Amnesty Report Malaysia 19. Mai 2010

Malaysia 2010

 

Amtliche Bezeichnung: Persekutuan Tanah Malaysia Staatsoberhaupt: König Tuanku Mizan Zainal Abidin ibni al-Marhum Regierungschef: Najib Tun Razak (löste im April Abdullah Ahmad Badawi im Amt ab) Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 27,5 Mio. Lebenserwartung: 74,1 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 12/10 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 91,9%

Das Recht auf freie Meinungsäußerung war eingeschränkt. So wurden Internetblogger strafrechtlich verfolgt und friedliche Demonstranten häufig festgenommen. Mindestens zwei Menschen starben im Polizeigewahrsam. Arbeitsmigranten, Flüchtlinge und Asylsuchende waren Festnahmen, Inhaftierungen und Misshandlungen in Internierungslagern ausgesetzt. Die vom UN-Menschenrechtsrat im Rahmen der universellen regelmäßigen Überprüfung ausgesprochenen Empfehlungen, das Recht auf friedliche Versammlung zu garantieren und die UN-Flüchtlingskonvention sowie das UN-Übereinkommen über die Rechte von Arbeitsmigranten zu ratifizieren, lehnte Malaysia ab.

Hintergrund

Im April 2009 trat Najib Tun Razak sein Amt als Premierminister an. Im nördlich der Hauptstadt Kuala Lumpur gelegenen Bundesstaat Perak nahmen die politischen Spannungen zu. Dort hatte die oppositionelle Volksallianz (People’s Alliance – PA) 2008 die Wahl gewonnen. Doch liefen später drei PA-Abgeordnete ins Lager der Regierungskoalition Nationale Front (Barisan Nasional – BN) über. Nach einem Treffen mit dem malaysischen Premierminister forderte der Sultan von Perak im Februar den PA-Regierungschef des Bundesstaats, Mohammad Nizar Jamaluddin, zum Rücktritt auf. Bei einer Sitzung des Parlaments von Perak im Mai, bei der damit gerechnet wurde, dass der Kandidat der BN, Zambry Abdul Kadir, zum neuen Regierungschef ernannt würde, entfernten Polizeibeamten den zur PA gehörenden Parlamentspräsidenten V. Sivakumar gewaltsam aus dem Sitzungssaal. Vor und nach der Sitzung der Abgeordnetenkammer kam es zu kurzzeitigen Festnahmen zahlreicher Personen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Das Recht auf freie Meinungsäußerung war 2009 starken Einschränkungen unterworfen. Dabei benutzten die Behörden verschiedene Gesetze wie das 1998 erlassene Gesetz über Kommunikation und Multimedia (Communication and Multimedia Act – CMA 1998), um kritische Meinungen zu unterdrücken.

  • Das unabhängige Nachrichtenportal Malaysiakini stellte einen Bericht und zwei Videos über Proteste von Muslimen ins Netz, die sich gegen die Verlagerung eines Hindutempels in ihre Nachbarschaft richteten. Die staatliche Internet-Regulierungsbehörde wies Malaysiakini an, die Videos zu entfernen, und drohte damit, auf der Grundlage des CMA 1998 Ermittlungen wegen angeblich anstößiger Inhalte einzuleiten. Die Anklagen gegen das Portal standen noch aus.

  • Nach landesweiten Razzien gegen Internetblogger im März drohten acht Personen Freiheits- und Geldstrafen. Man warf ihnen vor, kritische Kommentare über den Sultan von Perak im Zusammenhang mit der politischen Krise veröffentlicht zu haben, und klagte sie auf der Grundlage des CMA 1998 an. Gegen einen Abgeordneten der Opposition, Karpal Singh, wurde aufgrund des Gesetzes gegen staatsgefährdende Aktivitäten (Sedition Act) Anklage erhoben, weil er damit gedroht hatte, den Sultan von Perak wegen Verfassungsbruchs zu verklagen. Ein Blogger bekannte sich schuldig, während die restlichen Verfahren noch anhängig sind. Alle kamen gegen Zahlung einer Kaution frei.

  • Im November wurde der religiöse Führer Mohamad Asri Zainul Abidin auf der Grundlage der Verordnung des Bundesstaats Selangor zur Anwendung islamischer Gesetze (Selangor Islamic Administration Enactment) angeklagt, da er einen religiösen Vortrag gehalten hatte, ohne dafür eine Genehmigung durch die Regierung einzuholen. Sein Verfahren blieb anhängig, er wurde jedoch gegen Kaution freigelassen. Sollte er verurteilt werden, so muss er eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und/oder eine Geldstrafe von bis zu 3000 Malaysia Ringgit (873 US-Dollar) befürchten.

  • Im Oktober gab es mehrere Polizeiberichte, die sich gegen die Frauenrechtsgruppe Sisters in Islam richteten, nachdem diese Stockschläge als Bestrafung für Muslime kritisiert hatte. Mindestens zwei führende Gruppenmitglieder wurden von der Polizei auf der Grundlage des Gesetzes gegen staatsgefährdende Aktivitäten verhört.

Inhaftierungen ohne Prozess

Die Behörden nahmen Hunderte von friedlichen Demonstranten fest und inhaftierten sie bis zu 24 Stunden, um damit Proteste zu ersticken. Fünf gewaltlose politische Gefangene wurden freigelassen. Es handelte sich dabei um führende Mitglieder der Aktionsgruppe für die Rechte der Hindus (Hindu Rights Action Force – HINDRAF), die auf der Grundlage des Gesetzes zur inneren Sicherheit (Internal Security Act – ISA) inhaftiert worden waren. Auch zehn weitere ISA-Häftlinge kamen frei. Berichten zufolge waren neun Personen weiterhin aufgrund des ISA in Haft.

  • Im Mai 2009 wurde Wong Chin Huat auf der Grundlage des Gesetzes gegen staatsgefährdende Aktivitäten festgenommen, nachdem er im Zuge der politischen Krise in Perak zu Protesten gegen die Regierung aufgerufen hatte. Ebenfalls im Mai wurden der Vizepräsident der oppositionellen Pan-Malaysian Islamic Party (PAS), Mohamad Sabu, sowie mindestens 14 weitere Personen festgenommen. Man warf ihnen vor, im Zusammenhang mit der Perak-Krise an Protestaktionen teilgenommen oder diese geplant zu haben. Auch die fünf Rechtsanwälte dieser 14 Personen wurden festgenommen. Alle wurden für eine Nacht in Gewahrsam genommen und am nächsten Tag wieder freigelassen.

  • Im August 2009 wurden fast 600 Personen nach einer Protestkundgebung gegen das ISA für kurze Zeit in Gewahrsam genommen. 63 Personen hielt man über Nacht fest, darunter auch den PA-Vizepräsidenten Sivarasa Rasiah.

  • Im September 2009 kam es zur kurzzeitigen Festnahme von 16 Mitgliedern der HINDRAF, als diese versuchten, eine Kerzenlicht-Mahnwache in Kuala Lumpur abzuhalten. Unter ihnen war auch der ehemalige ISA-Häftling P. Uthayakumar.

Tod in Gewahrsam

  • Im Januar 2009 kam Kugan Ananthan im Polizeigewahrsam ums Leben. Sein Leichnam wies zahlreiche Spuren von Folter auf. Im Oktober wurde ein Polizeibeamter wegen schwerer Körperverletzung angeklagt.

  • Im Juli 2009 starb Teoh Beng Hock, der politische Sekretär eines Oppositionsführers, nach einem Sturz aus einer oberen Etage des Hauptsitzes der malaysischen Anti-Korruptionseinheit in Selangor. Am Vorabend hatte ihn die Polizei im Rahmen einer Untersuchung als Zeugen vernommen. Dabei ging es um die Veruntreuung staatlicher Gelder durch die Regierung des Bundesstaats, die von der Opposition gestellt wurde. Eine gerichtliche Untersuchung des Todesfalls war im Gange.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Aussagen über sexuelle Gewalttaten, darunter Vergewaltigungen, die Mitarbeiter einer Holzfirma im Ort Baram im Bundesstaat Sarawak an Frauen und Mädchen der indigenen Gruppe der Penan begangen hatten, bildeten die Grundlage eines Berichts, der im September von einer Sonderkommission veröffentlicht wurde. Sie war von der Regierung eingesetzt worden, um die Vorfälle aufzuklären. Der Untersuchungsbericht bestätigte, dass Angestellte der Holzfirma Frauen und Mädchen, die zum Teil erst zehn Jahre alt waren, vergewaltigt hatten. Beamte des Bundesstaats Sarawak bestritten jedoch, dass Mitarbeiter des Unternehmens an den Vergewaltigungen beteiligt gewesen waren, und die Polizei stellte ihre Ermittlungen ein.

Grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen

Bei verschiedenen Vergehen wurde weiterhin die Prügelstrafe angewandt.

  • Im Juni 2009 gab die Regierung bekannt, dass seit 2002 insgesamt 47914 Migranten wegen Verstößen gegen die Einwanderungsgesetze zu Prügelstrafen verurteilt worden seien. Davon seien bis Ende 2008 bereits 34923 Strafen vollstreckt worden.

  • Das Oberste Scharia-Gericht im Bundestaat Pahang verurteilte Kartika Dewi im Juli 2009 zu sechs Stockschlägen und einer Geldstrafe, weil sie Alkohol getrunken hatte. Im September wurde Nazarudin Kamaruddin wegen Alkoholkonsums zu sechs Stockschlägen und einem Jahr Gefängnis verurteilt. Mohamad Shahrin und Nadiah Hussin wurden vom Islamischen Gericht des Bundesstaats Selangor wegen versuchten vorehelichen Geschlechtsverkehrs zu sechs Stockschlägen verurteilt. Alle waren Muslime.

Flüchtlinge und Migranten

Migranten, darunter auch Asylsuchende und Flüchtlinge, wurden häufig festgenommen und über längere Zeit in Gewahrsam gehalten. Die Regierung machte keinen Unterschied zwischen Arbeitsmigranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) hatte bis Mai 49000 Personen als Flüchtlinge registriert, davon stammten 89% aus Myanmar. Schätzungsweise 45000 Asylsuchende blieben unregistriert.

Die Zustände in den Internierungslagern blieben weit hinter internationalen Standards zurück. Es gab weiterhin Berichte über eine unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und mangelhafte sanitäre Einrichtungen, auch von körperlichen Misshandlungen war die Rede.

  • Im Mai 2009 starben zwei Personen aus Myanmar im Internierungslager Juru Immigration Depot an Leptospirose, einer bakteriellen Infektion, die durch den Kontakt mit Wasser verursacht wird, das durch Tierurin verseucht ist. Im August starb ein Gefangener im Internierungslager KLIA Immigration Depot, nachdem er sich mit dem H1N1-Grippevirus angesteckt hatte. In beiden Fällen wurden weitere Personen ins Krankenhaus eingeliefert.

Todesstrafe

Mindestens 68 Männer und Frauen wurden 2009 von den Strafgerichten zum Tode verurteilt. Die Zahl der Hinrichtungen ist nicht bekannt. Der UN-Menschenrechtsrat empfahl im Rahmen der universellen regelmäßigen Überprüfung, ein Hinrichtungsmoratorium zu erlassen oder die Todesstrafe ganz abzuschaffen. Dies wurde von Malaysia jedoch nicht unterstützt.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Vertreter von Amnesty International besuchten Malaysia im Juli und August.

Malaysia: End caning as a punishment for all offences (ASA 28/006/2009)

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