Amnesty Report Tschechische Republik 23. Mai 2013

Tschechien 2013

 

Amtliche Bezeichnung: Tschechische Republik Staatsoberhaupt: Václav Klaus Regierungschef: Petr Necas

Zwischenstaatliche Gremien, NGOs und Menschenrechtsexperten äußerten scharfe Kritik an der Regierung, weil sie keine effektiven Maßnahmen gegen die Segregation von Roma-Kindern im Bildungssystem ergriffen hatte. Roma waren weiterhin von rechtswidrigen Zwangsräumungen betroffen.

Diskriminierung – Roma

Roma waren im Jahr 2012 weiterhin Einschüchterungen und tätlichen Angriffen ausgesetzt. Das Europäische Zentrum für die Rechte der Roma (ECRR) berichtete über Brandanschläge auf Unterkünfte von Roma-Familien und andere Übergriffe sowie Anti-Roma-Kundgebungen.

Bildung

Bildungsminister Josef Dobes, der in der Vergangenheit von NGOs heftig kritisiert worden war, weil er Versuche zur Beendigung der Segregation von Roma-Kindern in den Schulen verzögerte, legte im März 2012 sein Amt nieder und wurde im Mai durch Petr Fiala ersetzt. Der neue Minister gab die Zusage, die Diskriminierung von Roma-Kindern beim Zugang zur Bildung zu beenden.

Im Oktober wurde die Menschenrechtssituation der Tschechischen Republik im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat begutachtet. Die Regierung wurde dabei dringend aufgefordert, die anhaltende Segregation von Roma-Kindern in der Schule zu beenden und den Nationalen Aktionsplan für inklusive Bildung in vollem Umfang umzusetzen.

Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, stellte im November fest, dass die sogenannten praktischen Schulen (früher als "Sonderschulen" bezeichnet) die Segregation und Ungleichheit der Roma und den gegen sie gerichteten Rassismus aufrechterhielten. Er plädierte dafür, diese Art von Schulen nach und nach zu schließen und sie durch Regelschulen zu ersetzen, die in der Lage sind, alle Schüler – unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft – aufzunehmen und zu unterstützen.

Im Dezember drückte das Ministerkomitee des Europarats Besorgnis darüber aus, dass fünf Jahre nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall D. H. und andere gegen die Tschechische Republik kaum Fortschritte dabei erzielt worden seien, die Ursachen für die Diskriminierung der Roma in den Schulen zu beseitigen. Das Komitee begrüßte jedoch die erneute Zusage der Regierung, die Segregation der Roma im Bildungssystem beenden zu wollen.

Wohnen

  • Im August 2012 drohte mehr als 300 zur Bevölkerungsgruppe der Roma gehörenden Bewohnern der Prednádrazí-Straße in Ostrava (Ostrau) die rechtswidrige Zwangsräumung, nachdem sie einen Räumungsbefehl erhalten hatten, der ihnen 24 Stunden Zeit ließ, ihre Unterkünfte freiwillig zu räumen. Die meisten Bewohner verließen schließlich ihr bisheriges Wohnviertel und zogen in die ihnen angebotenen Übergangsunterkünfte in Hostels, obwohl NGOs Bedenken geäußert hatten, weil die neuen Unterkünfte teuer und überbelegt waren. Als Antwort darauf erklärten sowohl die Regierung als auch der Bürgermeister von Ostrava, dass es nicht zu ihren Verantwortlichkeiten gehöre, diese Probleme zu lösen.

  • Im Oktober 2012 urteilte das Obergericht von Olomouc (Olmütz), dass die Verwaltung von Ostrava Roma, die dauerhafte Unterkünfte beantragt hatten, nicht diskriminiert habe, als sie ihnen zusätzliche Verwaltungsanforderungen auferlegte.

  • Im November 2012 ließ die Stadtverwaltung von Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe) ein Gebäude im überwiegend von Roma bewohnten Stadtviertel Predlice gegen den Willen der Bewohner räumen. 36 Bewohner waren davon betroffen. Die Stadtverwaltung begründete die Maßnahme damit, dass die Gebäude aufgrund der durch Baufälligkeit bestehenden Gefahren unbewohnbar seien. Die Bewohner und ortsansässige Wohnrechtsaktivisten machten geltend, dass die Räumung ohne angemessene Konsultation durchgeführt worden sei und die Stadtverwaltung keine anderweitige Unterbringung zur Verfügung gestellt habe. Die vertriebenen Roma wurden vorübergehend in einer örtlichen Turnhalle untergebracht und schließlich in Hostels, die sehr viel teurer als die früheren Unterkünfte waren. Die Bewohner hatten auch Schwierigkeiten beim Zugang zu Schulen und anderen städtischen Dienstleistungen. Die in Predlice verbliebenen Bewohner befürchteten, dass weitere Zwangsräumungen folgen könnten.

Zwangssterilisierung von Roma-Frauen

  • Während der im Oktober 2012 durchgeführten Universellen Regelmäßigen Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat wurde die Tschechische Republik erneut aufgefordert, Fälle von Sterilisierungen zu untersuchen, die ohne die Zustimmung der betroffenen Roma-Frauen durchgeführt worden waren, und zudem sicherzustellen, dass angemessene Entschädigung und Wiedergutmachung geleistet würde.

Rechte von Migranten

NGOs kritisierten weiterhin die Festnahme von Asylsuchenden und das Fehlen effektiver Rechtsmittel gegen diese Praxis.

  • Strafrechtliche Ermittlungen in mutmaßlichen Fällen von Betrug, illegalem Handel und Erpressung zum Schaden von ausländischen Arbeitsmigranten in der Forstwirtschaft wurden fortgesetzt. Anwälte, die die betroffenen Arbeiter vertraten, reichten mehrere Klagen gegen Entscheidungen der Polizei ein, Ermittlungen in einzelnen Fällen einzustellen. Die Anwälte äußerten auch die Sorge, dass die lange Dauer der Verfahren zum Verlust wichtiger Beweismittel führen könnte.

  • Im Oktober 2012 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Buishvilli gegen die Tschechische Republik, dass die tschechischen Behörden das Recht eines georgischen Asylsuchenden verletzt hätten, gegen seine Gewahrsamnahme gerichtlich vorzugehen. Der Mann war auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung aus den Niederlanden in die Tschechische Republik überstellt worden. Da das Innenministerium entschieden hatte, ihm die Einreise in das Land zu verweigern, wurde er im Aufnahmezentrum am Prager Flughafen festgehalten. Er machte erfolgreich geltend, dass er nicht die Möglichkeit gehabt habe, seine Freilassung durch ein gerichtliches Verfahren in die Wege zu leiten, da ein Gericht zwar die Entscheidung des Ministeriums aufheben, jedoch nicht seine Freilassung anordnen könne.

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