tötungen stünden nicht in Zusammenhang mit den Demonstrationen. Es blieb jedoch unklar, ob die Behörden die Vorfälle gründlich untersuchten.

Journalisten mussten 2015 weiterhin unter extrem gefährlichen Bedingungen arbeiten. Sie waren Drohungen und tätlichen Angriffen durch Sicherheitskräfte ausgesetzt und mussten befürchten, vom IS und anderen bewaffneten Gruppen verschleppt und getötet zu werden. Im April 2015 erklärte der Innenminister, die negative Berichterstattung der Medien über die Sicherheitskräfte behindere den Kampf gegen den IS.

Im Februar 2015 wurden mehrere Journalisten während einer Pressekonferenz in Bagdad von Leibwächtern eines hochrangigen Sicherheitsbeamten tätlich angegriffen. Im April verließ der Leiter des Bagdader Büros der Nachrichtenagentur Reuters, Ned Parker, den Irak, nachdem er von schiitischen Milizen Drohungen erhalten hatte. Parker hatte zuvor darüber berichtet, dass Einheiten der Volksmobilisierung Menschenrechtsverstöße und Plünderungen begangen hätten, nachdem sie Tikrit vom IS zurückerobert hatten.

Im Mai 2015 wurde der kritische Journalist Raed al-Juburi, der für den Fernsehsender al-Rasheed gearbeitet und Kolumnen für die Zeitung Azzaman geschrieben hatte, in seiner Wohnung in Bagdad tot aufgefunden. Seine Leiche wies Schusswunden in der Brust auf. Bis Ende 2015 waren die Ergebnisse der Ermittlungen zu seinem Tod noch nicht bekannt gegeben worden.

Flüchtlinge und Binnenvertriebene

2015 bot der Irak 244527 Flüchtlingen aus Syrien Zuflucht. Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und dem IS führten dazu, dass fast 3,2 Mio. Menschen aus den Provinzen Anbar, Niniveh und Salah al-Din ihre Heimat verließen und in anderen Teilen des Landes Schutz suchten. Viele flohen in die Region Kurdistan oder in andere Provinzen. Einige der Binnenvertriebenen wurden mehr als einmal vertrieben. Im Mai 2015 flohen etwa 500000 Menschen aus der Provinz Anbar, nachdem der IS die Provinzhauptstadt Ramadi eingenommen hatte. Vielen von ihnen wurde eine Aufnahme in Bagdad von den Behörden verwehrt. Die humanitären Bedingungen für die Binnenvertriebenen waren nach wie vor hart; in vielen Fällen hatten sie keinen Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen. Einige Vertriebene sollen in der kurdischen Stadt Sulaimaniyah von der dortigen Bevölkerung tätlich angegriffen und verletzt worden sein. Andere, die in die Region Kurdistan geflohen waren, wurden inhaftiert, weil man sie verdächtigte, mit dem IS in Verbindung zu stehen.

Region Kurdistan

Die politischen Spannungen in der teilautonomen Region Kurdistan verschärften sich, als die Demokratische Partei Kurdistans (Kurdistan Democratic Party – KDP) versuchte, die Amtszeit ihres Vorsitzenden Massoud Barzani als Präsident der kurdischen Regionalregierung zu verlängern. Die Opposition lehnte dies ab. Im Oktober 2015 kam es in Sulaimaniyah und in anderen Städten im Osten der Region zu Protesten Hunderter Angestellter des öffentlichen Dienstes, die überfällige Gehaltszahlungen einforderten. Im Oktober 2015 schossen KDP-Milizen in Qaladze und Kalar auf Protestierende. Dabei wurden mindestens fünf Menschen getötet, weitere erlitten Verletzungen. Die KDP gab bekannt, es seien Ermittlungen zu einem Brandanschlag auf ihre Parteizentrale eingeleitet worden, sie äußerte sich jedoch nicht dazu, ob die Tötungen durch KDP-Milizen ebenfalls Gegenstand der Untersuchung waren.

Die Behörden der Regionalregierung inhaftierten Personen, die im Verdacht standen, mit dem IS in Verbindung zu stehen, nannten aber keine Zahlen.

Todesstrafe

Die Gerichte verhängten nach wie vor häufig die Todesstrafe und richteten Dutzende Menschen hin. Die meisten Todesurteile ergingen gegen sunnitische Männer, die wegen Verstößen gegen das Antiterrorgesetz von 2005 schuldig gesprochen worden waren. Im Juni 2015 stimmte das Kabinett einer Änderung der Strafprozessordnung zu, wonach der Justizminister künftig Hinrichtungsbefehle unterzeichnen kann, wenn der Präsident nicht innerhalb von 30 Tagen darüber befindet. Im darauffolgenden Monat unterzeichnete Präsident Masum mindestens 21 Todesurteile.

Im September 2015 verurteilte ein Gericht in Bagdad die drei Brüder Ali, Shakir und Abdel-Wehab Mahmoud Hameed al-’Akla wegen Terrorismus zum Tode, weil sie 2010 einen Mann enthauptet haben sollen. Alle drei Angeklagten gaben an, Sicherheitskräfte hätten sie während ihrer monatelangen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gefoltert und dazu gezwungen, die Tötung ihnen unbekannter Personen zu "gestehen".

Im August 2015 richteten die Regierungsbehörden der Region Kurdistan Farhad Jaafar Mahmood und seine beiden Ehefrauen Berivan Haider Karim und Khuncha Hassan Ismael durch den Strang hin. Damit endete eine siebenjährige Hinrichtungspause in der Region. Ein Gericht in Dohuk hatte die drei Angeklagten im April 2014 wegen Entführung und Mordes zum Tode verurteilt.

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