Amnesty Report 24. November 2009

Frauenspezifische Verfolgung/Semiimmunität/Soziales

VERWALTUNGSSTREITVERFAHREN EINER ANGOLANERIN

Sehr geehrter Herr Georgen,

Ihre Fragen kann Amnesty International wie folgt beantworten:

Frauenspezifische Verfolgung

Zwar sichert die angolanische Verfassung Frauen die gleichen Rechte wie Männern zu, die gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen ist dennoch weit verbreitet. Trotzdem rechtlich die gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit vorgesehen ist, gehen Frauen zumeist niedrig dotierter Arbeit nach oder sind im informellen Sektor tätig.
Sexuelle Belästigung ist endemisch und nicht verboten. Jedoch können Fälle sexueller Belästigung unter dem Straftatbestand der Körperverletzung oder Verleumdung strafrechtlich verfolgt werden.

Dagegen gilt Vergewaltigung als Straftat und kann als solches mit bis zu acht Jahren Haft bestraft werden. Bislang wurden jedoch nur wenige Vergewaltigungstäter zur Rechenschaft gezogen. Ein Grund hierfür ist die breite Akzeptanz von Gewalt gegen Frauen innerhalb der Gesellschaft und der Sicherheitskräfte. Im Jahr 2007 wurden für Luanda 350 Vergewaltigungen dokumentiert (2008 Human Rights Report: Angola; http://www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2008/af/118985.htm). Im Jahr 2007 wurden Tausende kongolesische Migranten von Angola in die Demokratische Republik Kongo ausgewiesen. Im Zuge der Vollziehung der Ausweisungen durch das angolanische Militär wurden mehrere kongolesische Frauen von Militärangehörigen vergewaltigt (Amnesty Report 2008 Angola; http://www.amnesty.de/jahresbericht/2008/angola?destination=node%2F2874).

Die Polizei verfügt fast ausschließlich über männliche Beamte. Aus Scham und Angst schrecken viele Frauen davor zurück, männlichen Polizisten von der Vergewaltigung zu berichten und Anzeige zu erstatten. Justiz- und Innenministerium sind derzeit bemüht, die Anzahl weiblicher Beamtinnen im Polizeidienst zu erhöhen, um Vergewaltigungsopfern besser begegnen zu können.

Vor allem in ländlichen und verarmten Gegenden sind Frauen besonders anfällig für Anschuldigungen der Hexerei. In der Folge kann es zu Tötungen oder Misshandlungen der beschuldigten Frauen kommen. Aus Angst davor, dass die Frauen der Polizei gegenüber Hexerei anwenden, bleibt die Polizei in solchen Fällen häufig untätig.
Existenzielle Gefährdung und soziale Gegebenheiten

Die Lebensumstände in Angola sind noch immer schlecht. Die zum Teil komplett zerstörte Infrastruktur innerhalb Angolas führt dazu, dass einige Regionen von Nahrungsmittelhilfe, Gesundheitsversorgung, Sanitärsystemen oder Investitionen in Gänze abgeschnitten sind. Zu diesen Regionen gehören vor allem Luanda Norte, Malanje, Moxico, Kubango, Kuando, Bié, Cabinda und Uíge. Laut UNHCR sind 2,7 Mio. Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen (UNHCR Position on Return of Rejected Asylum Seekers to Angola; http://www.unhcr.org/cgi-bin/texis/vtx/refworld/rwmain?docid=4020db6c4&page=search). In der Hauptstadt Luanda ist zumindest eine minimale Versorgung mit Lebensmitteln gegeben. Bedenklich sind vor allem die Lebensumstände von Rückkehrern ohne familiäre Bindungen, die daher auch keine familiäre Unterstützung erhalten.

Die Wohnsituation in Angola ist prekär. In ganz Angola gibt es eine hohe Arbeitslosenquote (mehr als die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung ist arbeitslos), eine hohe Armutsrate und große Wohnungsknappheit. Es existiert eine große Diskrepanz zwischen Einkommen und Mietausgaben, die zu vermehrter Ansiedlung in Slums oder illegalen Wohneinheiten führt. Personen, die sich in diesen Wohngebieten ansiedeln, sind dem Risiko der entschädigungslosen Zwangsvertreibung ausgesetzt. Nach Informationen von Amnesty International wurden im Oktober 2008 beispielsweise in Luanda-Iraque 17 Familien vertrieben, deren Häuser von einem Bauunternehmen abgerissen wurden (Amnesty Report 2009 Angola; http://www.amnesty.de/jahresbericht/2009/angola-0?destination=node%2F2874).
Ein staatliches soziales Sicherungssystem gibt es nicht. Alleinstehende Frauen stehen vor allem in den ländlichen Gebieten vor zusätzlichen Schwierigkeiten. In einigen Gemeinden ist es Frauen traditionell untersagt, eigenes Land zu besitzen und dieses zu kultivieren.

Es gibt einige Organisationen und Programme, die Rückkehrer in Angola unterstützen. Die Anzahl dieser Institutionen ist jedoch gering und die Dauer der Unterstützung beschränkt. Zu diesen Organisationen gehören die Caritas und die Internationale Organisation für Migration.

Verlust von Semiimmunität

Generell ist das Risiko, in Angola an Malaria zu erkranken oder zu sterben, im Vergleich zu Deutschland ungleich höher. Es ist wahrscheinlich, dass die Semiimmunität bei einem längeren Aufenthalt in Deutschland zum Teil verloren gegangen ist. Außerdem kann angenommen werden, dass das Baby über keine aktive Semiimmunität verfügt. Bei Verlust der Semiimmunität erhöht sich das Risiko der Erkrankung, d.h., dass bei einer Malariainfektion die gesundheitlichen Folgen der Erkrankung für einen Menschen, der keine Semiimmunität besitzt, deutlich stärker ausgeprägt sind. Für eine Heilung der Krankheit sind eine rechtzeitige Diagnose und eine Behandlung mit entsprechenden Medikamenten erforderlich.

Einer Malariainfektion kann durch die regelmäßige Einnahme prophylaktischer Medikamente (Chemoprophylaxe) vorgebeugt werden. Eine dauerhafte medizinische Versorgung zur Vorbeugung oder Behandlung von Malaria gestaltet sich in Angola weitgehend schwierig. Die medizinische Versorgungslage außerhalb Luandas und der Provinzstädte ist sehr schlecht und in den bereits oben erwähnten Gebieten überwiegend nicht vorhanden (http://www.auswaertigesamt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Angola/Sicherheitshinweise.html). Insgesamt haben weniger als 30% der angolanischen Bevölkerung Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung (Operational Guidance Note Angola; http://www.unhcr.org/refworld/category,POLICY,,,,4a24e9640,0.html).

Medikamente sind im Allgemeinen in Apotheken erhältlich und verfügbar. Allerdings sind diese für die Mehrheit der Bevölkerung unerschwinglich.

Wir hoffen, Ihnen mit dieser Auskunft weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen

Franziska Ulm
Fachreferentin für Afrika

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