Amnesty Report Estland 25. Mai 2009

Estland 2009

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Estland Staatsoberhaupt: Toomas Hendrik Ilves Regierungschef: Andrus Ansip Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 1,3 Mio. Lebenserwartung: 71,2 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 11/8 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 99,8%

Angehörige der nicht-estnischsprachigen Minderheiten wurden weiterhin in einigen Bereichen diskriminiert, vor allem auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungswesen. Migranten waren Drangsalierungen durch Behörden ausgesetzt und erlitten Angriffe durch extremistische Gruppen. Strafrechtliche Ermittlungen, die sich auf Vorwürfe wegen übermäßiger Gewaltanwendung durch Polizeikräfte bezogen, wurden eingestellt. Die Schikanen der Regierung gegenüber einer Menschenrechtsorganisation dauerten an.

Diskriminierung ethnischer Minderheiten

Im März 2008 legte der UN-Sonderberichterstatter über Rassismus den Bericht über seinen Besuch im September 2007 vor. Darin äußerte er sich besorgt über die Lebensbedingungen der russischsprachigen Minderheit in Estland. Er stellte vor allem auf dem Arbeitsmarkt ein hohes Maß an Diskriminierung fest. Die Arbeitslosigkeit war unter der russischsprachigen Minderheit fast doppelt so hoch wie unter den ethnischen Esten. Der Sonderberichterstatter drängte die Regierung, Maßnahmen zu ergreifen, um das Einbürgerungsverfahren für Staatenlose zu vereinfachen.

Die Regierung begann ihre "Neue Strategie zur Integration der Gesellschaft (2008 – 2013)" umzusetzen. Diese hat zum Ziel, die estnischen Sprachkenntnisse jener zu verbessern, die keine estnischen Muttersprachler sind. So sollen kostenlose Sprachkurse für Personen angeboten werden, die sich um die Staatsbürgerschaft bewerben, sowie für verschiedene Gruppen von Arbeitnehmern.

Die Estnischkenntnisse von Arbeitnehmern aus Minderheitengruppen wurden regelmäßig von der Sprachaufsichtsbehörde überprüft, einer staatlichen Einrichtung, deren Aufgabe es ist, die Umsetzung des Sprachengesetzes zu kontrollieren. Laut den im Jahr 2008 veröffentlichten Daten von 2007 erfüllten etwa 97% der Lehrer und Erzieher in den von der Sprachaufsichtsbehörde überprüften russischen Schulen und Kindergärten nicht die Anforderungen. Lokale Medien und Organisationen zeigten sich besorgt über den diskriminierenden Charakter der sprachlichen Anforderungen. Im Juni führte die Regierung neue sprachliche Anforderungen für einige Berufe im Privatsektor ein.

Rassismus und Diskriminierung von Migranten

In seinem Bericht vom März erwähnte der UN-Sonderberichterstatter über Rassismus, dass Migranten mit Diskriminierung konfrontiert und rassistisch motivierten Übergriffen ausgesetzt waren, vor allem durch Mitglieder extremistischer Organisationen wie etwa Neonazi-Gruppierungen. Der Sonderberichterstatter äußerte sich besorgt über Fälle, in denen Migranten von Polizeikräften, insbesondere von Grenzbeamten, drangsaliert wurden.

Im Dezember wurde ein Gleichbehandlungsgesetz eingeführt, das Klauseln gegen Diskriminierung in verschiedenen Bereichen vorsieht, darunter Arbeitsmarkt und Bildungswesen. Im Jahr 2007 hatte die Europäische Union das Land aufgefordert, die EU-Richtlinie über Rassengleichheit in nationales Recht umzusetzen.

Übermäßige Gewaltanwendung

Mitte 2008 stellten Polizei und Staatsanwaltschaft die strafrechtlichen Ermittlungen wegen des Verdachts der Misshandlung von Demonstranten und anderen Personen durch Polizisten auf einer Demonstration im April 2007 in der Hauptstadt Tallinn aus Mangel an Beweisen ein. Allerdings bestätigten die Ermittlungen in mindestens einem Fall, dass Menschen misshandelt worden waren. Es wurden jedoch keine Maßnahmen ergriffen, da die Täter unbekannt waren.

Im Februar legten sieben Personen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde mit der Begründung ein, dass sie rechtswidrig festgenommen und inhaftiert sowie unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt worden seien und die estnischen Behörden es ablehnen würden, hinsichtlich ihrer ungesetzlichen Festnahme und Inhaftierung Ermittlungen einzuleiten.

Menschenrechtsverteidiger

Im Juni veröffentlichte die Polizeibehörde ihren Jahresbericht. Darin erhob sie schwere Vorwürfe gegen das Juristische Informationszentrum für Menschenrechte (Legal Information Centre for Human Rights – LICHR), eine NGO, die sich für die Rechte von Angehörigen sprachlicher Minderheiten einsetzt. In dem Bericht hieß es, das LICHR werde von Russland dazu benutzt, wissenschaftliche Forschungen zu Propagandazwecken durchzuführen. Außerdem wurde dem LICHR angelastet, es wolle seine Finanzierung aus russischen Quellen verheimlichen. Diese Vorwürfe wurden weithin als ein Versuch der Regierung aufgefasst, das LICHR in ein schlechtes Licht zu rücken und dessen Bemühungen zu untergraben, die nötige finanzielle und gesellschaftliche Unterstützung zu finden, die es für seine Arbeit braucht.

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