Amnesty Report Polen 08. Mai 2015

Polen 2015

 

Der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski räumte 2014 ein, dass es in Polen ein CIA-Geheimgefängnis gegeben habe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte Polen wegen Beteiligung am CIA-Programm für Geheimgefängnisse und Folter. Der Schutz und die Gewährung sexueller und reproduktiver Rechte ließen weiterhin zu wünschen übrig. Polen hat das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt noch nicht ratifiziert.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Polen wurde als erster EU-Mitgliedstaat wegen Beteiligung am CIA-Programm für außerordentliche Überstellungen und Geheimgefängnisse verurteilt. Das Programm war nach den Attentaten vom 11. September 2001 in den USA vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush genehmigt worden.

Im Juli 2014 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in zwei separaten Urteilen, dass die polnische Regierung dem US-Geheimdienst CIA geholfen habe, in Stare Kiejkuty ein Gefängnis einzurichten, in dem Inhaftierte in geheimer Haft gehalten, gefoltert wurden und dem Verschwindenlassen ausgesetzt waren. Die beiden Männer Abd al-Rahim al-Nashiri und Zayn al-Abidin Muhammad Husayn (auch bekannt als Abu Zubaydah) hatten 2011 bzw. 2013 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde eingereicht.

Der saudi-arabische Staatsbürger Abd al-Rahim al-Nashiri, der den Bombenanschlag auf das US-Kriegsschiff USS Cole vor der jemenitischen Küste im Jahr 2000 organisiert haben soll, gab an, in einem Geheimgefängnis in Polen vernommen und "verschärften Verhörmethoden" sowie anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt worden zu sein, darunter auch "Scheinhinrichtungen" mit einer Schusswaffe und Androhung von sexuellen Übergriffen gegen seine Familienangehörigen.

Der in Saudi-Arabien geborene staatenlose Palästinenser Abu Zubaydah berichtete ebenfalls, in Polen inhaftiert gewesen und dort extremen körperlichen Schmerzen und psychischen Qualen ausgesetzt worden zu sein, darunter Waterboarding. Abd al-Rahim al-Nashiri soll vor einer Militärkommission in Guantánamo Bay der Prozess gemacht werden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befand, Polen habe gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, u.a. wegen mangelnder Untersuchung der von den beiden Männern erhobenen Vorwürfe, wegen ihrer Folterung und Misshandlung, wegen ihrer geheimen Inhaftierung und wegen ihrer Überstellung an Orte, an denen ihnen weitere Menschenrechtsverletzungen drohten.

Das Gericht bekräftigte außerdem das Recht der Opfer sowie der Öffentlichkeit auf Wahrheit. Im Oktober 2014 leitete die polnische Regierung die beiden Fälle an die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte weiter mit der Bitte um Überprüfung. Bis Ende 2014 hatte die Kammer noch keine Entscheidung getroffen.

Im Rahmen der offiziellen polnischen Untersuchung zu dem CIA-Gefängnis bekam ein dritter Mann, der angegeben hatte, dort im Jahr 2003 festgehalten worden zu sein, den Status einer "geschädigten Person" zuerkannt. Der jemenitische Staatsbürger Walid bin Attash ist in Guantánamo Bay inhaftiert, wo ihm vor einer Militärkommission der Prozess gemacht werden soll.

Ein vierter Mann, Mustafa al-Hawsawi, beantragte im Zuge der laufenden Ermittlungen zum CIA-Programm für außerordentliche Überstellungen und Geheimgefängnisse bei der Staatsanwaltschaft die Anerkennung als "geschädigte Person". Ende 2014 erwog der Staatsanwalt, eine zuvor erfolgte Ablehnung des Antrags von Mustafa al-Hawsawi eventuell zurückzunehmen.

Nach jahrelangem Leugnen räumte der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski im Dezember 2014 ein, dass sich auf polnischem Staatsgebiet ein CIA-Geheimgefängnis befunden habe, in dem in den Jahren 2002 und 2003 Gefangene festgehalten worden seien. Das Eingeständnis erfolgte, nachdem der US-Senat eine redaktionell stark bearbeitete Zusammenfassung seines Berichts über das geheime Inhaftierungsprogramm der CIA veröffentlicht hatte.

Obwohl Polen darin nicht namentlich genannt wurde, stimmten die Angaben des Senatsberichts zum Haftzentrum Blau mit den Daten und Berichten zu Haft und Folter überein, die Abu Zubaydah und Abd al-Rahim al-Nashiri dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorgelegt hatten.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Oktober 2012 im Verfahren P. und S. gegen Polen gab es beim Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen keine wesentlichen Verbesserungen. Der Gerichtshof hatte festgestellt, Polen habe gegen das Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung verstoßen und das Recht auf Privatleben verletzt, indem das Land einem 14-jährigen Mädchen das Recht auf einen legalen Schwangerschaftsabbruch verweigerte.

Die staatlichen Stellen leiteten keine Maßnahmen ein, um die wirksame Umsetzung des Gesetzes zum Schwangerschaftsabbruch zu gewährleisten und sicherzustellen, dass eine Verweigerung des Eingriffs aus Gewissensgründen durch Beschäftigte des Gesundheitswesens den Zugang von Frauen zu legalen Dienstleistungen nicht behinderte.

Im Juni 2014 wurde einer Frau der Zugang zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch verweigert, obwohl vorgeburtliche Untersuchungen eine schwere und irreversible Schädigung des Fötus ergeben hatten und das Gesetz in solchen Fällen einen Schwangerschaftsabbruch erlaubt. Der Direktor eines öffentlichen Krankenhauses in Warschau verbot, den Eingriff in der Klinik vornehmen zu lassen, und gab dafür Gewissensgründe an, obwohl eine Verweigerung aus Gewissensgründen nur Einzelpersonen zusteht, nicht jedoch Institutionen.

Das Kind starb zehn Tage nach der Geburt. Im Juli verhängte das Gesundheitsministerium wegen Verletzung von Patientenrechten eine Geldstrafe gegen die Klinik, und die Warschauer Oberbürgermeisterin entließ den Krankenhausdirektor von seinem Posten. Als Reaktion auf den Fall empfahl die Beauftragte für Patientenrechte der Regierung, die Bestimmungen zur Verweigerung aus Gewissensgründen zu reformieren.

Diskriminierung

Im März 2014 verzeichnete der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung eine Zunahme von Hassverbrechen, darunter auch antisemitische Übergriffe. Der Ausschuss kritisierte, dass es im Strafgesetzbuch keine Klausel gab, die bei rassistischen Motiven für Straftaten eine Strafverschärfung bewirkte.

Die Antidiskriminierungsgesetze boten keinen gleichen Schutz gegen Diskriminierung in allen Bereichen und aus allen Gründen. Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität war nicht explizit verboten, und in Bezug auf die sexuelle Orientierung war sie nur im Arbeits- und Berufsleben verboten.

Justizwesen

Im Januar 2014 trat ein Gesetz über Gerichtsverfahren gegen psychisch Kranke in Kraft. Das neue Gesetz erlaubt es Gerichten, gegen verurteilte Straftäter mit psychischen Störungen, die Leben, Gesundheit und sexuelle Freiheit anderer Personen bedrohen, Präventivmaßnahmen zu verhängen. Zu den möglichen Maßnahmen zählt die Isolierung in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen nach der Verbüßung einer Gefängnisstrafe. Der Präsident verwies das Gesetz zur Überprüfung an das Verfassungsgericht.

Flüchtlinge und Migranten

Ein neues Ausländergesetz, das im Mai 2014 in Kraft trat, verlängerte die maximale Dauer der Inhaftierung von Asylsuchenden auf 24 Monate. Laut den polnischen NGOs Helsinki Foundation for Human Rights und Association for Legal Intervention war fast ein Viertel der Personen, die in Haftzentren für Migranten festgehalten wurden, minderjährig.

Im Oktober 2014 forderte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte von der Regierung eine Erklärung zu den Umständen der Verwaltungshaft, in der eine tschetschenische Asylsuchende und ihre fünf Kinder gehalten worden waren. Die Frau und ihre Kinder waren im März nach Tschetschenien abgeschoben worden, obwohl ihr Asylverfahren noch nicht abgeschlossen war.

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