Amnesty Report 22. Mai 2013

Angola 2013

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Angola Staats- und Regierungschef:
 José Eduardo dos Santos

Auch im Berichtsjahr 2012 gingen Polizei und Sicherheitskräfte gegen friedlich Demonstrierende mit exzessiver Gewalt vor und zeichneten für willkürliche Festnahmen sowie Inhaftierungen verantwortlich. Die Versammlungsfreiheit war im ganzen Land eingeschränkt. Es wurde befürchtet, dass zwei Menschen Opfer des Verschwindenlassens geworden waren. Das Recht auf freie Meinungsäußerung war eingeschränkt, die Presse wurde zensiert. Es gingen Berichte über Zwangsräumungen ein.

Hintergrund

Im April 2012 legte Angola der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker seinen Bericht über die Menschenrechtslage im Land vor.

Beim Verfassungsgericht wurde im April eine neue politische Partei mit dem Namen Breites Bündnis für die Rettung Angolas (Convergência Ampla de Salvação de Angola – Coligação Eleitoral – CASA-CE) registriert. Das Bündnis trat zu den Parlamentswahlen am 31. August an. Es waren die zweiten Wahlen seit 1992 und die dritten seit der Erlangung der Unabhängigkeit im Jahr 1975. Im Vorfeld der Wahlen gingen Berichte über sporadische politisch motivierte Gewalttaten von Mitgliedern der regierenden Volksbewegung für die Befreiung Angolas (Movimento Popular de Libertação de Angola – MPLA) ein, die sich gegen die Nationale Union für die völlige Unabhängigkeit Angolas (União Nacional para a Independência Total de Angola – UNITA), das Bündnis CASA-CE und gegen andere politische Parteien richteten. Diesen Berichten zufolge war aber auch die UNITA für vereinzelte gewaltsame Handlungen gegen die MPLA verantwortlich, die politisch motiviert waren. Die MPLA gewann die Wahlen mit fast 72% der Stimmen. Allerdings blieben fast 40% der Bevölkerung den Urnen fern. Obwohl im Vorfeld der Wahlen zahlreiche Unregelmäßigkeiten festgestellt worden waren, beurteilten Wahlbeobachter die Wahlen als frei und fair. Die nationale Wahlbehörde wies die Einsprüche der UNITA, des Bündnisses CASA-CE und der Partei für gesellschaftliche Erneuerung (Partido Renovador Social – PRS) gegen die Wahlergebnisse als unbegründet zurück.

Am 28. Oktober 2012 zensierte dem Vernehmen nach das Unternehmen Media Investe, dem die Wochenzeitung Semanário Angolense gehört, eine Ausgabe des Blattes, weil sie eine Rede des Vorsitzenden der UNITA, Isaías Samakuva, über den Zustand der Nation enthielt, in der dieser sich kritisch über die Regierung äußerte. Zwar wurden gedruckte Exemplare der Zeitung verbrannt, eine Online-Version wurde jedoch verbreitet.

Polizei und Sicherheitskräfte

Berichten zufolge ging die Polizei u.a. gegen friedliche Demonstrierende mit exzessiver Gewalt, willkürlichen Festnahmen sowie Inhaftierungen vor. Zudem soll die Polizei bei Inhaftierten exzessive Gewalt angewendet haben, was in mindestens einem Fall zum Tod des Betroffenen führte. Auch wurden Fälle mutmaßlicher außergerichtlicher Hinrichtungen durch die Polizei bekannt; darunter der Fall von sieben jungen Männern, die im Verwaltungsbezirk Cacuaco von Luanda mit Handschellen gefesselt erschossen aufgefunden worden waren. Über den Stand der Ermittlungen im Zusammenhang mit Fällen von Menschenrechtsverletzungen, die von der Polizei in den vergangenen Jahren begangen worden sein sollen, gab es im Berichtsjahr keine weiteren öffentlich zugänglichen Informationen.

  • Am 3. Oktober 2012 wurde Manuel "Laranjinha" Francisco von Polizeibeamten festgenommen. Berichten zufolge schlugen sie ihn während der Festnahme und brachten ihn dann auf das Polizeirevier Nummer 17 der Polizeidivision von Cazenga, einem Stadtbezirk der Hauptstadt Luanda. Nach Angaben von Zeugen wurde er dort von Polizisten geschlagen. Die Polizei sagte den Angehörigen von Manuel Francisco am nächsten Tag, man habe ihn an das Polizeikommando von Cazenga überstellt. Die Familie konnte ihn dort nicht finden. Wie es hieß, erhielt sie im Lauf des Tages einen Anruf, in dem sie davon unterrichtet wurde, dass man Manuel Francisco tot im Stadtbezirk Cacuaco gefunden habe und sich der Leichnam in der Leichenhalle eines Krankenhauses in Luanda befinde. Sein Körper wies Spuren von Gewaltanwendung auf; so war ihm ein Fingernagel abgerissen worden, ein Zahn fehlte und ein Bein war gebrochen. Die Angehörigen reichten bei der Polizeidivision von Cazenga Beschwerde ein. Die Polizeibehörden nahmen jedoch zu dem Vorwurf, dass Manuel Francisco im Gewahrsam getötet worden sei, keine Stellung und machten auch keine Angaben darüber, ob die Umstände, unter denen er zu Tode gekommen war, untersucht würden. Ende 2012 lagen keine weiteren Informationen vor.

Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Auch im Jahr 2012 war die Versammlungsfreiheit in ganz Angola eingeschränkt. Vor allem in Luanda, Benguela und Cabinda kam es zu Demonstrationen gegen die Regierung. Sie hatten bereits im März 2011 begonnen und hielten 2012 an. Wie schon 2011 unterließ es die Polizei nicht nur, Gewaltakte gegen friedlich Demonstrierende zu verhindern, sondern ging Meldungen zufolge selbst mit exzessiver Gewalt, in einigen Fällen auch mit willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, gegen Demonstrierende vor. Auch bei Streiks setzte die Polizei exzessive Gewalt ein, so u.a. bei einem Streik der Gewerkschaften der Mitarbeiter im Gesundheitswesen in Cabinda (Sindicatos dos Trabalhadores de Saúde da Cabinda) sowie bei einer Demonstration von Kriegsveteranen der FAPLA, dem ehemaligen bewaffneten Arm der MPLA, in Luanda. Für die exzessive Gewaltanwendung und die willkürlichen Festnahmen während der Proteste im Jahr 2011 wurde niemand zur Verantwortung gezogen.

  • Im März 2012 verbreiteten staatliche Medien gegen regierungskritische Demonstrierende gerichtete Drohungen. Diese Drohungen wurden von einer Einzelperson geäußert, die nach eigenen Angaben Sprecher einer anonymen Gruppe war, deren Anhänger sich selbst als Verteidiger des Friedens, der Sicherheit und der Demokratie in Angola bezeichneten. Im Jahresverlauf mischten sich immer wieder Unbekannte unter friedliche Demonstrierende und griffen sie an. Es wurde vermutet, dass die Unbekannten mit der Polizei zusammenarbeiteten. Am 22. Mai wurde im Bairro Nelito Soares, einem Stadtteil von Luanda, eine Gruppe von Menschen, die eine Demonstration organisieren wollten, von Unbekannten attackiert. Im selben Monat identifizierten Organisatoren von Protesten vier Personen, die mit der Polizei in Verbindung standen und nach Angaben der Organisatoren an Angriffen auf friedliche Demonstrierende beteiligt waren. Ende des Berichtsjahres war noch niemand für die im Fernsehen ausgestrahlten Drohungen und Angriffe strafrechtlich belangt worden, obwohl die Polizei erklärt hatte, dass diese untersucht würden.

  • In Cabinda setzte die Polizei Schlagstöcke und Wasserwerfer gegen Mitglieder der Gewerkschaften der Mitarbeiter im Gesundheitswesen ein, die vor einem Provinzkrankenhaus vom 30. Januar bis zum 3. Februar 2012 als Streikposten standen. Am 3. Februar riegelte die Polizei die Zufahrtswege zum Krankenhaus für die Streikenden ab. Diese zogen am 4. Februar zu den Büros der Dachgewerkschaft. Die Polizei schlug die Streikenden und setzte einen Wasserwerfer ein, um sie zu zerstreuen. Sie begründete ihr Vorgehen damit, dass die Menge unrechtmäßig in der unmittelbaren Umgebung eines Regierungsgebäudes protestiere. 17 Frauen und fünf Männer wurden festgenommen, aber noch am selben Tag wieder auf freien Fuß gesetzt.

Das Recht auf Vereinigungsfreiheit war eingeschränkt.

  • Am 15. September 2012 begann vor dem Regionalen Militärgericht in Luanda ein Prozess gegen 15 Angehörige der Präsidentengarde, die innerhalb der Militärabteilung des angolanischen Präsidialamts der Zentralabteilung für Schutz und Sicherheit zugeordnet waren. Den Gardisten wurden "kollektive Forderungen" zur Last gelegt, weil sie am 11. September eine Eingabe unterzeichnet hatten, in der sie eine gerechtere Bezahlung forderten, das Bewerbungsverfahren für Offiziere der unteren Ränge kritisierten und eine bessere soziale Absicherung im Fall des Todes naher Angehöriger verlangten. Der Prozess wurde Ende 2012 fortgesetzt.

Recht auf freie Meinungsäußerung – Journalisten

Das Recht auf freie Meinungsäußerung war weiterhin eingeschränkt. Dies galt vor allem für die Pressefreiheit. Es gab Versuche, das Erscheinen von Zeitungen oder Artikeln zu verhindern, die als mögliche Kritik an der Regierung betrachtet wurden. In dem von Armando Chicoca und William Tonet betriebenen Rechtsmittelverfahren gab es keine neuen Entwicklungen. Beide waren 2011 wegen Verleumdung verurteilt worden.

  • Am 12. März 2012 drangen ungefähr 15 Beamte der Behörde für strafrechtliche Ermittlungen (Direcção Nacional de Investigação Criminal – DNIC) in die Büros der Zeitung Folha-8 ein und beschlagnahmten 20 Computer. Die Beschlagnahmung stand in Zusammenhang mit der Veröffentlichung einer satirischen Fotomontage des Staatspräsidenten, seines Stellvertreters und des Leiters der Militärabteilung des Präsidialamts. Im Juni verhörte die DNIC sieben Mitarbeiter der Zeitung.

Verschwindenlassen

Im Berichtsjahr gingen Meldungen ein, nach denen mindestens zwei Menschen Opfer des Verschwindenlassens geworden sein könnten.

  • António Alves Kamulingue verschwand am 27. Mai 2012, Isaías Sebastião Cassule am 29. Mai. Sie waren an der Organisation einer für den 27. Mai geplanten Demonstration beteiligt, bei der Kriegsveteranen und ehemalige Präsidialgardisten die Zahlung ausstehender Pensionen und Gehälter forderten.

Recht auf Wohnen – Zwangsräumungen

Obwohl die Regierung versicherte, sie wolle mehr Wohnraum bereitstellen, kam es nach wie vor zu Zwangsräumungen, allerdings nicht mehr im gleichen Ausmaß wie in den vergangenen Jahren. Dennoch drohte auch 2012 Tausenden die Vertreibung aus ihren Wohnungen. Tausende Familien, die gewaltsam aus ihren Wohnungen vertrieben worden waren, warteten noch immer auf Entschädigung. Im Juni 2011 hatte die Regierung versprochen, dass in Luanda mehr als 450 Familien, deren Wohnungen im Zeitraum 2004–06 abgerissen worden waren, bis April 2012 eine neue Bleibe erhalten würden. Bis Jahresende hatte jedoch nicht eine einzige Familie eine neue Wohnung bekommen. Im September gab das Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (UN-Habitat) bekannt, dass es die Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens mit Angola vorbereite, in dessen Rahmen ab 2013 technische Berater für Wohnungsbaumaßnahmen in Luanda eingesetzt werden sollen.

Gewaltlose politische Gefangene und mögliche gewaltlose politische Gefangene

Zwei Mitglieder der politischen Gruppierung Comissão do Manifesto Jurídico Sociológico do Protectorado da Lunda Tchokwe, die sich für die Autonomie des ehemaligen Königreichs Tchokwe einsetzt, wurden am 17. Januar 2012 aus dem Gefängnis entlassen. Die beiden Freigelassenen, Mário Muamuene und Domingos Capenda, hatten ihre Haftstrafe zwar bereits am 9. Oktober 2011 verbüßt, waren jedoch im Gefängnis von Kakanda inhaftiert geblieben.

Obwohl die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen im November 2011 die Freilassung der Mitglieder der Gruppierung gefordert hatte, die im Zeitraum 2009–11 ins Gefängnis gesteckt worden waren, wurden fünf Mitglieder der Gruppierung – Sérgio Augusto, Sebastião Lumani, José Muteba, António Malendeca und Domingos Henrique Samujaia – nicht auf freien Fuß gesetzt. Im Berichtsjahr gingen erneut Meldungen über Festnahmen von Mitgliedern der Gruppierung ein.

  • Am 12. Februar 2012 wurden Eugénio Mateus Sangoma Lopes und Alberto Mulozeno festgenommen und formell wegen Verbrechen gegen die Staatssicherheit angeklagt. Wie es hieß, soll die Polizei in Lucapa die beiden Männer in ihren Wohnungen aufgesucht und sie angewiesen haben, auf das Polizeirevier zu kommen, weil man mit ihnen über die Gruppierung reden wolle. Laut den Gerichtsunterlagen wurden sie im Juni wegen Rebellion zu 18 Monaten Haft verurteilt.

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