Amnesty Report Thailand 12. Mai 2009

Thailand 2009

 

Amtliche Bezeichnung: Königreich Thailand Staatsoberhaupt: König Bhumibol Adulyadej Regierungschef: Abhisit Vejjajiva (löste am 15. Dezember den Amtierenden Ministerpräsidenten Chaovarat Chanweerakul im Amt ab, der am 2. Dezember an die Stelle von Somchai Wongsawat getreten war; dieser hatte im September Samak Sundaravej abgelöst, der das Amt im Januar von General Surayud Chulanont übernommen hatte) Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 64,3 Mio. Lebenserwartung: 69,6 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 17/13 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 92,6%

Der Aufruhr im Süden des Landes dauerte an. Auch das Kriegsrecht und die Notstandsverordnung blieben im Süden in Kraft. Die offizielle Zahl der Todesopfer seit Januar 2004 erreichte 3500. Sicherheitskräfte waren für Menschenrechtsverletzungen wie Folter, willkürliche Inhaftierung und Festnahme verantwortlich. Bewaffnete Rebellen begingen gleichfalls schwere Verstöße, beispielsweise vorsätzliche Angriffe auf Zivilpersonen. In Bangkok wurden nach gewalttätigen Demonstrationen zwei Notstandsverordnungen erlassen, die die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit einschränkten. Die Restriktionen für die Medien wurden verschärft. Das Gesetz über innere Sicherheit trat in Kraft. Seine vagen und sehr allgemein gehaltenen Bestimmungen stellten einen Blankoscheck für seine Anwendung in der Praxis aus. Die Regierung veranlasste die Abschiebung mehrerer Gruppen von Asylsuchenden, die den aus Myanmar und Laos stammenden Hmong angehörten.

Hintergrund

Die von Premierminister Samak Sundaravej geführte People’s Power Party bildete im Januar eine Koalitionsregierung. Sowohl die Partei als auch ihr Vorsitzender unterhielten enge Verbindungen zu dem abgesetzten und im Exil lebenden Premierminister Thaksin Shinawatra. Regierungsgegner, die von der People’s Alliance for Democracy (PAD) angeführt wurden, gingen ab Mai auf die Straßen und besetzten im August gewaltsam das Haus der Regierung und das Büro des Premierministers. Samak Sundaravej wurde im darauffolgenden Monat gezwungen zurückzutreten, nachdem ein Gericht entschieden hatte, dass er gegen Verhaltensregeln in einem Interessenkonflikt verstoßen habe. Bei mehreren Gelegenheiten kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der PAD, regierungstreuen Demonstranten und der Polizei, die mehrere Tote und Hunderte von Verletzten zur Folge hatten. Im September übernahm Somchai Wongsawat, der Schwager des früheren Premierministers Thaksin Shinawatra, das Amt des Premierministers. Dies führte erneut zu Demonstrationen und weiterer Gewalt, die auch mehrere Todesopfer zur Folge hatte. Ende November besetzte die PAD die beiden internationalen Flughäfen von Bangkok. Anfang Dezember wurde Somchai Wongsawat gezwungen, von seinem Amt zurückzutreten, nachdem das Verfassungsgericht entschieden hatte, dass seine Partei das Wahlrecht verletzt habe. Neuer Premierminister wurde im Dezember der Führer der oppositionellen Democrat Party, Abhisit Vejjajiva.

Übergriffe bewaffneter Gruppen

Im Januar 2008 verletzte eine von Rebellen auf einem Markt in der Provinz Yala gezündete Bombe mindestens 44 Menschen. Im März töteten Aufständische zwei Menschen mit einer Autobombe im CS Pattani Hotel in der Provinz Pattani, das als eines der sichersten Hotels im Süden gegolten hatte. Im März und April wurden 15 Kinder durch Sprengstoffanschläge in der Provinz Yala verletzt. Rebellen erschossen in Yala einen dreijährigen Jungen und seinen Vater und in Narathiwat ein neunjähriges Mädchen, ihren kleinen Bruder und ihren Vater. Im September erschossen Aufständische in Pattani einen Regierungsbeamten und köpften ihn anschließend. Es handelte sich bei ihm um die 41. Person, die seit Januar 2004 enthauptet worden war. Im November verletzten zwei am gleichen Tag explodierende Bomben mindestens 75 Menschen in Narathiwat.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Die Sicherheitskräfte nahmen im Süden des Landes weiterhin willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen junger malaiischer Muslime und politisch aktiver Männer vor. Dies geschah hauptsächlich in der Absicht, Informationen über die Aufstandsbewegung zu sammeln. Dafür wurden häufig speziell für diesen Zweck angefertigte Listen mit "Verdächtigen" benutzt sowie "Säuberungsaktionen" in malaiisch-muslimischen Dörfern durchgeführt.

Polizei und Sicherheitskräfte

Im Januar wurden ein Polizeikommissar und sieben weitere Angehörige der 41. Einheit der Grenzpolizei wegen Machtmissbrauchs, Korruption und exzessiver Gewaltanwendung während der Durchführung von Anti-Drogen-Operationen inhaftiert. Sie hatten Berichten zufolge Personen fälschlicherweise Straftaten angehängt oder sie entführt und gefoltert, um von ihnen Geständnisse oder Lösegeldzahlungen zu erpressen. Als Reaktion auf diese Maßnahme drohte der Chef der Nationalen Polizei, Polizeigeneral Seriphisut Temiyavej, jedoch damit, rechtliche Schritte gegen jeden zu ergreifen, der falsche Anschuldigungen gegen Polizeibeamte vorbringe.

  • Am 7. Oktober 2008 starb Angkana Pradubpanya-avut an den Folgen des Einschlags einer Tränengasgranate, die während eines gewaltsamen Zusammenstoßes zwischen der Bereitschaftspolizei und gegen die Regierung protestierenden PAD-Anhängern direkt auf ihre Brust abgefeuert worden war. Während dieses gewaltsamen Zusammenstoßes wurden mindestens 440 weitere Personen verletzt, darunter auch Polizisten.

Folter und Misshandlungen

Es gab zunehmend Meldungen, dass die Sicherheitskräfte bei Anti-Aufstands-Operationen im Süden Folter und andere Misshandlungen anwandten. Berichten zufolge waren Häftlinge in vier südlichen Provinzen davon betroffen. Einige Personen starben während ihrer Haft.

  • Ein 42-jähriger Mann aus Pattani berichtete, dass ihn drei Soldaten festgehalten hätten, während ihm andere den Fuß mit einem Feuerzeug verbrannt hätten, bis es leer gewesen sei. Die Soldaten zwangen ihn, ein Loch auszuheben und sich hineinzusetzen. Danach füllten sie das Loch bis zu seinem Hals mit Erde auf.

  • Ein 22-jähriger Student aus Narathiwat berichtete, man habe ihn unter Wasser getaucht und ihm Stromschläge an den Füßen verabreicht.

Bis zum Jahresende war niemand für diese Taten zur Verantwortung gezogen worden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Zahl der Menschen, die wegen lèse-majesté angeklagt wurden, nahm im Jahr 2008 beträchtlich zu. Dabei handelte es sich um ein Gesetz, das jedwede Äußerung oder jedwede Handlung verbietet, die geeignet sein könnte, die königliche Familie zu verleumden, zu beleidigen oder zu bedrohen.

  • Im Januar wurde ein Buch verboten, das sich kritisch mit dem im Jahr 2006 in Thailand durchgeführten Militärputsch befasste und Fragen über die politische Rolle der Monarchie aufwarf. Gegen den Autor des Buchs wurden Ermittlungen eingeleitet.

  • Im April wurden ein Mann und eine Frau angeklagt, sich als thailändische Staatsbürger nicht erhoben zu haben, als die Nationalhymne in einem Kino gespielt wurde.

  • Im Juli entließ ein Arbeitgeber eine Gewerkschaftsführerin, da sie bei einem Fernsehauftritt ein T-Shirt mit einem Aufdruck getragen hatte, der als Gesetzesverstoß betrachtet wurde.

  • Zwischen März und August wies der Minister für Informations- und Kommunikationstechnologie die Internetanbieter an, mindestens 340 Internetseiten zu blockieren, da deren Inhalt als Beleidigung der Monarchie betrachtet würde.

Im November schlug die Oppositionspartei vor, in Fällen von lèse-majesté die Beweislast auf die Angeklagten zu übertragen.

Im Februar übte die Regierung auf eine Radiostation Druck aus, die Ausstrahlung eines Programms zu stoppen, nachdem darin den kontroversen Äußerungen widersprochen worden war, die der damalige Premierminister Samak im CNN über den Aufstand vom 6. Oktober 1976 in Thailand gemacht hatte.

Im September erließ die Regierung für zwölf Tage eine Notverordnung für Bangkok, wodurch das Recht auf freie Meinungsäußerung drastisch eingeschränkt wurde. Auch im November und Dezember fand die Notverordnung für insgesamt 13 Tage Anwendung.

Straflosigkeit

Im Januar stellte ein unabhängiges Komitee fest, es gebe keinen Beweis dafür, dass irgendein Regierungsbeamter etwas mit außergerichtlichen Hinrichtungen während des vom früheren Premierminister geführten "Kriegs gegen die Drogen" im Jahr 2003 zu tun hätte. Diese Erklärung wurde abgegeben, obwohl das Komitee eigentlich die Aufgabe hatte, diejenigen Personen zu identifizieren, die wegen derartiger Tötungen vor Gericht gestellt werden sollten, und obschon das Komitee festgestellt hatte, dass Thaksins Schießbefehle weitgehend befolgt worden waren und das Innenministerium den Auftrag erhalten hatte, eine schwarze Liste zu erstellen. Dem Bericht zufolge wurden zwischen Februar und April 2003 insgesamt 2819 Menschen getötet, darunter 54 bei Schießereien mit der Polizei. Nur 1370 der Getöteten hatten etwas mit dem Drogenhandel zu tun.

  • Am 19. März 2008 nahmen Polizisten der Polizeistation des Bezirks Rueso und Angehörige des Militärs, die zur 39. Sondereinheit in der Provinz Narathiwat gehörten, den Imam Yapha Kaseng fest, der zwei Tage später in der Haft starb, woraufhin eine Untersuchung eingeleitet wurde. Eine Obduktion ergab im Dezember, dass sein Tod auf seine Behandlung in Gewahrsam zurückzuführen war.

  • Diejenigen, die für das "Verschwindenlassen" von Personen verantwortlich waren, genossen weiterhin Straffreiheit. Zu den Opfern gehörte auch der im Jahr 2004 "verschwundene" muslimische Rechtsanwalt Somchai Neelapaijit.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Die Behörden schickten ungefähr 1700 Angehörige der ethnischen Gemeinschaft der Lao Hmong nach Laos zurück. Darunter befand sich eine unbekannte Anzahl abgeschobener Asylsuchender.

Im Februar verweigerte der Gouverneur der Provinz Mae Hong Son mindestens 20 Angehörigen der ethnischen Gemeinschaft der "Langhals"-Paduang aus Myanmar die Erlaubnis, die Provinz zu verlassen. Begründet wurde dies mit dem Argument, dass sie wertvolle touristische Attraktionen seien. Dies geschah, obwohl sie als Flüchtlinge anerkannt waren und ihre Ansiedlung in anderen Ländern akzeptiert worden war.

Rechtliche, verfassungsmäßige und institutionelle Entwicklungen

Das Gesetz über innere Sicherheit (Act on Internal Security) von 2008 trat im Februar in Kraft. Es erteilte dem Militär und den Sicherheitskräften Thailands umfassende Vollmachten auf dem Gebiet der inneren Sicherheit, darunter die Befugnis, "jedwedes Ereignis, das die innere Sicherheit beeinträchtigt, zu verhindern, zu unterdrücken, auszuschalten oder zu überwinden bzw. abzuschwächen". Inwiefern das Gesetz auf die Aufstandsbewegung in Südthailand angewandt werden soll, blieb unklar.

Im Juni trat das Gesetz gegen Menschenhandel von 2008 in Kraft.

Todesstrafe

Im Jahr 2008 wurden mindestens drei Personen zum Tode verurteilt, Hinrichtungen fanden nicht statt. Im Dezember stimmte Thailand gegen eine Resolution der UN-Generalversammlung, die zu einem weltweiten Hinrichtungsmoratorium aufrief.

Amnesty International: Missionen Delegierte von Amnesty International besuchten Thailand im Juni und November.

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