Amnesty Report Malaysia 18. Mai 2009

Malaysia 2009

 

Amtliche Bezeichnung: Persekutuan Tanah Malaysia Staatsoberhaupt: König Tuanku Mizan Zainal Abidin ibni al-Marhum (Sultan von Terengganu) Regierungschef: Abdullah Ahmad Badawi Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 27 Mio. Lebenserwartung: 73,7 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 12/10 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 88,7%

Die Regierung unterdrückte abweichende Meinungen und schränkte die Rechte auf Meinungs- und Religionsfreiheit ein. Internet-Blogger wurden auf der Grundlage des Gesetzes gegen staatsgefährdende Aktivitäten (Sedition Act) festgenommen. Das Presse- und Publikationsgesetz (Printing Press and Publications Act – PPPA) wurde dazu benutzt, den Inhalt von Zeitungen zu kontrollieren. Zehn Personen wurden willkürlich festgenommen und auf der Grundlage des Gesetzes zur Inneren Sicherheit (Internal Security Act – ISA) inhaftiert. Die Sicherheitskräfte wandten weiterhin exzessive Gewalt an, während die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdekommission über polizeiliches Fehlverhalten aufgeschoben wurde.

Mitarbeiter und freiwillige Hilfskräfte der Einwanderungsbehörde führten Massenverhaftungen von Arbeitsmigranten durch. Mindestens 22 Personen wurden zum Tode verurteilt. Es liegen keine Angaben über die Zahl der vollstreckten Todesurteile vor.

Hintergrund

Bei den im März 2008 durchgeführten Wahlen erzielte die Opposition eine Mehrheit in fünf der 13 Bundesstaaten Malaysias und errang 82 der insgesamt 222 Parlamentssitze. Damit verlor die Regierungskoalition der Nationalen Front (Barisan Nasional) ihre überwältigende Mehrheit. Im August wurde der Oppositionsführer Anwar Ibrahim in das Parlament gewählt. Er hatte zuvor auf der Grundlage des Gesetzes zur Inneren Sicherheit (ISA) im Gefängnis gesessen. Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Behörden suspendierten 2008 Publikationsgenehmigungen oder drohten mit ihrem Entzug aufgrund des PPPA und inhaftierten Internet-Blogger auf der Grundlage des Gesetzes gegen staatsgefährdende Aktivitäten.

  • Im April zogen die Behörden die Publikationsgenehmigung für die tamilische Tageszeitung Makkal Osai zurück, da sie angeblich der Berichterstattung über die oppositionelle Koalition in der Zeit vor den Wahlen unverhältnismäßig breiten Raum eingeräumt hatte.

  • Im Mai drohten die Behörden damit, der katholischen Zeitung The Herald die Publikationslizenz zu entziehen, da sie das Wort "Allah" als Synonym für "Gott" verwendet hatte.

  • Im September wurde der Internet-Blogger Syed Azidi Syed festgenommen und auf der Grundlage des ISA drei Tage inhaftiert, weil ihm vorgeworfen wurde, einen Artikel ins Netz gestellt zu haben, in dem dazu aufgefordert wurde, als Zeichen des Protests gegen bestimmte politische Richtlinien der Regierung die malaysische Flagge verkehrt herum aufzuhängen.

  • Im Mai wurde der Internet-Blogger Raja Petra Kamarudin auf der Grundlage des ISA wegen eines Artikels angeklagt, in dem er angedeutet haben soll, dass der Vize-Premierminister in die Ermordung einer mongolischen Frau verwickelt sei. Im September wurde er willkürlich festgenommen und auf der Grundlage des ISA inhaftiert. Sechs Tage vor seiner Festnahme war der Innenminister mit den Worten zitiert worden, dass Raja Petra Kamarudin auf der Grundlage des ISA festgenommen werden könnte, weil in Artikeln, die auf seiner Website publiziert worden waren, Muslime beleidigt und der Islam herabgewürdigt worden seien. Der Innenminister stellte einen unbegrenzt verlängerbaren Haftbefehl für zwei Jahre aus. Nach einer langen öffentlichen Diskussion ordnete das Strafgericht (High Court) im November Kamarudins Freilassung an.

Inhaftierungen ohne Prozess

Im Jahr 2008 wurden zehn Personen auf der Grundlage des ISA inhaftiert. Zum Jahresende gab es zumindest 50 Personen, die sich aufgrund der Bestimmungen des ISA in Haft befanden. Unter ihnen waren 17, die bereits zwischen vier und acht Jahren inhaftiert waren, ohne dass gegen sie Anklage erhoben oder ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden wäre. Von 31 Häftlingen wurde bekannt, dass sie freigelassen worden waren. Darunter befanden sich vier indonesische Staatsbürger, die abgeschoben wurden.

  • Der Handwerker Sanjeev Kumar, der vermutlich infolge der gegen ihn während der Haft angewandten Folter gelähmt ist und geistig erkrankte, wurde im September 2008 freigelassen. Gegenwärtig ist sein Aufenthaltsrecht gerichtlich eingeschränkt.

  • Fünf führende Mitglieder der Aktionsgruppe für die Rechte der Hindus (Hindu Rights Action Force – HINDRAF) blieben wegen der Organisation von Protestkundgebungen gegen die Marginalisierung von Malaysiern indischer Herkunft weiterhin in Haft. Einer von ihnen – Manoharan Malayalam – wurde im März in ein Provinzparlament gewählt, während er sich noch in Haft befand. Im Mai lehnte das Bundesgericht den Antrag dieser fünf Personen auf Haftprüfung mit der Begründung ab, dass ihre Inhaftierung rechtmäßig sei. Sie legten gegen die Entscheidung Berufung ein. Amnesty International betrachtet sie als gewaltlose politische Gefangene.

Exzessive Gewaltanwendung

  • Im Mai 2008 wurde der oppositionelle Parlamentsabgeordnete Lim Lip Eng von Sicherheitspersonal geschlagen, das vermutlich zur Polizeisondereinheit für Aufstandsbekämpfung (Federal Reserve Unit – FRU) gehörte. Dies geschah, nachdem er versucht hatte, in einer Pattsituation während einer Auseinandersetzung über einen Straßenzugang zwischen der Polizei und den Anwohnern zu vermitteln.

  • Mindestens zehn uniformierte Männer, die vermutlich der FRU angehörten, zerrten im Mai 2008 den Handwerker Chang Jium Haur aus seinem Auto und schlugen ihn, bis er bewusstlos war. Bis heute wurde niemand wegen dieser Tat zur Verantwortung gezogen.

Das Parlament verschob die Diskussion über den Gesetzentwurf für eine Spezielle Beschwerdekommission (Special Complaints Commission Bill). Es handelte sich dabei um einen Vorschlag der Regierung zur Kontrolle des von lokalen und internationalen Menschenrechtsgruppen scharf kritisierten Fehlverhaltens der Polizei.

Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende

Ein Drittel der insgesamt 3 Mio. Migranten in Malaysia blieben aufgrund ihres irregulären Aufenthaltsstatus dem Risiko von Haft und Abschiebung ausgesetzt. Unter ihnen befand sich eine unbekannte Anzahl von Menschen, die bei einer Rückkehr in ihre Heimatländer Verfolgung befürchten mussten. Die Regierung machte keinen Unterschied zwischen Arbeitsmigranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) hatte bis August 41405 Personen als Flüchtlinge registriert, von denen 11172 Kinder waren. 88% stammten aus Myanmar.

Im März schloss die Gefängnisbehörde (Prison Department) die Übergabe von elf Internierungslagern für Einwanderer ohne regulären Aufenthaltsstatus an die Einwanderungsbehörde (Immigration Department) ab. Die Leitung der Lager obliegt nun den 480000 nicht ausgebildeten Mitgliedern des Freiwilligenkorps RELA (Relawan Ikatan Rakyat). Berichte über schwere Verstöße, die von RELA-Mitgliedern gegen Häftlinge begangen wurden, nahmen zu.

  • Im April 2008 brach im Lenggeng-Internierungslager für Einwanderer aus Protest gegen das schwere Verprügeln einiger Häftlinge und die beklagenswerten Zustände in diesem Lager ein Aufruhr aus.

RELA-Mitglieder, die ermächtigt sind, Festnahmen ohne einen Haftbefehl und ohne Zuhilfenahme von Polizisten oder Einwanderungsbeamten vorzunehmen, machten bei ihren Einsätzen keinen Unterschied zwischen Asylsuchenden, Flüchtlingen, Staatenlosen und Arbeitsmigranten. Während eines im August durchgeführten Einsatzes nahmen RELA-Mitglieder 11600 Personen fest. Dabei stellte sich heraus, dass nur 500 von ihnen keine ordentliche Aufenthaltserlaubnis besaßen. Im Juni kündigte der Innenminister ein hartes Durchgreifen mit dem Ziel an, 200000 Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus – hauptsächlich Filipinos – abzuschieben. Angaben der philippinischen Regierung zufolge wurden bis August 35000 Personen deportiert. Weitere Tausende folgten bis zum Jahresende. Die philippinische Menschenrechtskommission untersuchte Vorwürfe, nach denen während dieser Operation Menschen verprügelt und in überfüllten Zellen festgehalten wurden.

Religionsfreiheit

Die Politisierung der Religion nahm im Jahr 2008 merklich zu. Personen islamischen Glaubens, die konvertieren wollten, stießen weiterhin auf große Hindernisse.

  • Im März 2008 wurde die als Muslima geborene Kamariah Ali nach dem islamischen Gesetz, der Scharia, wegen Abfalls vom Islam zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

  • Im August musste ein Gesprächsforum der Anwaltskammer, das sich mit den rechtlichen Schwierigkeiten beschäftigte, denen malaysische Familien ausgesetzt waren, wenn ein Ehegatte zum Islam konvertierte, auf Verlangen der Polizei und islamistischer Demonstranten vorzeitig abgebrochen werden, weil die Demonstrierenden versuchten, gewaltsam in den Tagungsort einzudringen. Gegen die Demonstranten wurden keine Maßnahmen ergriffen.

Diskriminierung

Rassische Diskriminierung blieb in Malaysia weiterhin institutionalisiert, insbesondere bei den von der Regierung unterstützten "Maßnahmen der positiven Diskriminierung" ("affirmative action policies") zugunsten von Malaien und indigenen Volksgruppen aus Sabah und Sarawak (Bumiputeras). Diese Diskriminierung betraf Landbesitz, Beschäftigung und Bildung und ging so weit, dass in einigen Fällen andere Bevölkerungsgruppen völlig ausgeschlossen blieben.

  • Im August 2008 kam es in der Öffentlichkeit zu Entrüstung, nachdem ein staatlicher Beamter vorgeschlagen hatte, dass die Technische Universität MARA (University Teknologi Mara) 10% der Studienplätze an Nichtmalaien vergeben sollte. Die Universität, an der 120000 Studenten eingeschrieben sind, war während der letzten 50 Jahre ausschließlich Malaien vorbehalten. Der Premierminister und der Minister für Höhere Bildung lehnten den Vorschlag ab.

Todesstrafe

Im Januar schätzte die Nichtregierungsorganisation "Malaysier gegen die Todesstrafe" (Malaysians Against the Death Penalty) die Zahl der im Todestrakt einsitzenden Häftlinge auf 300. Die meisten von ihnen waren wegen Drogendelikten verurteilt worden. Amnesty International hat Kenntnis von 22 Personen, die im Jahr 2008 von Strafgerichten zum Tode verurteilt wurden. Informationen über die Anzahl der Hingerichteten liegen nicht vor.

Im Dezember stimmte Malaysia gegen eine Resolution der UN-Generalversammlung, die zu einem weltweiten Hinrichtungsmoratorium aufrief.

Grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen

Die Prügelstrafe war weiterhin zur Bestrafung zahlreicher Vergehen in Gebrauch, u.a. auch bei Verstößen gegen die Einwanderungsgesetze.

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