Amnesty Report 23. Mai 2013

Guinea-Bissau 2013

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Guinea-Bissau Staatsoberhaupt: Manuel Serifo Nhamadjo (löste im Mai Raimundo Pereira im Amt ab, der im Januar Malam Bacai Sanhá im Amt gefolgt war) Regierungschef: Rui Duarte de Barros (löste im Mai Carlos Gomes Júnior im Amt ab)

Der Tod von Präsident Malam Bacai Sanhá im Januar 2012 führte zu einer drastischen Verschärfung der politischen Spannungen im Land. Mit einem Militärputsch im April erreichten diese Spannungen ihren Höhepunkt. Nach dem mutmaßlichen Angriff auf eine Militärkaserne spitzte sich die Lage in Guinea-Bissau im Oktober zu, was eine weitere Verschlechterung der Menschenrechtslage und der humanitären Situation zur Folge hatte. Die Streitkräfte verübten nach wie vor Menschenrechtsverletzungen, darunter willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, Misshandlungen durch Schläge sowie außergerichtliche Hinrichtungen, ohne dafür strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Die Rechte auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, u.a. die Pressefreiheit, waren stark eingeschränkt. Niemand wurde im Berichtsjahr für die seit 2009 begangenen politischen Morde an Politikern und hochrangigen Militärangehörigen strafrechtlich belangt.

Hintergrund

Präsident Malam Bacai Sanhá starb im Januar 2012 nach langer Krankheit. Zwar gewann der frühere Regierungschef Carlos Gomes Júnior die erste Runde der Präsidentschaftswahlen im März, da er aber die absolute Mehrheit knapp verfehlte, wurde für Ende April eine Stichwahl angesetzt. Zehn Tage vor der Stichwahl putschte das Militär, brachte Bissau, die Hauptstadt des Landes, unter seine Kontrolle und nahm den früheren Regierungschef sowie den Übergangspräsidenten fest. Beide wurden zwei Wochen später aus dem Militärgewahrsam entlassen und ins Exil geschickt.

Die selbsternannte Militärjunta, die die Kontrolle übernommen hatte, verhängte repressive Maßnahmen zur Unterdrückung von Kritik. Jegliche Kundgebungen waren verboten. Friedliche Spontandemonstrationen wurden von Soldaten unter Einsatz von Gewalt aufgelöst. Das Militär behauptete, dass es dabei auf Veranlassung der angolanischen Militärmission handele. Die Mission war Teil eines bilateralen Abkommens mit Guinea-Bissau und sollte das Land bei der Ausbildung und der Reform der Sicherheitsorgane unterstützen. Anfang Mai einigten sich die Junta und ihre zivilen Verbündeten mit der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Economic Community Of West African States – ECOWAS) auf eine einjährige Übergangszeit und die Entsendung von Soldaten der ECOWAS nach Bissau. Zwei Wochen später wurden ein Übergangspräsident und eine Übergangsregierung ernannt, die aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden.

Im Oktober gaben die Behörden an, dass eine Gruppe von Soldaten und Zivilpersonen in den Außenbezirken von Bissau eine Militärkaserne angegriffen hätte und sechs Angreifer getötet worden seien. Sie beschuldigten den ehemaligen Regierungschef der Verwicklung in den Angriff. Auf der Suche nach den mutmaßlichen Verantwortlichen für den Angriff verübten Angehörige des Militärs schwere Menschenrechtsverletzungen.

Recht auf freie Meinungsäußerung – Journalisten

Während des Militärputschs wurden private Radiosender geschlossen. Sie durften ihre Tätigkeit erst nach zwei Tagen wieder unter strengen Zensurauflagen aufnehmen, weshalb sich
die Betreiber mindestens eines Radiosenders
entschlossen, nicht wieder auf Sendung zu gehen. Journalisten wurden an ihrer Arbeit gehindert, schikaniert oder festgenommen. Der Korrespondent des staatlichen portugiesischen Radio- und Fernsehsenders Radio Televisão Portuguesa wurde im Oktober wegen seiner kritischen Berichterstattung über die Regierung und die Militärbehörden ausgewiesen.

Rechtswidrige Tötungen und außergerichtliche Hinrichtungen

Es trafen Berichte ein, die Anlass zu der Annahme gaben, dass sechs Menschen, die angeblich bei dem Angriff auf die Militärkaserne im Oktober getötet worden waren, außergerichtlich hingerichtet wurden. Bei den Toten handelte es sich um vier Zivilpersonen und zwei Militärangehörige. Dem Vernehmen nach richteten Soldaten in Bolama auf den Bijagos-Inseln fünf Menschen außergerichtlich hin, denen sie vorwarfen, Komplizen von Pansau Ntchama, dem mutmaßlichen Anführer des Angriffs auf die Kaserne, zu sein. Andere wurden rechtswidrig getötet, weil sie Verbindungen zu abgesetzten Amtsträgern der Regierung hatten.

Luis Ocante da Silva, ein enger Freund des früheren Generalstabschefs der Streitkräfte, José Zamora Induta, starb an den Folgen der Schläge, mit denen ihn Soldaten traktiert hatten. Er war am 6. November 2012 von einer Gruppe Soldaten aus seiner Wohnung verschleppt, zusammengeschlagen und an einen unbekannten Ort gebracht worden. Zwei Tage später brachten Soldaten seinen Leichnam in die Leichenhalle des Zentralkrankenhauses. Die Familie durfte lediglich sein Gesicht sehen, es wurde ihr aber nicht erlaubt, den Toten mitzunehmen und zu bestatten.

Es erfolgten keine Ermittlungen, um festzustellen, wer aus den Reihen der Streitkräfte für diese Tötungen und für andere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich war. Straflosigkeit bestand nach wie vor auch für die seit dem Jahr 2009 begangenen politischen Morde.

Folter und andere Misshandlungen

Nach dem Umsturz im April 2012 verprügelten Soldaten auf der Suche nach abgesetzten Regierungsvertretern deren Familien, Freunde sowie Mitarbeiter und verwüsteten ihre Wohnungen. Die meisten Minister tauchten mehrere Monate lang unter, einige flüchteten außer Landes. Mitglieder zivilgesellschaftlicher Gruppen gerieten ebenfalls in das Visier der Sicherheitskräfte. Einige erhielten Morddrohungen und flüchteten daraufhin in ausländische Botschaften. Unter ihnen waren mehrere Mitglieder der NGO Guineische Menschenrechtsliga (Liga Guineense dos Direitos Humanos – LGDH).

Am Tag nach dem Angriff auf die Militärkaserne wurde Iancuba Indjai, Vorsitzender der oppositionellen Partei für Solidarität und Arbeit (Partido da Solidariedade e Trabalho – PST) und Sprecher des Frente Nacional Anti-Golpe, eines Bündnisses aus politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Gruppen, die gegen den Putsch vom April waren, von Soldaten festgenommen und verprügelt. Iancuba Indjai wurde ungefähr 50 km außerhalb von Bissau am Straßenrand liegen gelassen. Dort fanden ihn Ortsansässige, die seine Familie benachrichtigten. Er wurde in ein Krankenhaus im Ausland gebracht.

Zu einem späteren Zeitpunkt am gleichen Tag gingen Soldaten in Bissau zur Kanzlei des Rechtsanwalts Silvestre Alves, dem Vorsitzenden der Partei Demokratische Bewegung (Movimento Democrático – MD). Sie schlugen auf ihn ein und nahmen ihn mit. Silvestre Alves wurde später bewusstlos an einer Straße 40 km außerhalb der Stadt von Ortsansässigen aufgefunden, die ihn in ein Krankenhaus brachten. Auch er wurde zur ärztlichen Behandlung ins Ausland gebracht.

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