Amnesty Report 22. Mai 2013

Zentralafrikanische Republik 2013

 

Amtliche Bezeichnung:
 Zentralafrikanische Republik Staatsoberhaupt: François Bozizé Regierungschef: Faustin-Archange Touadéra

Die Bevölkerung der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) blieb 2012 massiv von Übergriffen und Gewalt bedroht, da nach wie vor zahlreiche bewaffnete Gruppierungen aktiv waren, obwohl einige die Einstellung des bewaffneten Kampfs erklärt hatten. Die Zivilbevölkerung war Tötungen, Entführungen, Misshandlungen sowie sexueller Gewalt einschließlich Vergewaltigungen ausgesetzt. Die meisten Täter genossen völlige Straffreiheit.

Hintergrund

Die Wirtschaftsgemeinschaft Zentralafrikanischer Staaten (CEEAC) beschloss, die Mission für die Friedenskonsolidierung in Zentralafrika (MICOPAX) im Dezember 2013 zu beenden. Nach wie vor waren einige hundert französische Soldaten in der ZAR stationiert. Sie unterstützten zum einen die Streitkräfte der Regierung in Fragen der Ausbildung, zum anderen die MICOPAX.

Im September 2012 übernahm die Afrikanische Union die politische Verantwortung für eine regionale Eingreiftruppe zur Bekämpfung der ugandischen Rebellengruppe Widerstandsarmee des Herrn (Lord’s Resistance Army – LRA). Zwischen MICOPAX-Soldaten und kleinen Einheiten der LRA kam es mehrfach zu Kämpfen, bei denen LRA-Angehörige getötet bzw. gefangen genommen wurden. Im Mai gaben die ugandischen Streitkräfte die Gefangennahme des hochrangigen LRA-Kommandeurs Caesar Achellam bekannt.

Anfang Dezember 2012 begann die Seleka, ein Bündnis bewaffneter Oppositionsgruppen, mit einer Offensive, deren Ziel der Sturz der Regierung war. Ende Dezember hatte das Bündnis große Teile des Nordens der ZAR erobert, wurde aber von MICOPAX-Einheiten am Vormarsch auf Bangui, die Hauptstadt des Landes, gehindert. Ende des Jahres einigten sich Seleka und Regierung auf die Aufnahme von Verhandlungen. Auf Bitten der Regierung entsandte Südafrika mehrere hundert Soldaten nach Bangui.

Menschenrechtsverstöße durch bewaffnete Gruppen

Das ganze Jahr über gab es Berichte von Übergriffen bewaffneter Gruppen im Norden und Osten der ZAR, darunter auch Tötungen, Folter und Entführungen.

Zahlreiche Übergriffe im Norden des Landes – einschließlich Tötungen, Entführungen und Plünderungen – wurden Resten der aus dem Tschad stammenden Volksfront für die Wiederaufrichtung (Front Populaire pour le Redressement – FPR) zugeschrieben. Im Januar 2012 griffen zentralafrikanische und tschadische Einheiten die Stützpunkte der FPR im Norden des Landes an und zerstreuten deren Kämpfer. Im September ergab sich der Anführer der FPR, Baba Laddé, und wurde an
den Tschad überstellt. Einen Monat später wurden auch Hunderte FPR-Kämpfer und bei ihnen lebende Zivilpersonen in den Tschad repatriiert.

Berichten zufolge soll die LRA 2012 weniger Menschen getötet haben als in den Vorjahren. Nach wie vor waren Kämpfer der LRA jedoch für die Tötung von Zivilpersonen, für Plünderungen und für den Missbrauch von Frauen und Mädchen als Sexsklavinnen verantwortlich.

  • Im März 2012 wurden 13 Männer getötet, die in einem Bergwerk gearbeitet hatten, das in einem Wildpark in der Provinz Mbomou liegt. Erik Mararv, der schwedische Eigentümer des Wildparks, und der britische Pilot David Simpson wurden wegen der Tötung der Männer angeklagt. Demgegenüber erklärten Menschenrechtsgruppen und Anwälte, dass die Tötungen die Handschrift der LRA trügen. Nachdem die beiden Männer mehrere Monate im Gefängnis zugebracht hatten, wurde die Anklage gegen sie im August fallen gelassen.

Entwaffnung, Demobilisierung
und Wiedereingliederung
in die Zivilgesellschaft

Mehrere bewaffnete Gruppen erklärten das Ende des Konflikts mit der Regierung und verpflichteten sich zur Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ihrer Kämpfer in die Zivilgesellschaft. Die Union der Republikanischen Kräfte gab im Juni bekannt, dass die Entwaffnung ihrer Kämpfer und die Auflösung der Gruppe abgeschlossen seien. Die Volksarmee für die Wiederherstellung der Republik und der Demokratie (Armée populaire pour la restauration de la démocratie – APRD) erklärte im Juli 2012, dass sie als bewaffnete Gruppe nicht mehr existiere. Nachdem der Anführer der Gruppe, Jean-Jacques Démafouth (Vizepräsident des Lenkungsausschusses für das Demobilisierungsprogramm), sowie zwei weitere Politiker im Januar festgenommen worden waren, weil sie den Sturz der Regierung geplant haben sollen, hatte sich die Demobilisierung der APRD verzögert. Nach Ansicht führender Oppositionspolitiker waren die Festnahmen politisch motiviert. Die Vorwürfe gegen die Männer wurden im Mai fallen gelassen, und sie kamen auf freien Fuß.

Im August wurde zwischen der Sammlungsbewegung der Patrioten für Gerechtigkeit und Frieden (Convention des Patriotes pour la Justice et la Paix – CPJP) und der Regierung der ZAR ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. In den Monaten vor der Unterzeichnung waren zahlreiche Kindersoldaten der CPJP demobilisiert worden. Die Entwaffnung der CPJP-Kämpfer war Ende 2012 jedoch noch nicht abgeschlossen, und ein Flügel der CPJP, der den Waffenstillstand ablehnte, verübte in der zweiten Jahreshälfte Angriffe auf Soldaten der Regierungsarmee.

Exzessive Gewaltanwendung

Soldaten der nationalen Streitkräfte misshandelten und töteten Zivilpersonen. Dabei genossen sie praktisch Straffreiheit. Viele Täter gehörten der Präsidialgarde an.

  • Mijora Delphine Dengwize erlag im August 2012 den Schussverletzungen, die ihr ein Hauptmann der Armee zugefügt hatte. Der Hauptmann hatte versucht, Zivilpersonen festzunehmen, die er der Beteiligung an einem gewaltsamen Vorfall in Bangui beschuldigte. Als eine Menschenmenge dagegen protestierte, schoss er in die Menge und traf die Frau. Der Soldat war seit langem dafür bekannt, dass er Menschenrechtsverletzungen beging, ohne sich für diese strafrechtlich verantworten zu müssen.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

In Ndele, im Norden der ZAR, vergewaltigten Soldaten der tschadischen Streitkräfte, die im Januar an der Offensive gegen die FPR teilgenommen hatten, mehr als zwölf Frauen. Weder die zentralafrikanischen noch die tschadischen Behörden gingen gegen die Verantwortlichen vor.

Gewaltlose politische Gefangene

Im April 2012 kamen elf gewaltlose politische Gefangene vorläufig aus der Haft frei, nachdem ein Richter geurteilt hatte, dass sie sich nicht schuldig gemacht hätten. Sie waren im Juni 2010 festgenommen worden, weil sie Verbindungen zu einem Rechtsanwalt und einem Geschäftsmann hatten, die von den Behörden gesucht wurden. Die Regierung legte jedoch gegen die Entscheidung des Richters Berufung ein. Zum Jahresende war gegen die Betroffenen noch eine Klage wegen Brandstiftung anhängig.

Haft ohne Anklageerhebung

Nachdem im Juni 2012 der Justizminister und im Juli der Finanzminister entlassen worden waren, wurden im Juli und im August mehrere Personen festgenommen, die Verbindungen zu den beiden Ex-Ministern hatten. Wie es hieß, soll Präsident François Bozizé die beiden Minister verdächtigt haben, den Sturz der Regierung zu planen. Bei den Festgenommenen handelte es sich um den Bruder des ehemaligen Justizministers, Laurent Feindiro, sowie um zwei Mitarbeiter des ehemaligen Finanzministers: dessen Fahrer Jean Bianga und den Beamten Serge Venant Magna. Sie befanden sich Ende 2012 nach wie vor in Haft, ohne vor Gericht gestellt worden zu sein.

Amnesty International: Missionen

Delegierte von Amnesty International hielten sich im Mai
 und im Juni in der Zentralafrikanischen Republik auf.


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