Aktuell Tunesien 17. Juli 2023

EU/Tunesien: Verstärkte Migrationskooperation wird zu mehr Menschenrechtsverletzungen führen

Das Bild zeigt ein Motorboot, recht daneben ein kleineres Holzboot, in dem viele Menschen sitzen

Die tunesische Küstenwache stoppt ein Boot mit Schutzsuchenden nahe der tunesischen Hafenstadt Sfax (9. Juni 2023).

Die Europäische Kommission hat eine Absichtserklärung unterschrieben, die Tunesien unter anderem finanzielle und technische Unterstützung zusichert, um Migration nach Europa zu verhindern. Die EU-Staats- und Regierungschef*innen setzen damit einmal mehr auf eine gescheiterte Migrationspolitik, die auf einer groben Missachtung grundlegender Menschenrechtsstandards beruht.

Die Leiterin des Lobby-Bereichs im EU-Büro von Amnesty International, Eve Geddie, kommentierte das Abkommen wie folgt: 

"Dieses unkluge Abkommen, das trotz zunehmender Beweise für schwere Menschenrechtsverletzungen durch die tunesischen Behörden unterzeichnet wurde, wird zu einer gefährlichen Ausweitung der bereits gescheiterten Migrationspolitik führen. Es signalisiert, dass die EU das zunehmend repressive Verhalten des tunesischen Präsidenten und der Regierung akzeptiert.

Vor dem Hintergrund eskalierender Gewalt und Übergriffen gegen Migrant*innen aus Subsahara-Afrika durch die tunesischen Behörden zeigt die Entscheidung, dass aus früheren vergleichbaren Migrationskooperationen keine Lehren gezogen wurden. Damit macht sich die Europäische Union mitschuldig an dem Leid, das unweigerlich daraus entstehen wird. 

Während Tunesien und die Europäische Kommission die Absichtserklärung verhandelten und sich auf eine Unterzeichnung vorbereiteten, ließen die tunesischen Behörden Hunderte von Menschen, darunter auch Kinder, an den tunesischen Grenzen in der Wüste ausharren, zunächst ohne Wasser, Nahrung oder Unterkunft.

Indem sie ihre Politik und ihre finanziellen Mittel auf die Verhinderung von Migration und die Auslagerung von Grenzkontrollen konzentrieren, anstatt sichere und legale Wege in die EU auszubauen, setzen die EU-Staats- und Regierungschef*innen einmal mehr auf eine gescheiterte Politik, die auf einer groben Missachtung grundlegender Menschenrechtsstandards beruht." 

Tweet von Amnesty International:

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Hintergrund 

Die Absichtserklärung wurde von Olivér Várhelyi, Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, und Mounir Ben Rjiba, Staatssekretär des tunesischen Ministers für auswärtige Angelegenheiten, Migration und Tunesier*innen im Ausland, im Anschluss an ein Treffen zwischen der Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen, dem niederländischen Premierminister Mark Rutte, der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni und dem tunesischen Präsidenten Kais Saied am Sonntag in Tunesien unterzeichnet. Die Vereinbarung, Tunesien finanziell zu unterstützen, zielt darauf ab, Menschen daran zu hindern, nach Europa zu gelangen. Sie sieht vor, die Rückführung von Tunesier*innen ohne Aufenthaltstitel in Europa auszubauen und die Rückführung von Menschen anderer Nationalität aus Tunesien in Drittländer zu erleichtern. 

Die Vereinbarung wurde ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft ausgehandelt und es fehlen darin entscheidende Menschenrechtsschutzmechanismen. An der Pressekonferenz, welche die Staats- und Regierungschef*innen Tunesiens und der EU im Anschluss an die Einigung abhielten, durften keine Journalist*innen teilnehmen.  

Tunesiens Präsident Kais Saied hat seit der Suspendierung des Parlaments im Jahr 2021 nahezu alle Macht im Staat auf das Präsidentenamt übertragen. Die Behörden ermitteln gegen mindestens 72 Oppositionelle und andere vermeintliche Kritiker*innen des Präsidenten wegen verschiedener Tatvorwürfe und haben diese in einigen Fällen auch inhaftiert.

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