Pressemitteilung Aktuell Deutschland 14. Dezember 2023

Deutschland: Verschärfung des Berliner Polizeigesetzes bedroht Freiheitsrechte

Das Bild zeigt drei Polizist*innen auf einem Platz

Einsatzkräfte der Polizei auf dem Pariser Platz in Berlin (30. Oktober 2023)

Die heute vom Berliner Abgeordnetenhaus vorliegende Änderung des Berliner Polizeigesetzes bewertet Amnesty International als menschenrechtlich unzureichend. Die Menschenrechtsorganisation kritisiert die Ausweitung des Präventivgewahrsams, den Einsatz von Bodycams bei Ordnungswidrigkeiten sowie den unzureichend regulierten Gebrauch von Tasern.

Amnesty International kritisiert die für heute geplante Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) durch das Berliner Abgeordnetenhaus als menschenrechtlich unzureichend. Mit dem verschärften Polizeigesetz reiht sich Berlin in diejenigen Bundesländer ein, die in den vergangenen Jahren polizeiliche Befugnisse ausgeweitet haben. Besonders kritisiert die Menschenrechtsorganisation die Ausweitung des Präventivgewahrsams bei Ordnungswidrigkeiten und die damit zusammenhängende Einschränkung des Rechts auf Protest.

Die vorgesehenen  Änderungen ermöglichen, dass der Präventivgewahrsam nun noch einfacher bei Ordnungswidrigkeiten eingesetzt werden kann. Paula Zimmermann, Expertin für Meinungs- und Versammlungsfreiheit bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "Der Präventivgewahrsam war einmal als Mittel zur Terrorismusabwehr gedacht. Nun wird er weiter ausgeweitet bei Ordnungswidrigkeiten, bei denen zuvor eine Verwarnung oder ein Bußgeld ausreichte. Das lehnen wir entschieden ab.

Unsere Erfahrung ist: Präventivgewahrsam wurde in diesem Jahr bereits in Bayern, Berlin und NRW dazu missbraucht, unliebsamen Protest vor allem von Klimaaktivist*innen zu unterbinden. Damit wird nicht nur zivilgesellschaftlich notwendiger Protest aktiv verhindert, sondern es werden Menschenrechtsaktivist*innen abgeschreckt, überhaupt an Aktionen teilzunehmen. Das verstößt gegen das Recht auf Versammlungsfreiheit und steht einem Rechtsstaat nicht gut zu Gesicht."

Weiterhin sieht das verschärfte Berliner Polizeigesetz vor, Bodycams bei Ordnungswidrigkeiten einzusetzen – nicht nur von der Polizei, sondern auch von Feuerwehr- und Rettungskräften. Beate Streicher, Expertin für Polizei und Menschenrechte bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "Bodycams sollten ausschließlich bei Straftaten zum Einsatz kommen, nicht schon bei Ordnungswidrigkeiten. Denn Aufnahmen von Bodycams führen unter anderem zu Eingriffen in das Recht auf Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Wir begrüßen, dass auch Betroffene von polizeilichen Maßnahmen Polizist*innen auffordern können, Bodycams einzuschalten. Außerdem sollen Polizist*innen Bodycams beim Einsatz von Gewalt einschalten. Sinnvoller und auch rechtlich klarer wäre es jedoch gewesen, die Polizist*innen in dem Gesetz dazu umfassend zu verpflichten."

Das geänderte Gesetz erlaubt zudem, dass die Polizei Taser nutzt. Dazu Streicher: "Der Einsatz von Tasern kann Menschen schwer verletzen oder sogar töten, besonders, wenn Betroffene Vorerkrankungen haben, psychisch stark belastet sind oder Drogen konsumieren. Weil die Gefährlichkeit von Tasern regelmäßig unterschätzt wird, ist die Wahrscheinlichkeit für den Missbrauch hoch.

Eigentlich sollte der Einsatz von Tasern nur eine Alternative sein, wenn andernfalls der Tod durch Schusswaffen droht. Dies gewährleistet das Gesetz aber nicht, sondern erlaubt Tasern auch als Ersatz für Hiebwaffen."

Amnesty International bewertet es als problematisch, dass der Einsatz von Tasern keine spezielle Ausbildung vorsieht. Das Gesetz sieht außerdem keine ärztliche oder forensische Untersuchung getaserter Personen vor, ebenso wenig wie eine Dokumentations- und Veröffentlichungspflicht aller Einsätze. Amnesty International fordert den Berliner Senat auf, regelmäßig neu zu bewerten, ob der Tasereinsatz die hohen Risiken überwiegt.

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