Simbabwe: Gesetzentwurf gefährdet NGOs

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Zeichnung eines Buchs mit Paragraph-Symbol auf dem Cover

Am 5. November 2021 gab die Regierung von Simbabwe amtlich den Entwurf einer Gesetzesnovelle zu privaten Freiwilligenorganisationen bekannt, um Terrorismus zu bekämpfen und politische Lobbyarbeit durch Nichtregierungsorganisationen zu verbieten. Nach öffentlichen Konsultationen und Stellungnahmen verschiedener Interessengruppen wurde im Juni 2022 ein geänderter Entwurf vorgelegt. Er stellt eine erhebliche Veränderung der ursprünglichen Fassung dar, lässt die Bedenken der Zivilgesellschaft außer Acht und enthält strengere und repressivere Bestimmungen. Sollte der Gesetzentwurf verabschiedet werden, droht ein hartes Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft und Organisationen, die Menschenrechtsverletzungen aufdecken und von der Regierung Rechenschaftspflicht einfordern. Die Arbeit dieser Organisationen würde kriminalisiert und mit Strafmaßnahmen bis hin zu Gefängnis für Mitarbeiter*innen geahndet.

Appell an

Professor Paul Mavima
Minister of Public Service, Labor and Social Welfare
9th Floor, Kaguyi Building
Corner S.V Muzenda Street and Central Avenue
Causeway
Harare
SIMBABWE

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Simbabwe
I.E. Frau Alice Mashingaidze
Kommandantenstraße 80
10117 Berlin
Fax: 030-2045 5062
E-Mail: infor@zimembassyberlin.com

Sachlage

Eine derzeit im Parlament von Simbabwe diskutierte Gesetzesnovelle für private Freiwilligenorganisationen (Private Voluntary Organisations – PVOs) gibt Anlass zur Sorge. Der Gesetzentwurf wurde erstmals am 5. Oktober 2021 von der Regierung vorgelegt, um "Terrorismus zu bekämpfen" und private Lobbyarbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu verbieten. Im Anschluss an öffentliche Konsultationen und Stellungnahmen verschiedener Interessengruppen wurden im Juni 2022 weitere Änderungen vorgelegt. Die jüngsten Änderungen stellen eine ernsthafte Bedrohung für die wichtige Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen dar, die Menschenrechtsverletzungen aufdecken, von der Regierung Rechenschaftspflicht einfordern und dafür sorgen, dass die Rechte der Menschen in Simbabwe geachtet, geschützt, gefördert und gewahrt werden. Die vorgeschlagenen Änderungen sehen zusätzliche, übermäßig strenge straf- und zivilrechtliche Sanktionen für private Freiwilligenorganisationen vor, die gegen die Bestimmungen verstoßen, sowie eine individuelle Haftung für Vorstände, Mitarbeiter*innen und Manager*innen von privaten ehrenamtlichen Organisationen und alle Personen, die an der Führung einer PVO beteiligt sind, auch Personen aus der Zivilgesellschaft. Nach dem Gesetzentwurf werden die Entscheidungsbefugnisse zentral an die registerführende Stelle übertragen. Diese hat dann die Möglichkeit, Organisationen, die in der Vergangenheit angegriffen und von der Regierung kritisiert wurden, aus dem Register zu streichen bzw. ihnen die Registrierung zu verweigern.

Zudem wurden im Juni 2022 weitere weitreichende und maßgebliche Änderungen vorgelegt, die in dem ursprünglichen Gesetzentwurf, zu dem der Parlamentsausschuss für den öffentlichen Dienst, Arbeit und Soziales die Öffentlichkeit konsultiert hat, nicht enthalten waren. Diese wesentlichen Änderungen bedürfen einer öffentlichen Konsultation.

Sollte der derzeit im Parlament diskutierte Gesetzentwurf verabschiedet werden – die nächste Sitzung ist für den 20. und 21. August anberaumt –, würde dies eine schwerwiegende Verletzung der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit darstellen und die Arbeit der Zivilgesellschaft stark einschränken, da die Möglichkeit bestünde, einige Organisationen zu schließen, die sich für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte einsetzen und von der Regierung Rechenschaft für ihr Handeln fordern.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 31. August 2021 genehmigte die Regierung Simbabwes vom Minister für Justiz-, Rechts- und Parlamentsangelegenheiten vorgeschlagene Änderungen des Gesetzes zu privaten Freiwilligenorganisationen. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen stießen angesichts der herrschenden Lage und Erfahrungen aus der Vergangenheit auf breite Skepsis. Simbabwe befindet sich angesichts wichtiger Wahlen im Juli 2023 bereits im Wahlkampfmodus. Die Bestimmungen des PVO-Gesetzentwurfs sind im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Situation zu betrachten. Insgesamt haben Auseinandersetzungen nach den Wahlen, eine kollabierende Wirtschaft und weit verbreitete, durch eine schlechte Wirtschaftspolitik und Sparmaßnahmen verursachte wirtschaftliche Not zu wachsenden Spannungen im Land geführt. NGOs wurden zu Unrecht bezichtigt, sich in politische Angelegenheiten zu mischen und die Bevölkerung gegen die Regierungspartei aufzuhetzen.

Am 29. Juni 2021 erließ der Entwicklungskoordinator der Regierungspartei in der Provinz Harare eine Anweisung, dass NGOs ihre operativen Strategien zur Überprüfung und Genehmigung vorlegen müssen. Er wies die Polizei an, alle festzunehmen, die sich weigern würden, und drohte damit, NGOs zu verbieten, die ihre Strategien nicht vorlegen. Zivilgesellschaftliche Kräfte stellten die Rechtmäßigkeit dieser Anordnungen daraufhin in Frage, und im September 2021 entschied das Hohe Gericht, dass die Anweisung rechtswidrig war.

Die Regierung hat auch den Erlass eines "Patriotischen Gesetzes" in Erwägung gezogen. Ein Abgeordneter der Regierungspartei ZANU PF, Hon Pupurai Togarepi, der den Antrag auf Ausarbeitung eines patriotischen Gesetzes durch die Regierung unterstützt hat, sagte Folgendes: "Zivilgesellschaftliche Organisationen, die von ihrer eigentlichen Aufgabe abweichen und Aktivitäten unterstützen, die zu einer Destabilisierung des simbabwischen Volkes führen ... Die Menschen kommen in unser Land und behaupten, sie seien eine soziale Organisation, dabei haben sie politische Ziele ... Wer eine Kampagne gegen Simbabwe geführt hat, sollte eigentlich gesetzlich daran gehindert werden, ein öffentliches Amt zu bekleiden, weil er die Menschen, um die er sich kümmern will, getötet hat."

2004 gab es erstmalig einen Versuch, NGOs durch das "Gesetz für Nichtregierungsorganisationen" zu regulieren. Der Gesetzentwurf wurde zwar vom Parlament verabschiedet, aber vom damaligen Präsidenten Robert Mugabe nie unterzeichnet und deshalb nicht rechtskräftig. Die Initiative für das NGO-Gesetz entstand unter ähnlichen Umständen. Bis heute haben sich diese Umstände nicht geändert: Sprecher*innen der Zivilgesellschaft werden weiterhin ins Visier genommen und beschuldigt, das Image des Staates durch die Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen zu beschädigen oder "westliche" Interessen zu vertreten, wenn sie die Behörden zur Achtung und zum Schutz der Menschenrechte auffordern.

Der Entwurf des PVO-Gesetzes fasst alle unter verschiedenen Gesetzen registrierten zivilgesellschaftlichen Organisationen unter einem Gesetz zusammen. Seine Bestimmungen deuten auf einen Versuch hin, die als "regierungsfeindlich" empfundene Zivilgesellschaft zu kontrollieren und auszuschalten. Das neue Gesetz zielt darauf ab, das Tätigkeitsspektrum zivilgesellschaftlicher Organisationen einzuschränken. Dies könnte dazu führen, dass die uneingeschränkte Beteiligung der Bevölkerung Simbabwes an den bevorstehenden Wahlen grundlegend beeinträchtigt und somit ihre verfassungsmäßig garantierten bürgerlichen und politischen Rechte verletzen werden könnten. Der Gesetzentwurf enthält vage Bestimmungen, wonach die Unterstützung oder Ablehnung politischer Parteien oder Kandidat*innen verboten ist. Unklar ist jedoch, was unter der Unterstützung oder Ablehnung einer politischen Partei zu verstehen ist. Zivilgesellschaftliche Organisationen, d. h. Organisationen, die im Vorfeld von Wahlen sehr wichtige Sicherheitsnetze für politische Akteur*innen bereitstellen, sei es durch rechtlichen Beistand, sozialmedizinische Hilfe, in Form der Aufklärung von Wähler*innen und der Mobilisierung neuer Wähler*innen oder durch Wahlbeobachtung und/oder -überwachung, gelten nach dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf als "politisch" und befürchten, dass ihre Aktivitäten als Unterstützung für politische Parteien missverstanden werden könnten.

Zivilgesellschaftliche Akteur*innen haben mündliche und schriftliche Stellungnahmen vorgelegt, darunter eine "Konsolidierte Analyse zivilgesellschaftlicher Organisationen zum PVO-Gesetz", in der sie dem Rechtsausschuss des Parlaments und dem Parlamentsausschuss für den öffentlichen Dienst ihre Bedenken darlegen. Am 11. April 2022 kamen Sprecher*innen der Zivilgesellschaft in einer Konsultationssitzung mit dem Justizminister zusammen, und der Justizminister erklärte sich vor dem Parlament bereit, verschiedene Änderungen vorzunehmen. Die Änderungen, die der Minister für den öffentlichen Dienst, Arbeit und Soziales dem Parlament vorgelegt hat, sind noch weitergehender als der erste Entwurf. Sie sehen zusätzliche, übermäßig strenge straf- und zivilrechtliche Sanktionen für private Freiwilligenorganisationen vor, die gegen die Bestimmungen verstoßen, sowie eine individuelle Haftung für Vorstände, Mitarbeiter*innen und Manager*innen von privaten Freiwilligenorganisationen und alle Personen, die an der Führung einer PVO beteiligt sind, auch aus der Zivilgesellschaft.