Amnesty Report 19. Mai 2009

Kongo (Republik) 2009

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Kongo Staatsoberhaupt: Denis Sassou-Nguesso Regierungschef: Isidore Mvouba Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft Einwohner: 3,8 Mio. Lebenserwartung: 54 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 112/89 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 84,7%

Menschenrechtsverteidiger und Journalisten wurden bedroht, festgenommen und inhaftiert. Nach Unruhen im Juli kamen mehr als 30 Personen in Haft. Einige von ihnen wurden gefoltert oder auf andere Art misshandelt. Im Dezember entließ man sie ohne Gerichtsverfahren aus der Haft. Drei Asylsuchende aus der Demokratischen Republik Kongo (DRK), die Anfang 2004 inhaftiert worden waren, wurden nach wie vor ohne Anklage und Gerichtsverfahren in Gewahrsam gehalten. Im Juni 2008 fand ein Prozess gegen mehr als 30 Personen statt, gegen die nach ihrer Verhaftung im Jahr 2005 Anklage wegen Gefährdung der Staatssicherheit erhoben worden war.

Hintergrund

Mindestens fünf politische Parteien bekundeten ihre Absicht, bei den für 2009 geplanten Parlamentswahlen Bewerber für das Amt des Präsidenten aufzustellen. Es wurde allgemein davon ausgegangen, dass Staatspräsident Denis Sassou-Nguesso, der im Oktober 1997 an die Macht zurückgekehrt war, als Kandidat der Regierungskoalition unter Führung der kongolesischen Arbeiterpartei (Parti Congolais du Travail – PCT) antreten würde. Die politische Opposition forderte die Einsetzung einer unabhängigen Wahlkommission, doch ging die Regierung auf diese Forderung bis Ende 2008 nicht ein. Im August zogen sich einige Oppositionsparteien aus der Nationalen Kommission für die Organisation der Wahlen zurück. Sie verlangten Garantien für einen fairen Verlauf der Wahlen im Jahr 2009, einen gleichberechtigten Zugang aller Parteien zu den Medien, die Unabhängigkeit der öffentlichen Organe, die die Wahlen organisieren würden sowie ein neues Gesetz über die Einrichtung einer unabhängigen Wahlkommission.

Bei den Kommunalwahlen im Juni gewann die Regierungskoalition die überwältigende Mehrheit der Sitze. Kritiker warfen der Regierung jedoch vor, die Wahlen seien schlecht organisiert gewesen; die Wahlbeteiligung habe bei lediglich 25% gelegen. Die Regierung kündigte ein Programm zur Demobilisierung, Entwaffnung und Wiedereingliederung der Kämpfer der ehemaligen bewaffneten Gruppe Nationaler Widerstandsrat (Conseil National de Résistance – CNR) an. Im September 2008 erklärte die Regierung, sie habe 500 Waffen und mehrere Zehntausend Schuss Munition sowie Sprengstoff vernichtet, die man ehemaligen bewaffneten Kämpfern der Opposition abgenommen habe bzw. die von diesen übergeben worden seien.

Bei der Beerdigung des Vorsitzenden der Vereinigung für Demokratie und sozialen Fortschritt (Rassemblement pour la Démocratie et le Progrès Social), Jean-Pierre Thystère Tchicaya, kam es im Juli 2008 in Pointe-Noire zu Krawallen. Einige Protestteilnehmer beschädigten privates und öffentliches Eigentum und beschimpften Staatspräsident Sassou-Nguesso. Es gab zahlreiche Festnahmen; mindestens 35 Personen waren bis Dezember 2008 inhaftiert.

Gegen fast 40 ehemalige Angehörige der Sicherheitskräfte sowie Zivilisten wurde im Juni ein Prozess wegen Gefährdung der Staatssicherheit geführt. Die Mehrheit der Angeklagten war Anfang 2005 festgenommen worden, nachdem eine Gruppe von Gendarmen beschuldigt worden war, Waffen aus der Gendarmerie von Bifouiti, südlich der Hauptstadt Brazzaville, gestohlen zu haben. Andere Angeklagte, unter ihnen Zivilisten und ein pensionierter Oberst der Armee, waren in Pointe-Noire verhaftet worden, weil sie einen Putsch gegen die Regierung geplant haben sollen. Zehn Angeklagte waren bei dem Prozess nicht anwesend, einige weil sie im Ausland lebten, andere weil man sie vorläufig auf freien Fuß gesetzt hatte und sie nicht über den Prozesstermin informierte. Am letzten Verhandlungstag, dem 27. Juni 2008, befand das Gericht fast alle Angeklagten der Staatsgefährdung schuldig und verurteilte sie zu Freiheitsstrafen bis zu dreieinhalb Jahren. Dies entsprach der Zeit, die sie in Untersuchungshaft bzw. in vorläufiger Freiheit verbracht hatten. Diejenigen, die in Untersuchungshaft gesessen hatten, wie der mutmaßliche Anführer der Verschwörung Hauptmann Bertin Pandi Ngouari und der pensionierte Oberst Serge André Mpassi, wurden unmittelbar nach Ende des Prozesses auf freien Fuß gesetzt. Einige der Freigelassenen gaben an, dass sie in den ersten Monaten nach ihrer Festnahme im Jahr 2005 gefoltert oder auf andere Art misshandelt worden seien.

Meinungs- und Vereinigungsfreiheit

Menschenrechtsverteidiger und Journalisten wurden eingeschüchtert oder festgenommen und inhaftiert, weil sie ihrer beruflichen Tätigkeit nachgingen. Im Januar 2008 drohte die Polizei in Brazzaville der Menschenrechtsgruppe Observatoire Congolais des Droits de l’Homme (OCDH) diese aufzulösen, sollte sie weiterhin öffentliche Erklärungen abgeben, die von den Behörden als politisch betrachtet wurden. Die Organisation hatte gefordert, die Kommunalwahlen zu verschieben, bis eine unabhängige Wahlkommission eingesetzt und ein zuverlässiges Wählerverzeichnis erstellt worden sei.

  • Christian Perrin, Journalist und Leiter der Nachrichtenredaktion des Fernsehsenders Télé pour tous in Pointe-Noire, wurde am 21. Juli 2008 festgenommen und 24 Stunden lang in Gewahrsam gehalten. Anschließend klagte man ihn wegen Anstiftung zur Gewalt an. Die Anklage stand im Zusammenhang mit der Berichterstattung des Senders über die Krawalle am 7. Juli 2008 und mit regierungskritischen Äußerungen, die Mitglieder einer Oppositionspartei in einer Fernsehsendung gemacht hatten. Das Strafgericht der ersten Instanz in Pointe-Noire befand ihn für schuldig und verurteilte ihn im August zur Zahlung einer Geldstrafe.

  • Gilbert Tsonguissa Moulangou, Mitglied der Partei Panafrikanische Union für Soziale Demokratie (Union Panafricaine pour la Démocratie Sociale – UPADS), wurde im Dezember 2008 festgenommen und inhaftiert, nachdem er bei einer Versammlung in Brazzaville aufgetreten war. Er hatte bei dem Treffen eine Videobotschaft eines führenden UPADS-Politikers gezeigt, der seit seiner Verurteilung zu 20 Jahren Gefängnis im Jahr 2001 im Ausland lebt. Die Videobotschaft enthielt kritische Äußerungen über die Regierung und Fraktionen der UPADS. Gegen Gilbert Moulangou wurde Anklage wegen Gefährdung der Staatssicherheit und Verbreitung von Falschinformationen erhoben. Ende 2008 befand er sich noch immer in Haft, ohne vor Gericht gestellt worden zu sein.

Inhaftierung und Misshandlung mutmaßlicher Randalierer

Während und nach den Krawallen im Zusammenhang mit der Beerdigung von Thystère Tchicaya am 7. Juli 2008 in Pointe-Noire wurden zahlreiche Menschen festgenommen, dabei handelte es sich vor allem um Jugendliche. Einige der Personen, die zunächst von Angehörigen der Sicherheitskräfte inhaftiert wurden, sollen geschlagen und auf andere Weise misshandelt worden sein. Unter ihnen war auch Sylvestre Guy Poaty, der Berichten zufolge im Polizeigewahrsam geschlagen wurde und am 19. Juli 2008 in einem Krankenhaus starb. Der ebenfalls festgenommene Sita Ndombet aus der DRK soll Opfer des "Verschwindenlassens" geworden sein, nachdem ihn Angehörige der Sicherheitskräfte aus dem Gefängnis abholten. Regierungsvertreter erklärten hingegen, er sei geflohen. Sein Aufenthaltsort war Ende des Jahres weiterhin unbekannt.

Nachdem führende Oppositionspolitiker und Menschenrechtsverteidiger hartnäckig die Freilassung der mutmaßlichen Randalierer gefordert hatten, erklärte der Justizminister am 16. Dezember 2008 im Fernsehen, die strafrechtliche Verfolgung dieser Menschen sei nicht mehr im Sinne des Staates. Mindestens 35 Personen, die sich noch in Haft befanden, wurden am 18. Dezember ohne Gerichtsverfahren aus der Haft entlassen.

Langzeithaft von Asylbewerbern ohne Gerichtsverfahren

Drei Asylsuchende aus der DRK, die Anfang 2004 inhaftiert worden waren, wurden nach wie vor ohne Anklage und Gerichtsverfahren in Gewahrsam des Militärgeheimdienstes gehalten. Bei ihrer Festnahme wurde Germain Ndabamenya Etikilome, Médard Mabwaka Egbonde und Bosch Ndala Umba vorgeworfen, für die DRK zu spionieren, doch wurden die drei Männer zu keinem Zeitpunkt formell irgendeines Vergehens angeklagt. Die Behörden machten keine Angaben darüber, warum sie nach wie vor ohne Anklage oder Verfahren festgehalten wurden.

Amnesty International: Mission

Delegierte von Amnesty International hielten sich im Juli im Land auf.

Weitere Artikel