Amnesty Report Kolumbien 09. Mai 2012

Kolumbien 2012

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Kolumbien Staats- und Regierungschef: Juan Manuel Santos Calderón Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 46,9 Mio. Lebenserwartung: 73,7 Jahre Kindersterblichkeit: 18,9 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 93,2%

Die Regierung bekannte sich weiterhin zu ihrer Zusage, die Menschenrechte einzuhalten. Ungeachtet dessen ließen sich nur wenige konkrete Verbesserungen hinsichtlich der Gesamtsituation der Menschenrechte feststellen. Zivilpersonen – vor allem Angehörige indigener Völker, Afro-Kolumbianer, Angehörige von Kleinbauern-Gemeinschaften sowie Menschenrechtsverteidiger, Gemeindesprecher und Gewerkschafter – waren die Hauptleidtragenden der durch den lang andauernden internen bewaffneten Konflikt entstandenen Menschenrechtssituation.

Das von Präsident Juan Manuel Santos Calderón im Juni 2011 unterzeichnete Gesetz über Entschädigungen für Opfer und über Landrückgabe war ein bedeutender Schritt hin zur Anerkennung der Rechte zahlreicher Opfer des Konflikts. Es führte zur Rückgabe eines Teils des Millionen Hektar umfassenden, rechtswidrig und häufig unter Gewaltanwendung angeeigneten Landes an die rechtmäßigen Eigentümer. Immer wieder wurden jedoch Personen, die sich für Landrückgaben engagierten, bedroht oder sogar getötet. Hierdurch wurde die Umsetzung des Gesetzes unterlaufen.

Die Regierung ging Verpflichtungen ein, um die Straflosigkeit bei Menschenrechtsverstößen zu beenden, und es gab Fortschritte in öffentlichkeitswirksamen Fällen. In den meisten Fällen gelang es den Behörden jedoch nicht, dafür zu sorgen, dass die Verantwortlichen für Menschenrechtsverstöße, darunter vor allem Sexualstraftaten gegen Frauen und Kinder, zur Rechenschaft gezogen wurden. Es bestanden Befürchtungen, dass Pläne der Regierung, der Militärgerichtsbarkeit einen größeren Aktionsradius einzuräumen, den geringen Fortschritt beim Kampf gegen die Straflosigkeit zunichtemachen könnten.

Im Zuge der lokalen und regionalen Wahlen im Oktober 2011 wurden über 40 Kandidaten getötet, wesentlich mehr als während der Wahlen im Jahr 2007. Etliche Kandidaten wurden u.a. zu Gouverneuren von Departamentos gewählt, obwohl man ihnen vorwarf, enge Verbindungen zu Politikern zu unterhalten, gegen die wegen illegaler Verbindungen zu Paramilitärs strafrechtlich ermittelt wird oder die deswegen verurteilt wurden.

Interner bewaffneter Konflikt

Guerillagruppen, Paramilitärs und die Sicherheitskräfte waren nach wie vor verantwortlich für Verbrechen gegen das Völkerrecht, darunter rechtswidrige Tötungen, Entführungen oder Verschwindenlassen und Vertreibungen. Einem besonderen Risiko ausgesetzt waren vor allem in ländlichen Regionen lebende Menschen, und zwar insbesondere Angehörige indigener Völker und Gemeinschaften von Afro-Kolumbianern und Kleinbauern, aber auch die arme Bevölkerung in städtischen Gebieten sowie Menschenrechtsverteidiger und Gewerkschafter.

Nach Angaben der Nationalen Organisation der indigenen Bevölkerung von Kolumbien (Organización Nacional Indígena de Colombia – ONIC) wurden 111 Angehörige indigener Bevölkerungsgruppen bis November 2011 ermordet.

  • Im Juni töteten Paramilitärs fünf führende Angehörige der indigenen Gemeinschaft der Zenú in der Gemeinde Zaragoza im Departamento Antioquia.

  • Am 26. Februar 2011 wurde in Bagadó, Departamento Chocó, der Leichnam des indigenen Sprechers der Jugendorganisation der Katío, Crisanto Tequia Queragama, aufgefunden. Indigene Sprecher machten die Guerillagruppe der Revolutionären Streitkräfte von Kolumbien (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – FARC) für seine Ermordung verantwortlich. Rund 308000 Menschen wurden im Jahr 2011 gewaltsam vertrieben; 2010 waren es 280000.

  • Im Oktober flohen etwa 400 Indigene nach Kämpfen zwischen den Sicherheitskräften und der FARC aus ihren Häusern im Verwaltungsbezirk Pradera im Departamento Valle del Cauca.

  • Im März wurden im Zuge von Kampfhandlungen zwischen Sicherheitskräften und der FARC mehr als 800 Afro-Kolumbianer aus dem ländlichen Buenaventura, Valle del Cauca, vertrieben.

  • Im Januar sahen sich etwa 5000 Menschen, darunter ca. 2300 Kinder, infolge von Drohungen durch die FARC gezwungen, aus ihren Häusern im Verwaltungsbezirk Anorí, Departamento Antioquia, zu fliehen. Am 2. November erließ die Regierung das Dekret Nr. 4100, mit dem das Nationale System der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts (Sistema Nacional de Derechos Humanos y Derecho Internacional Humanitario) etabliert wurde. Die Regierung zeigte sich überzeugt, dass dieses System zu einer Verbesserung der Koordinierung und Durchsetzung der Menschenrechtspolitik im Land führen werde.

Gesetz über Entschädigungen für Opfer und über Landrückgabe

Das Gesetz über Entschädigungen für Opfer und über Landrückgabe erkennt die Existenz eines bewaffneten Konflikts und die Rechte der Opfer an. Es sieht Wiedergutmachungsleistungen für einige Überlebende von Menschenrechtsverstößen vor, einschließlich solcher Verstöße, die von im staatlichen Auftrag handelnden Akteuren begangen wurden. Es wurde aber befürchtet, dass viele Opfer von einem Entschädigungsanspruch ausgenommen sein werden und beträchtliche Teile des weggenommenen Landes nach wie vor nicht an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden. Zudem stand zu befürchten, dass einige Rückkehrer gezwungen werden könnten, die Kontrolle über ihr Land an diejenigen abzugeben, die sie zuvor vertrieben hatten.

Sprecher vertriebener Gemeinschaften und Menschen, die sich für die Rückgabe von rechtswidrig angeeignetem Land einsetzten, sahen sich weiterhin bedroht, und einige wurden sogar getötet.

  • Am 30. Juni 2011 ermordeten Unbekannte in San Onofre, Departamento Sucre, Antonio Mendoza Morales, den Sprecher der Organisation der Vertriebenen von San Onofre und Montes de María (Asociación de Desplazados de San Onofre y Los Montes de María).

Sicherheitskräfte

In der ersten Jahreshälfte 2011 gab es Meldungen über mindestens 17 außergerichtliche Hinrichtungen durch Angehörige der Sicherheitskräfte, deren Opfer fälschlich als "im Kampf getötete Guerilleros" deklariert wurden. Dies bedeutete zwar eine Zunahme solcher Fälle gegenüber 2010, dennoch blieben die Zahlen damit deutlich unter denen des Jahres 2008, in dem 200 derartige Tötungen gemeldet worden waren.

  • Im Juli verurteilte ein Richter acht Angehörige der Armee wegen der im Jahr 2008 begangenen Tötung von zwei jungen Männern in der Gemeinde Cimitarra, Departamento Santander, zu Gefängnisstrafen zwischen 28 und 55 Jahren. Dies war die erste Verurteilung von Soldaten, die an der Tötung von insgesamt mehr als einem Dutzend junger Männer aus dem nahe Bogotá liegenden Soacha beteiligt gewesen waren. Die Armee hatte die Männer wahrheitswidrig als "Guerilleros, die im Kampf getötet wurden" präsentiert. Die meisten der mehreren Tausend außergerichtlichen Hinrichtungen, die im Verlauf des Konflikts begangen wurden, blieben ungeklärt, darunter auch die Fälle, die von der Generalstaatsanwaltschaft untersucht worden sind. Ende 2011 lagen dem Kongress Vorschläge für Maßnahmen vor, die zu einer Ausdehnung der Rolle des Militärjustizsystems bei Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen führen würden, an denen die Sicherheitskräfte beteiligt waren. Das Militärjustizsystem schloss solche Ermittlungen regelmäßig ab, ohne einen ernsthaften Versuch unternommen zu haben, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Sollten die Maßnahmen gebilligt werden, widersprächen sie internationalen Menschenrechtsstandards. Diese behalten Ermittlungen in Fällen von Menschenrechtsverletzungen Gerichten der zivilen Justiz vor. Der Kongress debattierte außerdem über Maßnahmen, die de facto Amnestien gleichkamen und von denen die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen sowie Angehörige der Sicherheitskräfte profitieren würden.

Guerrillagruppen

Die FARC und die kleinere Guerrillagruppe Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional – ELN) begingen 2011 schwere Menschenrechtsverstöße und Verletzungen des humanitären Völkerrechts, darunter rechtswidrige Tötungen, Geiselnahmen, Verschwindenlassen und die Rekrutierung von Kindern.

  • Am 22. Mai 2011 sollen Guerilleros der FARC im Ort Medio Atrato, Departamento Chocó, ein Boot überfallen und dabei drei Zivilpersonen getötet und zwei weitere verletzt haben.

  • Am 19. März töteten ELN-Mitglieder in der Ortschaft Tame, Departamento Arauca, einen jungen Indigenen, nachdem sich Bewohner des indigenen Reservats (resguardo), in dem er lebte, geweigert hatten, seine Rekrutierung in die Guerillagruppierung zuzulassen.

  • Am 9. Juli zündeten Guerilleros der FARC im Stadtzentrum von Toribío, Departamento Cauca, in dem hauptsächlich Indigene wohnen, eine Autobombe. Durch die Explosion und die Kampfhandlungen zwischen der FARC und den Sicherheitskräften kamen mindestens drei Zivilpersonen und ein Polizist zu Tode, und 120 Zivilpersonen und zwei Polizisten wurden verletzt. Nach Angaben der Regierung kamen in den ersten zehn Monaten des Jahres 2011 insgesamt 49 Angehörige der Sicherheitskräfte und 20 Zivilpersonen durch Antipersonenminen zu Tode, die vor allem von der FARC eingesetzt wurden. Hunderte erlitten Verletzungen. Laut offizieller Statistik gab es 2011 insgesamt 305 Entführungen; 2010 waren es 282 gewesen. Die meisten wurden kriminellen Banden zugeschrieben. Für die große Mehrheit der im Zusammenhang mit dem Konflikt erfolgten Entführungen waren jedoch Guerillagruppen verantwortlich.

  • Am 26. November sollen Mitglieder der FARC vier Angehörige der Sicherheitskräfte ermordet haben, die sie seit mindestens zwölf Jahren gefangen gehalten hatten.

  • Am 4. November wurde der Kommandeur der FARC, Guillermo León Sáenz Vargas alias "Alfonso Cano", während einer Militäroperation von Sicherheitskräften getötet.

Paramilitärs

Trotz ihrer angeblichen Demobilisierung dehnten paramilitärische Gruppen, die von der Regierung als "kriminelle Banden" (Bandas Criminales – BACRIM) bezeichnet wurden, ihre territoriale Präsenz und ihren Einfluss aus. Im Februar bestätigte der Minister für Inneres und Justiz, Germán Vargas Lleras, dass BACRIM in vielen Teilen des Landes die territoriale Kontrolle ausübten, und zwar in städtischen Zonen ebenso wie in ländlichen Gebieten. Laut Meldungen operierte eine steigende Anzahl Paramilitärs in Gebieten, in denen auch die Sicherheitskräfte mit zahlreichen Einheiten präsent waren.

Paramilitärs begingen nach wie vor, teilweise in Absprache oder mit stillschweigender Billigung der Sicherheitskräfte, schwere Menschenrechtsverstöße, darunter Morde und Verschwindenlassen sowie "soziale Säuberungsaktionen" in von Armen bewohnten Stadtgebieten. Ihre Opfer waren hauptsächlich Gewerkschafter, Menschenrechtsverteidiger und Gemeindesprecher sowie Angehörige oder Repräsentanten von Gemeinschaften der indigenen Bevölkerung, von Afro-Kolumbianern oder Kleinbauern.

  • Am 12. September 2011 erschienen mindestens 30 bewaffnete und uniformierte Angehörige der paramilitärischen Gruppierung Los Rastrojos in der zur Gemeinde Cumbitara gehörenden Ortschaft Pesquería, Departamento Nariño. Sie bedrohten die Bewohner der Gemeinde, zerstörten ihr Eigentum und beschuldigten sie, mit der Guerilla zu kollaborieren. Die Paramilitärs sollen vor den Augen der gesamten Gemeinde zwei Zivilpersonen bei lebendigem Leibe verstümmelt haben. Sie entführten zudem 13 Personen, von denen mindestens zwei getötet wurden.

Prozess für Gerechtigkeit und Frieden

Der Prozess für Gerechtigkeit und Frieden machte kaum Fortschritte. Durch diesen im Jahr 2005 begonnenen Prozess können sich etwa 10% der mehr als 30000 vorgeblich demobilisierten Paramilitärs für reduzierte Haftstrafen qualifizieren, wenn sie im Gegenzug Menschenrechtsverletzungen gestehen. Die restlichen 90% erhielten de facto Amnestie. Bis Ende des Jahres 2011 waren jedoch erst zehn Paramilitärs im Rahmen des Prozesses für Gerechtigkeit und Frieden verurteilt worden. Die meisten hatten Rechtsmittel gegen ihre Urteile eingelegt, die Entscheidungen darüber standen zum Jahresende noch aus.

Im Februar befand das Verfassungsgericht das Gesetz 1424 für verfassungsgemäß. Dieses Gesetz räumt Zehntausenden von vorgeblich demobilisierten einfachen Paramilitärs De-facto-Amnestien ein, wenn sie eine sogenannte Vereinbarung über einen Beitrag zur historischen Wahrheit und Wiedergutmachung (Acuerdo de Contribución a la Verdad Histórica y la Reparación) unterschreiben.

Ziviler Geheimdienst

Am 31. Oktober 2011 löste die Regierung den zivilen Geheimdienst (Departamento Administrativo de Seguridad – DAS) auf. Der dem Präsidenten unmittelbar unterstellte Geheimdienst war in einen Skandal um illegale "schmutzige Tricks" verwickelt, wozu Drohungen, Morde, illegale Observation und Telefonüberwachung gehörten.

Zielpersonen waren Menschenrechtsverteidiger, Politiker, Richter und Journalisten. Diese Praktiken wurden vor allem während der Regierungszeit von Präsident Álvaro Uribe Vélez (2002–10) angewandt. Der zivile Geheimdienst DAS wurde durch die Nationale Agentur für Nachrichtendienste (Dirección Nacional de Inteligencia) ersetzt.

Gegen mehrere hochrangige DAS-Mitarbeiter wurde wegen ihrer Beteiligung an dem Skandal noch ermittelt; andere waren schon verurteilt worden. Die ehemalige DAS-Direktorin María del Pilar Hurtado entzog sich jedoch weiterhin der Justiz; ihr wurde 2010 in Panama Asyl gewährt.

  • Am 14. September 2011 wurde der ehemalige DAS-Direktor Jorge Noguera wegen der Tötung des Wissenschaftlers Alfredo Correa de Andréis und wegen Verbindungen zu paramilitärischen Gruppen zu 25 Jahren Haft verurteilt.

  • Im November forderte der Generalstaatsanwalt (Procurador General) den Kongressausschuss auf, die Rolle des ehemaligen Präsidenten Uribe in dem Skandal zu untersuchen und zu prüfen, ob er illegale Telefonüberwachungen durch den Geheimdienst DAS angeordnet hatte.

Menschenrechtsverteidiger

Die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern war nach wie vor durch Morde, Bedrohungen, gerichtliche Verfolgung und den Diebstahl sensibler Daten über Fälle von Menschenrechtsverletzungen beeinträchtigt.

  • Am 23. August 2011 erhielten Walter Agredo Muñoz, Mitglied des Solidaritätskomitees für politische Gefangene (Comité de Solidaridad con los Presos Políticos – CSPP), Sektion Valle del Cauca, und Martha Giraldo, Mitglied der Nationalen Bewegung für Opfer von staatlichen Verbrechen (Movimiento Nacional de Víctimas de Crímenes de Estado – MOVICE), eine Morddrohung mittels Textnachricht, in der sie beschuldigt wurden, Kommunisten und Mitglieder der FARC zu sein. Die Nachricht enthielt auch die Namen mehrerer Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften sowie afro-kolumbianischer und indigener Organisationen. Mehr als 45 Menschenrechtsverteidiger und Führungspersönlichkeiten verschiedener Gemeinschaften, unter ihnen auch viele Menschen, die aktiv für Landrechte eintraten, sowie 29 Gewerkschafter wurden im Berichtsjahr getötet.

  • Am 23. März 2011 wurden die Menschenrechtsverteidiger Orlando Enrique Verbel Rocha und Eder Verbel Rocha sowie dessen Sohn von zwei Paramilitärs beschossen und geschlagen, als sie sich in San Onofre im Departamento Sucre auf dem Heimweg befanden. Eder Verbel Rocha kam dabei zu Tode.

  • Am 17. März wurde Gabriela, Mitglied der Transgender-Stiftung des Südens (Fundación de Género Trans del Sur) in Pasto im Departamento Nariño von bewaffneten Männern getötet. Der Mord geschah, nachdem kurz zuvor in Pasto Flyer unter die Menschen gebracht worden waren, die zur "sozialen Säuberung" u.a. bei den Mitgliedern der Gemeinschaft der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender aufriefen. Als Reaktion auf die Serie von Morden an Menschenrechtsverteidigern forderte das Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in Kolumbien die Regierung im März 2011 auf, ihre Programme zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit fundamental zu überarbeiten. Am 31. Oktober erließ die Regierung das Dekret Nr. 4065, das alle vom Innenministerium durchgeführten Schutzprogramme zusammenfasst und unter die Aufsicht einer einzigen Behörde stellt, der neu eingerichteten Nationalen Schutzeinheit (Unidad Nacional de Protección).

Straflosigkeit

In einer begrenzten Anzahl wichtiger Menschenrechtsfälle waren Fortschritte zu verzeichnen.

  • Am 28. April verurteilte ein Richter General a.D. Jesús Armando Arias Cabrales zu einer Haftstrafe von 35 Jahren wegen seiner Rolle beim Verschwindenlassen von elf Menschen im November 1985. Die Tat ereignete sich, nachdem die Armee den Justizpalast gestürmt hatte, in dem Mitglieder der Guerillagruppe M-19 Geiseln festhielten. Die Regierung und die Militärführung kritisierten in Stellungnahmen seine Verurteilung wie auch die von Oberst a.D. Luis Alfonso Plazas Vega, der im selben Verfahren im Jahr 2010 zu einer Freiheitsstrafe von 30 Jahren verurteilt worden war. General a.D. Iván Ramírez Quintero, der in einem der Fälle von Verschwindenlassen angeklagt war, wurde im Dezember freigesprochen. Weiterhin gingen die für Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen in den meisten Fällen straffrei aus. Diese Situation wurde noch durch Drohungen gegenüber Zeugen, Anwälten, Strafverfolgern und Richtern sowie sogar durch Morde verschärft.

  • Am 22. März 2011 wurde in Saravena, Departamento Arauca, ein Richter erschossen. Er hatte den Vorsitz in einem Fall geführt, in dem ein Armeeangehöriger beschuldigt wurde, ein Mädchen vergewaltigt, ein weiteres vergewaltigt und getötet sowie auch die beiden Brüder dieses Mädchens ermordet zu haben. Sowohl die Nichtregierungsorganisation, die die Familienangehörigen der Opfer unterstützte, als auch die Familie der drei Geschwister erhielten kurz nach den Tötungen telefonische Morddrohungen.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Frauenrechtler und Sprecher von Gemeinschaften, insbesondere diejenigen, die sich für Landrechte einsetzten, wurden bedroht und sogar getötet.

  • Am 7. Juni 2011 wurde Ana Fabricia Córdoba, eine afro-kolumbianische Sprecherin, die sich für vertriebene Gemeinschaften einsetzte, in Medellín im Departamento Antioquia ermordet.

  • Am 5. Mai kreisten elf Paramilitärs die beiden Frauen Sixta Tulia Pérez und Blanca Rebolledo ein, Sprecherinnen der afro-kolumbianischen Gemeinschaft in Caracolí, Departamento Chocó. Die Paramilitärs versuchten den Frauen die Kleider vom Leib zu reißen und griffen nach einem Kind, das sie bei sich hatten. Einer der Paramilitärs schlug mit einer Peitsche auf Sixta Tulia Pérez ein. Später am Tag bedrohten diese Paramilitärs die Frauen im Beisein von Soldaten, die den Frauen jedoch nicht zu Hilfe kamen. Frauenrechtsorganisationen, besonders diejenigen, die sich für vertriebene Frauen und Überlebende sexueller Gewalt einsetzen, wurden ebenfalls bedroht.

  • Am 19. Juni erhielten mehrere NGOs, darunter viele Frauenorganisationen, per E-Mail Morddrohungen vom paramilitärischen Zentralen Block der Schwarzen Adler (Bloque Central de las Águilas Negras). Die E-Mail lautete: "Todesstrafe für die Guerilla-Huren der FARC, die der Politik unserer Regierung zuwiderhandeln". Die Regierung sagte zu, die sexuelle Gewalt an Frauen und Mädchen bekämpfen zu wollen; dennoch kam es nach wie vor zu weitverbreiteter und systematischer sexueller Gewalt. Die Regierung kam den Entscheidungen des Verfassungsgerichts zu diesem Sachverhalt, insbesondere dem Gerichtsentscheid Nr. 092 aus dem Jahr 2008, nur in ungenügender Weise nach. Die Straflosigkeit war bei derartigen Verbrechen beträchtlich höher als bei anderen Arten von Menschenrechtsverstößen. Im Dezember wurde jedoch ein Paramilitär mehrerer Fälle von sexueller Gewalt für schuldig befunden, die er im Zusammenhang mit dem Konflikt verübt hatte. Es war die erste Verurteilung für eine derartige Straftat im Rahmen des Prozesses für Gerechtigkeit und Frieden.

US-amerikanische Hilfe

Die USA reduzierten ihre Hilfe für Kolumbien noch weiter. Im Berichtsjahr stellten die USA Kolumbien etwa 562 Mio. US-Dollar für militärische und nicht militärische Zwecke zur Verfügung. Darin enthalten waren 345 Mio. US-Dollar für die Sicherheitskräfte, wovon 50 Mio. US-Dollar für die Streitkräfte bestimmt waren. Die Bereitstellung von 30% dieses Betrags war davon abhängig gemacht worden, dass die kolumbianischen Behörden bestimmte Anforderungen an die Einhaltung der Menschenrechte erfüllten.

Nachdem die US-Behörden zu dem Schluss gekommen waren, dass die kolumbianische Regierung beträchtliche Fortschritte bei der Verbesserung der Menschenrechtssituation gemacht hatte, wurden im September 2011 Hilfsgelder in Höhe von etwa 20 Mio. US-Dollar freigegeben, die bereits 2010 bereitgestellt worden waren.

Im Oktober 2011 ratifizierte die US-Regierung das Freihandelsabkommen (FTA) zwischen den USA und Kolumbien gegen den Widerstand von Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften. Diese Organisationen äußerten sich besorgt über die Sicherheit von Gewerkschaftsführern und aktiv für Arbeitnehmerrechte eintretenden Personen in Kolumbien und verwiesen auf die Auswirkungen, die das Freihandelsabkommen auf Kleinbauern, indigene Bevölkerungsgruppen und afro-kolumbianische Gemeinschaften haben könnte.

Internationale Überprüfung

Der im Februar 2011 vom UN-Hochkommissariat für Menschenrechte über Kolumbien veröffentlichte Bericht äußerte sich anerkennend über "das Engagement der Regierung Santos zur Einhaltung der Menschenrechte". Der Bericht wies jedoch auch darauf hin, dass alle am Konflikt beteiligten Parteien weiterhin das humanitäre Völkerrecht verletzten. Besondere Besorgnis wurde "über die fortgesetzten Tötungen, Drohungen, Überfälle, rechtswidrige Informationsbeschaffung, illegale Observationen und Einschüchterungen, denen Menschenrechtsverteidiger und ihre Organisation ausgesetzt sind" geäußert.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Delegierte von Amnesty International besuchten Kolumbien in den Monaten Februar, März, September und November.

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