Bedroht und schikaniert: Filmschaffende im Iran
Februar 2012 - Filmschaffende sind im Iran in den letzten Jahren verstärkt zur Zielscheibe von Unterdrückung und Repressalien geworden. Ihre Arbeit unterliegt einer strengen Zensur. Regisseure, Schauspieler und andere Filmschaffende, deren Filme sich kritisch mit den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen im Iran auseinandersetzen, mit Berufs- und Ausreiseverboten belegt, willkürlich inhaftiert und zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.
Einige von ihnen mussten ihre Haftstrafen in der Vergangenheit zwar nicht antreten. Aber das Risiko der Vollstreckung der rechtskräftigen Urteile hängt wie ein Damoklesschwert über ihnen. Ein prominentes Beispiel ist der Regisseur Ja’far Panahi, der 2011 aufgrund eines Ausreiseverbots nicht wie geplant seinen Platz in der Berlinale-Jury einnehmen konnte. Bei dem Filmfestival blieb sein Stuhl daraufhin demonstrativ leer.
Der Druck auf Filmschaffende steigt
Iranische Regisseure: Mohammad Rasoulof, Ja'far Panahi und Mojtaba Mir Tahmasb
© Centre Culturel Pouya
Seit 2011 werden Mitarbeiter der iranischen Filmindustrie verstärkt unterdrückt und schikaniert. Sie laufen zunehmend Gefahr, festgenommen und ins Gefängnis überstellt zu werden. So wurden die Dokumentarfilmer und Regisseure Hadi Afarideh, Naser Saffarian, Mohsen Shahrna Zdar, Mojtaba Mir Tahmasb und Mehran Zinatbakhsh sowie die Filmproduzentin Katayoun Shahabi Mitte September festgenommen und inhaftiert. Kurz vor den Festnahmen hatte das persische Programm der BBC einen Dokumentarfilm über den Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei ausgestrahlt. Die fünf inhaftierten Filmschaffenden hatten Teile ihrer Arbeit an die BBC verkauft.
Bis Ende 2011 wurden die sechs nach und nach freigelassen. Am 25. September gab der Geheimdienst jedoch im staatlichen Fernsehen bekannt, dass weitere Personen zur Befragung vorgeladen worden seien, die der Zusammenarbeit mit dem persischen BBC-Programm verdächtigt würden. Auch im Iran lebende Familienmitglieder und Freunde von BBC-Mitarbeitern in Großbritannien wurden von den Behörden schikaniert.
Weitere Instrumente der Isolierung und Repression sind die Verhängung von Ausreiseverboten und die Konfiszierung von Reisepässen. Regisseure, Produzenten und Schauspieler werden immer wieder an der Teilnahme an Filmfesten im Ausland gehindert. So wurde erst Anfang November 2011 der Reisepass des 70-jährigen Filmemachers Bahman Farmanara beschlagnahmt, als er plante, ein
Filmfestival im Ausland zu besuchen.
Bereits im Januar 2010 verboten die Behörden den Iranern den Kontakt zu über 60 ausländischen Institutionen – darunter Medien wie BBC und Voice of America, aber auch zu verschiedenen Menschen-rechtsorganisationen, die ihren Sitz im Ausland haben. Damit versucht die iranische Regierung, kritische Stimmen im Land zu unterdrücken und die Bevölkerung von der Außenwelt abzuschotten.
Am 5. Januar 2012 wurde das regierungsunabhängige "Iranische Haus des Kinos", welches seit 20 Jahren als Berufsverband für die Filmindustrie operiert, auf Anordnung des Ministers für Kultur und Islamische Orientierung geschlossen. Zuvor hatte der Verband Kritik an der Verhaftung einiger seiner Mitglieder geübt.
Filmschaffende in Gefahr
Iranian Actress Marzieh Vafamehr
© Centre Culturel Pouya
Die Schauspielerin Marzieh Vafamehr wurde im Juni 2011 festgenommen und vor Gericht gestellt. Grund war ihre Rolle im Film "My Tehran for Sale", in dem sie in einer Szene ohne die im Iran für Frauen vorgeschriebene Kopfbedeckung zu sehen ist. In einer anderen Szene trinkt sie scheinbar Alkohol, was im Iran verboten ist. Obwohl ihr Ehemann in Interviews aussagte, dass seine Frau beim Dreh des Films keinen Alkohol getrunken habe, wurde Marzieh Vafamehr zu einem Jahr Gefängnis und 90 Peitschenhieben verurteilt. Ein Berufungsgericht reduzierte die Haftstrafe auf drei Monate und hob die Körperstrafe offenbar auf. Am 24. Oktober wurde Marzieh Vafamehr aus dem Gefängnis entlassen.
Im Dezember 2010 verurteilte ein iranisches Gericht die international bekannten Regisseure Ja’far Panahi und Mohammed Rasoulof wegen "Propaganda gegen das System" zu jeweils sechs Jahren Haft. Gegen Ja’far Panahi wurde zusätzlich für 20 Jahre ein Berufsverbot verhängt. Außerdem wurde ihm der Kontakt zu den Medien verboten.
Ja’far Panahi darf das Land seitdem nicht verlassen und konnte nicht, wie geplant, als Juror an der Berlinale 2011 teilnehmen. Beide Regisseure legten Berufung gegen ihre Verurteilung ein: Im Oktober 2011 wurde die Haftstrafe gegen Mohammed Rasoulof auf ein Jahr reduziert, die gegen Ja’far Panahi verhängten Strafen wurden jedoch bestätigt. Beide Regisseure sind gegenwärtig frei, die Haftstrafen können aber jederzeit vollstreckt werden. Ja’far Panahi darf seiner Arbeit nach wie vor nicht nachgehen. Auch das Ausreiseverbot gilt weiterhin.
Der Dokumentarfilmer Mojtaba Mir Tahmasb wurde am 17. September 2011 festgenommen und inhaftiert. Er hatte einen 75-minütigen Film über das Leben des Regisseurs Ja’far Panahi (s.o.) gedreht. Der Film "This is not a Film" zeigt das Leben Ja’far Panahis nach seiner Verurteilung und der Verhängung des Berufsverbots. Mojtaba Mir Tahmasb wurde am 10. Dezember 2011 nach 84 Tagen im Gefängnis – darunter 32 Tage Einzelhaft – freigelassen.
Kurz vor seiner Festnahme war der Reisepass von Mojtaba Mir Tahmasb konfisziert worden, so dass er nicht zur Premiere seines Films nach Europa fliegen konnte. Seine Frau reiste daher an seiner Stelle. Als sie in den Iran zurückkehrte, fand sie ihr Haus verwüstet vor. Es war offenbar von Sicherheitskräften durchsucht worden.
Amnesty International fordert die iranischen Behörden auf,
■ alle Filmschaffenden, die wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert sind, sofort und bedingungslos frei und alle Anklagen mit diesem Vorwurf fallen zu lassen;
■ die gegen die beiden Regisseure Ja’far Panahi und Mohammed Rasoulof verhängten Freiheitsstrafen sowie das Berufsverbot und die Ausreisesperre gegen Ja’far Panahi umgehend aufzuheben;
■ allen im Iran lebenden Menschen das Recht einzuräumen, ihre Meinung zu äußern.
Setzen Sie sich ein für iranische Filmschaffende ein und unterschreiben Sie jetzt die Online-Petition!