Amnesty Report 01. Juni 2016

Guinea 2016

 

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl wurden Demonstrationen von den Behörden verboten. Zudem gingen die Sicherheitskräfte regelmäßig mit exzessiver Gewalt gegen Demonstrierende vor. Es kam nach wie vor zu willkürlichen Festnahmen, auch von Angehörigen der Opposition. Frauen und Männer wurden wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung festgenommen. Menschenrechtsverletzungen zogen nach wie vor keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich.

Hintergrund

Präsident Alpha Condé wurde im Oktober 2015 mit 57,8% der Stimmen im Amt bestätigt. Die Opposition focht das Wahlergebnis wegen vermeintlicher Unregelmäßigkeiten an. Im Zusammenhang mit den Wahlen kam es im gesamten Jahr zu Vorfällen, bei denen durch Gewalt zwischen Anhängern von Oppositionsparteien und gewaltsame Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften mindestens 20 Menschen starben und Hunderte verletzt wurden.

Internationale Kontrolle

Im Januar 2015 wurde die Menschenrechtslage in Guinea im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat untersucht. Dabei wurden einige Bedenken geäußert, u. a. hinsichtlich der Beschränkungen des Rechts auf friedliche Versammlung, des exzessiven Gewalteinsatzes bei der Auflösung von Protesten und einer Kultur der Straflosigkeit in den Reihen der Sicherheitskräfte. Guinea lehnte Empfehlungen zur Abschaffung der Todesstrafe und zur Entkriminalisierung einvernehmlicher sexueller Beziehungen zwischen gleichge-schlechtlichen Personen ab.

Exzessive Gewaltanwendung

Während des Wahlkampfs starben mindestens 20 Personen bei gewaltsamen Zusammenstößen, mindestens die Hälfte von ihnen wurde von Sicherheitskräften getötet. Weitere Personen – darunter auch Kinder – wurden durch scharfe Munition, missbräuchlichen Ausrüstungsgebrauch durch Sicherheitskräfte oder bei Unfällen mit Fahrzeugen der Sicherheitskräfte verletzt. Im Mai 2015 wurden in Hamdallaye in der Region Boké drei Journalisten von Polizisten geschlagen.

Im Juni 2015 verabschiedete die Nationalversammlung einen Gesetzentwurf zum Schutz der öffentlichen Ordnung, der regelt, wann Sicherheitskräfte bei Protesten Gewalt einsetzen dürfen. Der Gesetzentwurf könnte das Recht auf friedliche Versammlung einschränken: Spontane öffentliche Versammlungen wären verboten, und nach wie vor wären die Sicherheitskräfte befugt, eine eigentlich friedliche Protestveranstaltung aufzulösen, wenn sie vermuten, dass mindestens ein Teilnehmer eine Waffe mit sich führt. Diese Bestimmungen könnten dazu benutzt werden, friedliche Proteste zu verbieten bzw. zu unterdrücken.

Willkürliche Inhaftierungen

Mitglieder von Oppositionsparteien sowie Gewerkschaftsmitglieder und andere Menschen, die abweichende Meinungen äußerten, wurden im Vorfeld der Wahlen willkürlich in Haft genommen. Der Gewerkschaftsführer und pensionierte Militärangehörige Jean Dougo Guilavogui wurde am 19. September 2015 in der guineischen Hauptstadt Conakry festgenommen und bis zur Anklageerhebung am 25. September inhaftiert, ohne den Justizbehörden vorgeführt worden zu sein. Die lange Inhaftierung verstieß gegen Völkerrecht und nationales Recht. Im Oktober 2015 wurden vier weitere Gewerkschaftsmitglieder festgenommen. Sie wurden alle wegen "Missachtung des Staatsoberhaupts" und "Verleumdung" angeklagt. Zum Jahresende befanden sie sich noch immer in Haft.

Im Mai 2015 erklärte die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen, dass die Inhaftierung von General Nouhou Thiam, Adjutant Mohamed Kaba, Leutnant Mohamed Condé, Oberst Saadou Diallo und Leutnant Kémo Condé willkürlich sei. Die Männer waren im Jahr 2011 nach einem Angriff auf die Residenz von Präsident Condé festgenommen worden. Die Arbeitsgruppe appellierte an Guinea, die Männer freizulassen. Auch sie waren Ende des Jahres nach wie vor im Gefängnis.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgeschlechtlichen und Intersexuellen

Paragraph 325 des Strafgesetzbuchs stellt einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen gleichgeschlechtlichen Personen unter Strafe. Mindestens drei Personen wurden wegen ihrer vermeintlichen sexuellen Orientierung festgenommen. Zwei am 22. April 2015 in Conakry festgenommene Männer wurden im Mai 2015 vom Gericht Mafanco in Conakry zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Straflosigkeit

Die Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Massaker im Stadion Grand Stade de Conakry im Jahr 2009 wurden fortgesetzt. Sicherheitskräfte hatten damals über 100 friedliche Demonstrierende getötet und mindestens 1500 weitere Frauen und Männer verletzt. Zahlreiche Frauen waren vergewaltigt worden, andere fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer. Gegen den damaligen Chef der Militärjunta Moussa Dadis Camara wurde im Juli 2015 Anklage erhoben. Der damalige Minister für öffentliche Sicherheit und Zivilschutz Mamadouba Toto Camara war bereits im Juni 2015 angeklagt worden.

Andere von Angehörigen der Sicherheitskräfte begangene Menschenrechtsverletzungen wurden nach wie vor nicht geahndet. Die Bemühungen, Gendarmen und Polizisten vor Gericht zu bringen, die im Verdacht standen, von 2011 bis 2015 für die exzessive Gewaltanwendung gegen friedliche Demonstrierende verantwortlich zu sein und dabei Menschen verletzt und getötet zu haben, blieben erfolglos.

Es wurden keine Ermittlungen gegen die Angehörigen der Polizei, der Gendarmerie und der Armee eingeleitet, die im September 2014 in Womey in der Region N’Zérékoré an systematischen Plünderungen und der Verseuchung von Wasserquellen beteiligt gewesen waren. Die Sicherheitskräfte waren in die Region entsandt worden, nachdem in Womey sieben Mitglieder einer Delegation zur Aufklärung der Bevölkerung über das Ebola-Fieber sowie eine unbeteiligte Person getötet worden waren. Mehrere von den Sicherheitskräften festgenommene Personen berichteten, dass sie gefoltert wurden. Mindestens sechs Frauen wurden vergewaltigt, als sie versuchten, in ihr Dorf zurückzukehren, um dort Lebensmittel und Wertgegenstände zu holen. Ein Inhaftierter starb im Dezember 2014, ein weiterer im Mai 2015. Im April 2015 verurteilte das Gericht in N’Zérékoré elf Dorf-bewohner wegen Mordes zu lebenslanger Haft.

Im März 2015 vertagte das Schwurgericht in Kankan den Prozess gegen vier Angehörige der Sicherheitskräfte, die angeklagt waren, während eines Streiks in der Mine von Zogota im Jahr 2012 sechs Menschen getötet zu haben. Die Angeklagten waren nicht zur Verhandlung erschienen.

Einwohner der Ortschaft Saoro in der Region N’Zérékoré reichten im Juni 2015 vor dem Gerichtshof der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) Klage ein. Sie machten geltend, dass die Behörden Guineas keine Anstrengungen zur Strafverfolgung von Sicherheitskräften unternahmen, denen zur Last gelegt wurde, im Jahr 2011 Dorfbewohner, die damals gegen die rechtswidrige Zwangsräu-mung ihrer Häuser protestierten, willkürlich festgenommen sowie gefoltert, vergewaltigt und rechtswidrig getötet zu haben.

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