Amnesty Report Vietnam 12. Mai 2009

Vietnam 2009

 

Amtliche Bezeichnung: Sozialistische Republik Vietnam Staatsoberhaupt: Nguyen Minh Triet Regierungschef: Nguyen Tan Dung Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 88,5 Mio. Lebenserwartung: 73,7 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 26/29 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 90,3%

Das massive Vorgehen gegen Dissidenten hielt unvermindert an, und die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und Versammlungsfreiheit unterlagen einschneidenden Beschränkungen. Politisch engagierte Bürger wurden festgenommen und inhaftiert. Andere blieben in Haft, nachdem sie auf der Grundlage von Gesetzen über die nationale Sicherheit verurteilt worden waren. Religiöse Gruppen wurden diskriminiert. So fanden Angriffe auf Katholiken statt, die wegen Landstreitigkeiten mit dem Staat friedlich protestiert hatten. Über 200 Angehörige der ethnischen Minderheit der Montagnards flohen in das benachbarte Kambodscha, wo sie angesichts der Verfolgung im eigenen Land Asyl suchten. Die Nationalversammlung lehnte die Vorschläge der Regierung für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Todesstrafe ab.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Mindestens elf Bürger, die friedlich für Demokratie und Menschenrechte eingetreten waren, wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Seit Beginn des verschärften Vorgehens gegen Dissidenten im November 2006 stieg damit die Zahl der inhaftierten Dissidenten auf 30 an. Die meisten von ihnen waren entweder Anhänger der sich über das Internet artikulierenden Bewegung für Demokratie Bloc 8406 oder Mitglieder anderer nicht genehmigter Gruppen, die Demokratie und Menschenrechte einklagten. Sie wurden mehrheitlich wegen Verstößen gegen die Bestimmungen zur nationalen Sicherheit gemäß dem Strafgesetzbuch von 1999 angeklagt, wofür lange Gefängnisstrafen und anschließend bis zu fünf Jahre Hausarrest vorgesehen waren. Eine unbekannte Zahl von Dissidenten blieb in Untersuchungshaft.

  • Im Januar 2008 wurde Truong Quoc Huy zu sechs Jahren Gefängnis und drei Jahren darauffolgendem Hausarrest verurteilt. Die Verurteilung erfolgte wegen "Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam" auf der Grundlage von Artikel 88 des Strafgesetzbuchs. Er war bereits im Jahr 2005 festgenommen worden und bis zu seiner Freilassung im August 2006 ohne Anklage und Prozess festgehalten worden. Sechs Wochen später wurde er erneut festgenommen, nachdem er öffentlich seine Unterstützung für den Bloc 8406 bekundet hatte. Vor seiner zweimaligen Inhaftierung beteiligte er sich in einem Diskussionsforum im Internet an Diskussionen über die politische Situation in Vietnam.

  • Im Mai 2008 wurden die Journalisten Nguyen Viet Chien und Nguyen Van Hai festgenommen. Im Oktober befand man beide für schuldig, "die demokratischen Freiheiten missbraucht zu haben, um gegen die Interessen des Staates zu verstoßen", weil sie seit 2005 über einen größeren Korruptionsskandal berichtet hatten, in den Beamte des Transportministeriums verwickelt waren. Nguyen Viet Chien erhielt eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren. Nguyen Van Hai wurden anstelle einer Haftstrafe zwei Jahre Umerziehung auferlegt, nachdem er ein Schuldbekenntnis abgelegt hatte.

Versammlungsfreiheit

Seit Dezember 2007 demonstrierten Mitglieder der Katholischen Kirche in Hanoi in bislang nicht gekannter Anzahl für das Eigentumsrecht der Kirche an zwei Grundstücken, die die Regierung als Staatseigentum beanspruchte. Im September 2008 löste die Polizei die friedlichen Massendemonstrationen gewaltsam auf. Mehrere Menschen wurden dabei durch Schlagstöcke verletzt, und 20 Personen wurden ins Krankenhaus gebracht, nachdem Tränengas eingesetzt worden war. Die Einschüchterung und Schikanierung von Katholiken durch die Sicherheitskräfte und staatlich unterstützte Banden nahmen in der Folgezeit zu.

Gegen mindestens acht der Ende August festgenommenen Protestteilnehmer wurden am 8. Dezember wegen "öffentlichen Aufruhrs" und "Sachbeschädigung" Strafen verhängt, die keine Freiheitsstrafen darstellten.

Im April nahm die Polizei mindestens 14 Personen fest, die friedlich demonstriert hatten, als die Olympische Fackel durch Ho-Chi-Minh-Stadt getragen wurde. Einige von ihnen kamen wenige Tage später wieder frei. Unter den Festgenommenen befand sich Nguyen Hoang Hai, ein unter dem Namen Dieu Cay bekannter Blogger. Er hatte Artikel verfasst, in denen er Chinas Außenpolitik kritisierte und für Menschenrechte in Vietnam plädierte. Im September erging eine zweieinhalbjährige Gefängnisstrafe wegen Steuerhinterziehung gegen ihn. Es ist anzunehmen, dass es sich dabei um ein politisch motiviertes Urteil handelte. Nach dem Urteil gegen Dieu Cay wurden mindestens neun weitere Dissidenten festgenommen, darunter der Schriftsteller Nguyen Xuan Nghia, der schon unter den bereits im April Verhafteten gewesen war. Sie alle blieben in Untersuchungshaft; Berichten zufolge beruhte die Anklage auf Artikel 88 des Strafgesetzbuchs.

Diskriminierung religiöser und ethnischer Gruppen

Mitglieder von staatlich nicht anerkannten Kirchen waren weiterhin Drohungen, Schikanen, Zwang zur Aufgabe ihres Glaubens und willkürlicher Inhaftierung ausgesetzt oder wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt.

  • Der Oberste Patriarch der verbotenen Vereinigten Buddhistischen Kirche von Vietnam (Unified Buddhist Church of Viet Nam), Thich Huyen Quang, starb im Alter von 87 Jahren. Er hatte zum Zeitpunkt seines Todes unter Einschränkungen gelebt, die ihm von den Behörden auferlegt worden waren. Der gewaltlose politische Gefangene hatte mehr als 30 Jahre im Gefängnis oder in Hausarrest verbracht. Sein Stellvertreter, Thich Quang Do, der gegenwärtig de facto unter Hausarrest lebt, wurde sein Nachfolger im Amt.

Es gab weiterhin Berichte über Schikanen und Misshandlungen der ethnischen Minderheit der Montagnards im zentralen Hochland. Über 200 von ihnen suchten Asyl im benachbarten Kambodscha. Eine unbekannte Zahl von Montagnards verbüßte noch immer lange Haftstrafen, die im Zusammenhang mit den Protesten der Jahre 2001 und 2004 gegen sie verhängt worden waren.

Todesstrafe

Im November schlug das Justizministerium Änderungen des Strafgesetzbuchs vor, die die Anzahl der mit der Todesstrafe zu ahndenden Straftaten von 29 auf zwölf reduzieren sollten. Die Nationalversammlung lehnte diese Vorschläge jedoch mit dem Argument ab, dass die Todesstrafe notwendig sei, um die schwere und weit verbreitete Kriminalität zu bekämpfen.

Medienberichten zufolge fanden 2008 mindestens 19 Hinrichtungen statt und 59 Personen wurden zum Tode verurteilt.

  • Nguyen Minh Hung wurde im Juni aus dem Gefängnis entlassen, nachdem er nach einem Todesurteil wegen Drogenhandels mehr als fünf Jahre inhaftiert gewesen war. Er war ursprünglich 2004 vom Volksgericht der Provinz Tay Ninh zum Tode verurteilt worden. Das Oberste Volksgericht kassierte jedoch das Urteil und ordnete weitere Untersuchungen an. Daraufhin fand am Volksgericht der Provinz Tay Ninh eine Neuverhandlung statt, in der zum zweiten Mal ein Todesurteil gegen ihn gefällt wurde. Im April verlangte das Oberste Volksgericht abermals weitere Untersuchungen. Schließlich wurde das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt. Eine Zeugin in dem Fall sagte aus, sie habe unter starkem Polizeidruck gestanden und deshalb gelogen, als sie Nguyen Minh Hung als einen Mittäter identifizierte.

Im Dezember enthielt sich Vietnam der Stimme bei der Abstimmung über eine Resolution der UN-Generalversammlung, die zu einem weltweiten Hinrichtungsmoratorium aufrief.

Amnesty International: Berichte Viet Nam: Time to live up to human rights commitment (ASA 41/001/2008)

Viet Nam: Supreme Patriarch Thich Huyen Quang, a life committed to human rights (ASA 41/002/2008)

Connecting human rights in Viet Nam (ASA 41/003/2008)

Viet Nam: After the crackdown: attacks and intimidation (ASA 41/004/2008)

Viet Nam: Sentenced journalist should be released (ASA 41/006/2008)

Viet Nam: Submission to the UN Universal Periodic Review (ASA 41/007/2008)

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