Amnesty Report Honduras 09. Mai 2011

Honduras 2011

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Honduras Staats- und Regierungschef: Porfirio Lobo Sosa Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 7,6 Mio. Lebenserwartung: 72,6 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 44/35 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 83,6%

Das Recht auf freie Meinungsäußerung war Angriffen ausgesetzt. Die Schäden, die der Menschenrechtsschutz und die Rechtsstaatlichkeit infolge des Staatsstreichs 2009 erlitten hatten, waren kaum behoben. Es herrschte 2010 weiterhin Straflosigkeit für die vom Militär und von Polizeibeamten begangenen Menschenrechtsverletzungen. Menschenrechtsverteidiger waren Einschüchterungen ausgesetzt.

Hintergrund

Im Januar trat Porfirio Lobo Sosa von der Nationalen Partei (Partido Nacional) das Präsidentenamt an. Die neue Regierung geriet in Kritik, weil die Menschenrechtsverletzungen, die während der De-facto-Regierung von Roberto Micheletti Bain (Juni 2009 bis Januar 2010) begangen worden waren, ungesühnt blieben. Gegen Polizeibeamte und Angehörige des Militärs, die während dieses Zeitraums Hunderte von Protestierenden sowie unbeteiligte Passanten willkürlich festgenommen und misshandelt hatten, wurde kaum ermittelt.

Im Laufe des Jahres wurden mehrfach Truppen in die Region Aguán entsandt. Dort war es im Zuge von Landkonflikten zwischen Hunderten von Kleinbauern auf der einen sowie Unternehmen und privaten Farmern auf der anderen Seite zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Es wurde befürchtet, dass das Militär dabei übermäßige Gewalt anwandte.

  • Im Mai 2010 bei wurden vier Richter – Tirza del Carmen Flores Lanza, Ramón Enrique Barrios, Luis Alonso Chévez de la Rocha und Guillermo López Lone – sowie der Ombudsmann Osmán Fajardo Morel willkürlich ihrer Ämter enthoben, weil sie sich 2009 an friedlichen Demonstrationen gegen den Staatsstreich beteiligt hatten. Bis zum Jahresende waren sie noch nicht wieder in ihre Ämter eingesetzt worden. Richter und Justizbeamte, die an Demonstrationen zur Unterstützung des Staatsstreichs teilgenommen hatten, behielten hingegen ihre Posten.

Im November 2010 wurde die Menschenrechtslage in Honduras im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat begutachtet. Die honduranischen Behörden sprachen dabei eine offene Einladung an die UN und interamerikanische Menschenrechtsexperten aus, das Land zu besuchen.

Zum Jahresende war Honduras noch nicht wieder in die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) aufgenommen worden, aus der das Land nach dem Staatsstreich im Juni 2009 ausgeschlossen worden war.

Internationale Strafgerichtsbarkeit

Im November 2010 kündigte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs an, er werde in Bezug auf Berichte über weit verbreitete und systematische Menschenrechtsverletzungen während der Herrschaft der De-facto-Regierung Vorermittlungen einleiten.

Menschenrechtsverteidiger

Vertreter von Menschenrechtsorganisationen wurden 2010 aufgrund ihrer Arbeit bedroht und schikaniert.

  • Im Oktober wurde eine Rechtsanwältin der Vereinigung für eine gerechtere Gesellschaft (Asociación para una Sociedad más Justa – ASJ) von zwei unbekannten Männern gezwungen, in ein Taxi einzusteigen. Einer der Männer war bewaffnet und fragte sie über ihre Tätigkeit bei der ASJ aus. Als sie die Antwort verweigerte, sagte der eine Mann zu dem anderen: "Du weißt doch, dass wir dafür bezahlt wurden, sie umzubringen ... Wir müssen den Plan ausführen." Eine halbe Stunde später befahlen sie ihr, aus dem Wagen zu steigen, und ließen sie auf der Straße zurück. Ende 2010 war die polizeiliche Untersuchung des Vorfalls noch nicht abgeschlossen.

Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit

  • Mindestens zehn Journalisten wurden zwischen Januar und Dezember 2010 in Honduras ermordet. Im März wurden Joseph Hernández, David Meza Montesinos, Nahúm Palacios, José Bayardo Mairena und Manuel Juárez getötet. Zwischen April und August wurden Jorge Alberto (Georgino) Orellana, Luis Antonio Chévez, Luis Arturo Mondragón und Israel Zelaya Díaz umgebracht. Und im Dezember war Henry Suazo Santos der zehnte honduranische Journalist, der 2010 eines gewaltsamen Todes starb. Bis zum Jahresende war niemand für diese Verbrechen zur Verantwortung gezogen worden. Auch gab es kein ausreichend finanziertes und wirksames Programm zum Schutz gefährdeter Journalisten.
  • Im März 2010 wurde der 34-jährige Journalist Nahúm Palacios Arteaga ermordet, als er durch das Stadtviertel Los Pinos in Tocoa, einer Stadt im Departamento Colón, nach Hause fuhr. Nahúm Palacios Arteaga war Reporter, Nachrichtenchef des Fernsehsenders Canal 5 in Aguán und Moderator einer Nachrichtensendung von Radio Tocoa. Zwei unbekannte Männer fuhren seitlich an seinen Wagen heran und schossen mit automatischen Waffen des Typs AK47 rund 30 Mal auf ihn. Zwei Beifahrer, die mit ihm im Auto saßen, wurden verletzt. Nahúm Palacios zählte zu den prominentesten öffentlichen Kritikern des Staatsstreichs. Im Juli 2009 hatte die Interamerikanische Menschenrechtskommission ihm ein Recht auf Schutzmaßnahmen zugesprochen und den honduranischen Staat ersucht, unverzüglich Maßnahmen zu seinem Schutz zu ergreifen. Der Journalist erhielt jedoch zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Schutzmaßnahmen.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Nach Angaben der Ombudsstelle wurden zwischen Januar und Oktober 2010 insgesamt 282 Frauen ermordet. Frauenrechtsorganisationen stellten die Zahl infrage und erklärten, die tatsächliche Anzahl der getöteten Frauen liege höher.

Eine von der De-facto-Regierung erlassene Verfügung, die den Gebrauch von Notfallverhütung ("Pille danach") unter Strafe stellte, blieb weiterhin in Kraft. Und dies, obwohl das Verbot negative Konsequenzen für Frauen und Mädchen hatte, deren Verhütungsmethoden versagt hatten oder denen eine Schwangerschaft drohte, weil sie Opfer sexueller Gewalt geworden waren.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen

Homo- und Bisexuelle sowie Transgender-Personen äußerten sich im Oktober gegenüber der Interamerikanischen Menschenrechtskommission besorgt darüber, dass sie weiterhin bedroht und angegriffen wurden. Die Angriffe wurden nur selten gründlich untersucht. Auch die Tatsache, dass diejenigen, die es wagten, diese Verbrechen anzuzeigen, nicht ausreichend geschützt wurden, gab Anlass zur Sorge.

  • Nohelia Flores Álvarez, eine Transgender-Frau, erstattete Anzeige gegen einen Polizisten, der sie im Dezember 2008 mit einer Stichwaffe 17 Mal verletzt hatte, nachdem sie seine Forderung nach sexuellen Dienstleistungen zurückgewiesen hatte. Während der Ermittlungen und dem Prozess wurden Nohelia Flores Álvarez, Zeugen, Ermittler, Ankläger und Unterstützer wiederholt schikaniert und bedroht. Ihren Höhepunkt erreichten die Übergriffe im August, als ein Freund von ihr, mit dem sie zu Fuß unterwegs war, getötet wurde. Der Angriff galt eigentlich Nohelia Flores Álvarez. Im September wurde der Polizeibeamte der Messerattacke für schuldig befunden und zu mindestens zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Wegen des Mordes an ihrem Freund sowie den Einschüchterungen und Drohungen gegenüber Personen, die mit Nohelia Flores Álvarez in Verbindung standen, war bis Ende 2010 jedoch noch niemand zur Verantwortung gezogen worden.

Amnesty International: Berichte

Recommendations to the new Honduran government following the coup of June 2009 (AMR 37/003/2010)

Honduras: Submission to the UN Universal Periodic Review, November 2010 (AMR 37/005/2010)

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