Amnesty Report China 22. Mai 2013

China 2013

 

Amtliche Bezeichnung: Volksrepublik China Staatsoberhaupt: Hu Jintao Regierungschef: Wen Jiabao

Die staatlichen Stellen hielten 2012 politisch engagierte Bürger, Menschenrechtsverteidiger und Internetaktivisten weiterhin fest im Würgegriff, indem sie viele von ihnen drangsalierten, einschüchterten, willkürlich in Gewahrsam nahmen oder "verschwinden" ließen. Mindestens 130 Personen wurden in Haft genommen oder mit anderen Beschränkungen belegt, um im Vorfeld des auf dem 18. Parteikongress der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) im November eingeleiteten Führungswechsels kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen und Proteste zu vereiteln. Vielen Menschen wurde Gerechtigkeit durch die Justiz verwehrt, was zur Folge hatte, dass sich Millionen von Bürgern wegen Beschwerden über Ungerechtigkeit, die ihnen widerfahren war, und mit der Forderung nach Wiedergutmachung direkt an die Regierung wandten, ohne den offiziellen Rechtsweg zu beschreiten. Muslime, Buddhisten und Christen, die ihre Religion außerhalb der staatlich genehmigten Bahnen ausübten, sowie Falun-Gong-Anhänger wurden gefoltert, schikaniert, willkürlich inhaftiert, ins Gefängnis gesteckt oder mussten andere schwere Beschränkungen ihres Rechts auf Religionsfreiheit erfahren. Kommunalregierungen griffen weiter auf Landverkäufe zur Finanzierung von Projekten der Wirtschaftsförderung zurück, was im ganzen Land zur rechtswidrigen Zwangsräumung von Tausenden Menschen aus ihren Wohnungen oder zur Vertreibung von ihrem Land führte. Die Behörden kündigten weitere Verschärfungen der juristischen Verfahren in Todesstrafenfällen an; ungeachtet dessen wurden im Berichtsjahr Tausende von Todesurteilen vollstreckt.

Hintergrund

In der KPCh kam es auf dem 18. Parteikongress im November 2012 zum ersten offiziellen Wechsel an der Führungsspitze seit zehn Jahren. Xi Jinping wurde neuer Parteivorsitzender und Li Keqiang zur Nummer zwei im Ständi-
gen Ausschuss des Politbüros der KPCh. Es wird erwartet, dass die beiden im März 2013 Staatspräsident Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao in ihren Ämtern ablösen werden.

Justizwesen

Der Staat benutzte das Strafrechtssystem weiterhin dazu, seine Kritiker zu bestrafen. Gegen Hunderte von Personen und Gruppen ergingen langjährige Haftstrafen oder sie wurden in die Lager der Umerziehung durch Arbeit gesteckt, weil sie in friedlicher Weise ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Gewissensfreiheit wahrgenommen hatten. Häufig wurden Anklagen wegen "Gefährdung der Staatssicherheit", "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" oder "Preisgabe von Staatsgeheimnissen" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen gegen Personen verhängt, weil sie Internetblogs veröffentlicht oder als sensibel eingestufte Informationen ins Ausland weitergeleitet hatten.

Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war.

Verstöße gegen das Recht von Angeklagten auf ein faires Gerichtsverfahren und gegen andere ihrer Rechte waren gängige Praxis, darunter der verwehrte Zugang zu Anwälten und Familienangehörigen, Inhaftierungen über die rechtlich zulässige Zeitdauer hinaus sowie Folter und Misshandlung in Gewahrsam. Die Anwendung von Folter zur Erzwingung von Geständnissen war nach wie vor weit verbreitet. Änderungen der Strafprozessordnung, die im März 2012 verabschiedet wurden und am 1. Januar 2013 in Kraft treten sollen, sehen einen besseren Schutz für jugendliche und psychisch kranke Straftatverdächtige und Angeklagte vor.

Gleichzeitig wurde die Polizei mit der Gesetzesnovelle nun jedoch zum ersten Mal bevollmächtigt, bestimmter Straftaten (darunter "Gefährdung der Staatssicherheit") verdächtigte Personen bis zu sechs Monate in Gewahrsam zu nehmen, ohne die Familien der Inhaftierten über den Haftort oder die Gründe für die Festnahme zu unterrichten. Diese Gesetzesänderung könnte also eine Legalisierung des Verschwindenlassens zur Folge haben.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Die Polizei beraubte Hunderttausende von Personen ihrer Freiheit, indem sie Administrativhaft u.a. in Lagern der Umerziehung durch Arbeit gegen sie verhängte, ohne dass diese sich an unabhängige Gerichte wenden konnten.

Die Behörden unterhielten Hunderte von Hafteinrichtungen, so auch geheime sogenannte schwarze Gefängnisse und Schulungszentren für Rechtserziehung, wo Tausende willkürlich festgehalten wurden und wo Folter eine gängige Methode zur "Korrektur" oder Abschreckung war und manchmal zum Tod des Opfers führte.

  • Der blinde Bürgerrechtler Chen Guangcheng aus Shandong und Angehörige seiner Familie wurden gefoltert und anderthalb Jahre in rechtswidrigem Hausarrest gehalten, bis es ihnen im April 2012 schließlich gelang, in die US-amerikanische Botschaft zu flüchten. Nach einer diplomatischen Auseinandersetzung durften sie im Mai in die USA ausreisen.

  • Der im Juni 2011 aus der Haft entlassene Menschenrechtsverteidiger und Umweltschützer Hu Jia befand sich weiterhin unter Hausarrest und unter Observierung. Vor dem Parteikongress der KPCh im November holten ihn Angehörige der Polizeibehörde für innere Sicherheit gegen seinen Willen aus seiner Wohnung in Peking und brachten ihn in ein Hotel, wo er bis zum 16. November 2012 festgehalten wurde.

Menschenrechtsverteidiger

Die Beziehungen zwischen der Zivilgesellschaft und der Regierung waren nach wie vor sehr angespannt. Wissenschaftler und politisch engagierte Bürger richteten mehrere offene Briefe an die Regierung und die neuen politischen Führer und forderten darin die Abschaffung der Umerziehung durch Arbeit und anderer Vorkehrungen zur willkürlichen Inhaftierung, wie "schwarze Gefängnisse" und die Einweisung in psychiatrische Kliniken.

Haushaltsmittel in Höhe von über 701 Mrd. Yuan RMB (etwa 112 Mrd. US-Dollar) waren für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung vorgesehen – eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 30 Mrd. Yuan RMB. Die Provinzregierungen wiesen die Behörden der unteren Ebenen an, im Vorfeld des Führungswechsels in der KPCh die "kommunale Arbeit zu stärken". Dazu gehörte die Sammlung von Informationen durch mit der Überwachung auf kommunaler Ebene betraute Personen, Warnungen an Dissidenten und ihre Familien sowie die Verhängung von Gefängnisstrafen oder Hausarrest gegen Regierungskritiker, um sie durch diese Maßnahmen zum Schweigen zu bringen.

Ende 2011 und Anfang 2012 wurden mehrere Menschenrechtsverteidiger, die beständig politische Reformen eingefordert hatten, wegen der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" zu langen Haftstrafen verurteilt, weil sie Artikel und Gedichte verfasst und verbreitet hatten. So wurden der Leiter des Menschenrechtsforums von Guizhou, Chen Xi, und der Aktivist Li Tie zu jeweils zehn Jahren, der Menschenrechtsverteidiger Chen Wei aus Sichuan zu neun Jahren und das Mitglied der Demokratischen Partei in Zhejiang Zhu Yufu zu sieben Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Zum Jahresende verhängte ein Gericht gegen den Internetaktivisten Cao Haibo aus Jiangsu eine achtjährige Gefängnisstrafe. Er hatte im Internet eine Diskussionsgruppe zur Erörterung von Fragen des Verfassungsrechts und der Demokratie gegründet.

Menschenrechtsverteidiger, die sich auf dem Gebiet der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte engagierten, gerieten ebenfalls ins Visier der staatlichen Stellen. Sie wurden entweder observiert, schikaniert oder wegen vage formulierter Straftatbestände angeklagt.

  • Feng Zhenghu, der für die Wohnrechte von Bürgern in Schanghai eintrat, wurde Ende Februar 2012 unter Hausarrest gestellt und verblieb dort das ganze Jahr über.

  • Die Frauenrechtlerin und Wohnrechtsaktivistin Mao Hengfeng wurde einen Monat vor dem 18. Parteikongress der KPCh ein weiteres Mal wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" festgenommen, anschließend verhängte man 18 Monate Umerziehung durch Arbeit gegen sie.

  • Die Wohnrechtsaktivistin und Menschenrechtsanwältin Ni Yulan wurde zusammen mit ihrem Ehemann im Juli 2012 in einem zweiten Prozess zu 30 bzw. 24 Monaten Freiheitsentzug verurteilt, weil sie "Streit vom Zaun gebrochen und Unruhe gestiftet" haben sollen.

  • Am 6. Juni 2012 wurde der langjährige Dissident und Verfechter der Arbeitnehmerrechte Li Wangyang in einem Krankenhaus tot aufgefunden. Wenige Tage zuvor hatte er in einem in Hongkong ausgestrahlten Interview davon gesprochen, gefoltert worden zu sein. Nach Angaben der Behörden soll er sich erhängt haben, was jedoch von vielen angezweifelt wird. Aufgrund der ihm nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1989 im Gefängnis zugefügten Folterungen war Li Wangyang blind und taub und konnte nur mit Hilfe anderer gehen. Er war zweimal ins Gefängnis gesteckt worden und hatte insgesamt über
21 Jahre seines Lebens in Haft verbracht.

Todesstrafe

Auch im Jahr 2012 wurden wieder Todesurteile als Ergebnis unfairer Gerichtsverfahren verhängt. In China wurden mehr Menschen hingerichtet als in der gesamten übrigen Welt. Statistiken über Todesurteile und Exekutionen unterlagen nach wie vor der Geheimhaltung. Nach geltendem chinesischen Recht gab
es keine Möglichkeit für zum Tode verurteilte Gefangene, ein Gnadengesuch zu stellen
oder eine Umwandlung der Strafe zu beantragen.

  • Im Mai 2012 hoben die Behörden das gegen die Geschäftsfrau Wu Ying wegen "betrügerischer Finanzbeschaffung" verhängte Todesurteil wieder auf, wodurch die Debatte über die Abschaffung der Todesstrafe für Wirtschaftsdelikte wieder angeheizt wurde.

Die Novellierung der Strafprozessordnung wird es dem Obersten Volksgericht ermöglichen, in allen Fällen Änderungen an Todesurteilen vorzunehmen. Auch wird fortan eine Ton- oder Videoaufzeichnung der Verhöre von Verdächtigen, denen möglicherweise die Todesstrafe oder eine lebenslange Freiheitsstrafe droht, zwingend vorgeschrieben. Die Gerichte, Anklagebehörden und die Polizei müssen in Zukunft die Rechtshilfebüros benachrichtigen, damit sie allen Straftatverdächtigen und Angeklagten, denen möglicherweise die Todesstrafe oder eine lebenslange Freiheitsstrafe droht und die noch keinen Rechtsbeistand beauftragt haben, einen Verteidiger zuweisen. Chinesische Juristen forderten, dass Rechtshilfe in allen Phasen des Strafverfahrens, in dem ein Todesurteil gefällt werden kann, gewährleistet sein sollte.

Die Behörden gaben im November 2012 bekannt, dass Anfang 2013 ein landesweites Organspendesystem auf freiwilliger Basis eingeführt werden soll, um künftig nicht mehr auf die Organe hingerichteter Gefangener angewiesen zu sein.

Recht auf Wohnraum – rechtswidrige Zwangsräumungen

Rechtswidrige Zwangsräumungen unter Anwendung von Gewalt und ohne Vorankündigung waren weit verbreitet. Ihnen gingen oftmals Drohungen und Drangsalierungen voraus. Eine Konsultierung der betroffenen Einwohner fand nur selten statt. Entschädigungen, angemessene Ersatzwohnungen und der Zugang zu Rechtsbehelfen waren stark eingeschränkt.

In vielen Fällen schlossen korrupte Dorfvorsteher Verträge mit privaten Bauunternehmen und übertrugen ihnen die Nutzungsrechte für Grund und Boden, ohne dass die dortigen Bewohner darüber unterrichtet wurden. Wenn diese sich dann mit friedlichen Mitteln der rechtswidrigen Zwangsräumung widersetzten oder auf rechtlichem Wege versuchten, ihre Rechte durchzusetzen, liefen sie Gefahr, inhaftiert, zu Gefängnisstrafen verurteilt oder in Lager der Umerziehung durch Arbeit gesteckt zu werden. Einige ergriffen dann drastische Maßnahmen und setzten sich selbst in Brand oder entschieden sich für gewaltsame Formen des Protestes.

Die Bestimmungen von 2011 zur Enteignung von Häusern auf staatlichem Boden und zur Entschädigung wurden nicht ausreichend durchgesetzt. Gemäß diesen Bestimmungen ist die Anwendung von Gewalt bei Zwangsräumungen in Städten verboten, und es sind begrenzte Schutzgarantien für betroffene Hausbewohner darin vorgesehen. Der Staatsrat, die chinesische Regierung, legte dem Nationalen Volkskongress im November Entwürfe für die Novellierung des Landverwaltungsgesetzes von 1986 vor. Es wird erwartet, dass darin der Rechtsschutz vor rechtswidrigen Zwangsräumungen und eine höhere Entschädigung für betroffene Einwohner auf dem Land enthalten sein werden.

  • Die Behörden setzten von April bis August 2012 den Abriss von Häusern in dem zur Hauptstadt Peking gehörenden Dorf Shiliuzhuang fort. Einige der Abrissarbeiten erfolgten um fünf Uhr morgens und ohne Vorankündigung. Auch wurde den Bewohnern kein alternativer Wohnraum zur Verfügung gestellt, und einige erhielten überhaupt keine Entschädigung. Nach Angaben der betroffenen Bewohner hatte man sie nicht ordentlich konsultiert, und einige von ihnen sollen vor der Zwangsräumung geschlagen und kurzzeitig inhaftiert worden sein.

Autonome Region Tibet

Weiterhin wurden das Recht von Tibetern, ihre eigene Kultur zu pflegen und zu fördern, sowie ihre Rechte auf Religionsfreiheit, freie Meinungsäußerung und friedliche Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit unterdrückt. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Diskriminierung von Angehörigen der tibetischen Volksgruppe hielt unvermindert an. Im Laufe des Jahres 2012 zündeten sich mindestens 83 tibetische Mönche, Nonnen und Laien an, wodurch sich die Zahl der Selbstverbrennungen in den von Tibetern besiedelten Gebieten Chinas seit Februar 2009 auf mindestens 95 erhöht hat.

  • Mindestens drei Männer wurden in getrennten Verfahren zu Haftstrafen von bis zu siebeneinhalb Jahren verurteilt, weil sie Informationen über Selbstverbrennungen an Organisationen und Medien im Ausland weitergeleitet hatten.

Zahlreiche Personen, die an Protesten gegen die Regierung beteiligt gewesen sein sollen, wurden verprügelt, in Gewahrsam genommen, in unfairen Gerichtsverfahren abgeurteilt oder man ließ sie verschwinden. Es wird angenommen, dass mindestens zwei Personen an den Folgen der ihnen durch die Polizei zugefügten Verletzungen gestorben sind.

  • Im Januar 2012 eröffneten die Sicherheitskräfte dem Vernehmen nach bei drei unterschiedlichen Zwischenfällen das Feuer auf protestierende Tibeter in der Provinz Sichuan. Dabei wurden Berichten zufolge mindestens eine Person getötet und viele weitere Menschen verletzt.

Die Behörden führten Kampagnen der "patriotischen" und der "Rechtserziehung" durch, um Tibeter dazu zu zwingen, den Dalai Lama zu verurteilen. Behördenvertreter nahmen immer mehr Einfluss auf die Verwaltung von Klöstern und verwiesen Mönche aus diesen.

Autonome Uigurische Region Xinjiang

Die Behörden setzten ihre Kampagne mit der Bezeichnung "Hartes Durchgreifen" fort, stuften dabei alle von ihnen als "illegale religiöse" und "separatistische Aktivitäten" bezeichneten Handlungen als Straftaten ein und gingen massiv gegen friedliche Aktionen zum Ausdruck der kulturellen Identität vor.

  • Laut Medienberichten vom Januar wurden 16 der 20 Uiguren, von denen 19 nach den Unruhen vom Juli 2009 aus China geflohen und im Dezember 2009 von Kambodscha gegen ihren Willen nach China zurückgeführt worden waren, zu Gefängnisstrafen von 16 Jahren bis lebenslänglich verurteilt.

  • Gegen neun Uiguren ergingen im Mai 2012 sechs- bis 15-jährige Haftstrafen wegen ihrer Teilnahme an angeblichen "illegalen religiösen Aktivitäten". Der elfjährige Mirzahid starb im Juni 2012 in der Haft, nachdem er wegen des Besuchs einer "illegalen religiösen Schule" in Gewahrsam genommen worden war.

  • Im Juli 2012 berichteten mehrere Dutzend Familien gegenüber ausländischen Gruppen, dass sie weiterhin nach ihren Familienangehörigen suchten, die seit den massiven Repressionen der Behörden im Anschluss an die Unruhen vom Juli 2009 verschollen sind. Die jüngste Person unter ihnen war ein Junge, der zum Zeitpunkt seines Verschwindens 16 Jahre alt war.

  • Patigul, die Mutter von Imammet Eli, gab ausländischen Medien gegenüber an, dass sie seit der Festnahme ihres damals 25-jährigen Sohnes am 14. Juli 2009 nach ihm suche. Ehemalige Mitinsassen ihres Sohns berichteten ihr zufolge, dass Imammet Eli in der Haft gefoltert und im August des Jahres 2009 in ein Krankenhaus eingeliefert worden sein soll. Seitdem habe sie kein Lebenszeichen mehr von ihrem Sohn erhalten.

Sonderverwaltungsregion Hongkong

Rechtliche und institutionelle Entwicklungen Im März wurde Leung Chun-ying nicht in direkter Wahl durch das Volk, sondern durch einen aus 1193 Mitgliedern bestehenden Wahlausschuss zum neuen Chief Executive (Regierungschef) von Hongkong gewählt. Wenige Tage vor seiner Wahl hatten 220000 Bürger der Sonderverwaltungsregion aus Protest gegen die Ernennung Leungs durch einen "kleinen Kreis" an einer Probeabstimmung teilgenommen. Nach weit verbreiteter Ansicht wurde der Ausgang der Abstimmung im Wahlausschuss durch die chinesische Zentralregierung in Peking bestimmt.

Sorgen um die Unabhängigkeit der Justiz und anderer staatlicher Stellen wurden laut, nachdem die Chief Secretary (Verwaltungschefin), die zweithöchste Regierungsvertreterin Hongkongs, verlauten ließ, das Amt des Bürgerbeauftragten und die unabhängige Kommission gegen Korruption seien eine erhebliche Hürde bei der Durchsetzung der Regierungspolitik. Die frühere Justizministerin von Hongkong kritisierte zudem im Oktober die Richter der Sonderverwaltungsregion wegen ihres mangelnden Verständnisses für die Beziehungen zwischen Peking und Hongkong.

Die Regierung beabsichtigte, ab 2012 eine moralische und nationale Erziehung in den Grundschulen einzuführen. Viele Bürger betrachteten dieses neue Schulfach als politische Propaganda. Wie es hieß, sollten nicht nur die Kenntnisse der Schüler benotet werden, sondern auch ihre emotionale Identifizierung mit dem Staat. Über 90000 Menschen versammelten sich am 29. Juli 2012 aus Protest gegen diese Schulreform. Nachdem die Regierung den Forderungen der Demonstrierenden zunächst keine Beachtung schenkte, kam es Ende August zu Protestkundgebungen vor der Regierungszentrale, und einige der Teilnehmer traten in den Hungerstreik. Der Höhepunkt der Kampagne war eine einwöchige Protestveranstaltung, an der sich dem Vernehmen nach 100000 Menschen beteiligten. Am 8. September gab die Regierung dann bekannt, dass das Unterrichtsfach bis auf weiteres nicht in den Lehrplan aufgenommen werde.

Im November 2012 stellte Cyd Ho Sau-lan, eine Vertreterin des Gesetzgebenden Rats, den unverbindlichen Antrag auf Konsultierung der Öffentlichkeit zu einem neuen Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Ihr Antrag wurde abgelehnt.

Rechte von Arbeitsmigranten In Hongkong gab es etwa 300000 als Hausangestellte tätige Arbeitsmigranten, für die das Mindestlohngesetz nicht galt. Sie mussten in der Regel den Gegenwert von drei bis sechs Monatslöhnen als Gebühren an die Rekrutierungsagentur zahlen, obwohl nach in Hongkong geltendem Recht die Agentur eine Gebühr von höchstens 10% des ersten Monatslohns des Arbeitnehmers erheben darf. Im September hat man den Mindestlohn, der separat für als Hausangestellte tätige Arbeitsmigranten festgelegt wurde, von 3740 HK-Dollar (ca. 483 US-Dollar) auf 3920 HK-Dollar (ca. 506 US-Dollar) pro Monat erhöht. Ungeachtet dessen wurde vielen von ihnen dieser Mindestlohn nicht ausgezahlt.

  • Das Berufungsgericht hob am 28. März 2012 ein früheres Urteil des erstinstanzlichen Gerichts zugunsten der Philippinin Vallejos Evangeline Baneo wieder auf. Die Frau war seit 1986 in Hongkong als Hausangestellte beschäftigt und forderte, dass Arbeitsmigranten, die diesem Beruf nachgehen, einen Antrag auf dauerhaften Aufenthalt und Bleiberecht stellen dürfen. Die Rechtssache wurde vom Berufungsgericht der letzten Instanz zugelassen, das sich voraussichtlich Anfang 2013 damit befassen wird.

Sonderverwaltungsregion Macau

Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses entschied am 29. Februar 2012, dass es 2014 keine Direktwahl des Regierungschefs von Macau geben werde. Diese Aufgabe würde weiterhin dem Wahlausschuss übertragen, der sich bei der letzten Wahl aus 300 Mitgliedern zusammensetzte, von denen nur sechs direkt gewählt worden waren. Politiker, die sich für Demokratie in Macau einsetzen, forderten die Regierung nachdrücklich auf, das bestehende Wahlsystem u.a. durch eine Erhöhung des Anteils der direkt gewählten Sitze in der gesetzgebenden Körperschaft zu reformieren. In einer im April im Internet durchgeführten Meinungsumfrage sprach sich die Mehrheit für eine Wahlreform aus.

  • Am 1. Mai 2012 ging die Polizei gegen friedliche Demonstrierende vor, darunter Dutzende von Reportern in schwarzen T-Shirts, die gegen Selbstzensur bei den wichtigsten Medien von Macau protestierten.

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