Amnesty Report Russische Föderation 20. Mai 2010

Russland 2010

 

Amtliche Bezeichnung: Russische Föderation Staatsoberhaupt: Dmitri Medwedew Regierungschef: Wladimir Putin Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft Einwohner: 140,9 Mio. Lebenserwartung: 66,2 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 18/14 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 99,5%

Menschenrechtsverteidiger, Rechtsanwälte und Journalisten wurden bedroht und tätlich angegriffen, einige wurden getötet. Es herrschte bezüglich dieser Fälle ein Klima der Straflosigkeit, das die Täter vor Verfolgung schützte, zumal die Polizei nicht sorgfältig ermittelte. Aus dem Nordkaukasus wurden 2009 verstärkt Menschenrechtsverstöße gemeldet. Mutmaßliche Straftäter sollen in einigen Fällen gefoltert und misshandelt worden sein, um Geständnisse zu erzwingen. Die Menschenrechtsverletzungen der russischen Streitkräfte während des Konflikts mit Georgien im August 2008 wurden von den Behörden nicht gründlich untersucht. Es gab weiterhin Befürchtungen, dass Gerichtsprozesse nicht den Standards für faire Verfahren entsprachen. Regierungsvertreter bezogen zwar öffentlich gegen Rassismus Stellung, dennoch gab es wiederholt rassistisch motivierte Übergriffe. Im November sprach sich das Verfassungsgericht dafür aus, die Todesstrafe völlig abzuschaffen.

Hintergrund

Die Regierung kündigte an, die Korruption bekämpfen zu wollen. Nach öffentlicher Kritik an Polizeiübergriffen ordnete Präsident Dmitri Medwedew im Dezember eine Reform des Innenministeriums an. Im Februar bewertete der UN-Menschenrechtsrat die Menschenrechtslage in der Russischen Föderation im Rahmen der universellen regelmäßigen Überprüfung. Dabei boten die jüngsten Morde an Journalisten, die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz, Extremismus und rassistisch motivierte Gewalt sowie die Lage im Nordkaukasus Anlass zu Besorgnis.

Unsichere Lage im Nordkaukasus

Auch 2009 trafen aus Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan Berichte über widerrechtliche Tötungen, außergerichtliche Hinrichtungen, exzessive Gewaltanwendung, Fälle von "Verschwindenlassen", Folter und andere Misshandlungen im Gewahrsam sowie willkürliche Inhaftierungen ein. Bewaffnete Gruppen waren für die Tötung von Vertretern der Staatsorgane verantwortlich. Bei Selbstmordattentaten kamen Angehörige der Polizeikräfte und Zivilisten ums Leben. Opfer von Menschenrechtsverstößen, die ihr Recht einforderten, mussten mit Repressalien rechnen.

Tschetschenien Im April kündigte die russische Regierung an, die Antiterrormaßnahmen zu beenden, doch trafen weiterhin Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen ein, insbesondere über Fälle von "Verschwindenlassen". Es gab noch immer keine vollständige Liste derjenigen Personen, die seit 1999 dem "Verschwindenlassen" zum Opfer gefallen waren. Die Behörden ließen einige Massengräber untersuchen. Dies war jedoch wenig effektiv, da die Untersuchungen nicht systematisch erfolgten und es an der notwendigen gerichtsmedizinischen Ausrüstung mangelte. Zahlreiche Flüchtlingsfamilien wurden aus ihren Behelfsunterkünften vertrieben und erhielten weder eine andere Unterkunft noch eine Entschädigung. Es gab Berichte, wonach Eigentum von Familien mutmaßlicher Mitglieder bewaffneter Gruppen zerstört wurde.

Zu zahlreichen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) festgestellten Menschenrechtsverletzungen führten die russischen Behörden keine ernsthaften Ermittlungen durch. Wer sich wegen Menschenrechtsverletzungen an den EGMR wandte, musste mit Schikanen und Einschüchterungsversuchen rechnen.

  • Im Juli 2009 wurde Natalia Estemirowa vom Menschenrechtszentrum Memorial in Grosny auf der Straße vor ihrem Haus entführt und ermordet. Noch am selben Tag wurde ihr mit Schusswunden übersäter Körper in der benachbarten Republik Inguschetien aufgefunden.

  • Im August 2009 wurden in einem Vorort von Grosny im Kofferraum eines Fahrzeugs die Leichen der Menschenrechtsverteidigerin Sarema Sadulajewa und ihres Mannes Alik (Umar) Dschabrailow gefunden. Sie waren beide erschossen worden. Sarema Sadulajewa war Vorsitzende der örtlichen Hilfsorganisation "Rettet die nächste Generation" gewesen. Diese engagiert sich für Kinder, die während des bewaffneten Konflikts in Tschetschenien verletzt wurden. Die Behörden erklärten im Oktober, die Entführung habe Alik Dschabrailow gegolten, doch seine Frau habe darauf bestanden, mit ihm zu gehen.

  • Im Oktober 2009 wurde die Mitarbeiterin einer dänischen Flüchtlingsorganisation, Sarema Gaisanowa, aus ihrer Wohnung in Grosny entführt. Vertreter der Staatsanwaltschaft teilten der Mutter von Sarema Gaisanowa mit, dass ihre Tochter am Leben sei, sie aber keinen Zugang zu ihr hätten. Einem Bericht des tschetschenischen Fernsehens zufolge soll Präsident Ramsan Kadirow eine Operation angeführt haben, die Aufständischen in der Nachbarschaft von Sarema Gaisanowa galt.

Inguschetien Im Juni scheiterte ein Attentatsversuch gegen den inguschetischen Präsidenten Junus-Bek Jewkurow, der als mäßigender Faktor in der instabilsten der russischen Kaukasus-Republiken galt. Dies gab Anlass zu Befürchtungen, dass die Gewalt weiter eskalieren könnte.

  • Im Mai 2009 begann im Stadtgericht von Nasran die Gerichtsverhandlung über die Ermordung des Journalisten Magomed Jewlojew im August 2008. Jewlojew war als Gegner der früheren Regierung bekannt und betrieb eine unabhängige Internetseite in Inguschetien. Im Dezember wurde ein Polizeibeamter wegen fahrlässiger Tötung zu zwei Jahren Haft verurteilt.

  • Im Oktober 2009 wurde der Oppositionelle Makscharip Auschew, ein Freund Jewlojews, der nach dessen Tod seine Homepage weiterführte, auf einer Fahrt im benachbarten Kabardino-Balkarien erschossen. Im Dezember kamen bei einem Bombenanschlag auf ein Fahrzeug, in dem neben seiner Witwe auch weitere Verwandte von ihm saßen, seine Schwiegermutter und sein Schwager ums Leben.

Journalisten, die Berichte zu Vorwürfen über Folter und rechtswidrige Tötung veröffentlichen wollten, wurden bedroht und mussten Inguschetien verlassen. Bewaffnete Gruppen gingen wahllos gegen die Zivilbevölkerung vor, u. a. mit Selbstmordanschlägen. Berichten zufolge wurden mehrere Ladenbesitzer von Mitgliedern bewaffneter Gruppen erschossen, weil sie Alkohol verkauften.

Dagestan In einem Klima von extremer Gewalt und Gesetzlosigkeit wurden auch 2009 zahlreiche Menschenrechtsverteidiger und Journalisten bedroht bzw. getötet, und es gab erneut Berichte über Fälle von "Verschwindenlassen" und Folterungen.

  • Im August wurde das Büro der NGO Mütter Dagestans für die Menschenrechte bei einem Brandanschlag zerstört. Im selben Monat wurden in Machatschkala, der Hauptstadt von Dagestan, Flugblätter verteilt, die zur Blutrache aufriefen. Der Aufruf galt den beiden Mitgliedern der Organisation Swetlana Isajewa und Gulnara Rustamowa sowie weiteren Menschenrechtsverteidigern und Journalisten aus Dagestan. Sie wurden beschuldigt, illegalen bewaffneten Gruppen anzugehören. Die im Oktober wegen dieser Drohungen eingeleiteten Ermittlungen blieben folgenlos. Die Behörden ergriffen keine Maßnahmen zum Schutz der Mitglieder der NGOs.

  • Ebenfalls im August wurde in Machatschkala der Journalist Malik Achmedilow in einem Auto erschossen aufgefunden. Er hatte Berichte über ungeklärte Tötungen hochrangiger Beamter in Dagestan veröffentlicht.

  • Im selben Monat wurden Artur Butajew, Islam Askerow and Arsen Butajew entführt und an einem unbekannten Ort verhört. Dabei sollen sie auch geschlagen und gewürgt worden sein. Islam Askerow und Arsen Butajew gelang es zu entkommen und unterzutauchen. Drei Tage später wurden in der Nähe von Machatschkala die Leichen von Artur Butajew und zwei weiteren Männern, Gadschi Gudalijew und Amiraslan Islamow, in einem ausgebrannten Auto gefunden.

Kabardino-Balkarien

  • Im Februar 2009 entschied der Oberste Gerichtshof, dass der Prozess gegen 58 Personen, die im Oktober 2005 ein öffentliches Gebäude in Naltschik angegriffen haben sollen, aufgrund neuer Gesetze nicht von einem Schwurgericht übernommen werden könne. Im März wurde das Verfahren vor dem Obersten Gericht der Teilrepublik Kabardino-Balkarien eröffnet. Berichten zufolge hatte sich der Gesundheitszustand einiger Häftlinge wegen der harten Bedingungen während der Untersuchungshaft und der unzureichenden ärztlichen Versorgung verschlechtert. Dem Häftling Rasul Kudajew, der an Hepatitis C litt, war nach Angaben seines Anwalts die erforderliche ärztliche Behandlung verweigert worden. Der Antrag seines Anwalts, Geständnisse, die unter Folter erzwungen worden sein sollen, nicht als Beweismittel zuzulassen, wurde abgelehnt. Rasul Kudajew war zuvor im US-Gefangenenlager Guantánamo inhaftiert gewesen.

Bewaffneter Konflikt mit Georgien

Der im September veröffentlichte Abschlussbericht der von der EU eingesetzten unabhängigen internationalen Mission zur Untersuchung des Konflikts in Georgien bestätigte, dass während des Kriegs 2008 sowohl georgische als auch russische und südossetische Truppen Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht begangen hatten. Alle Konfliktparteien wurden aufgefordert, die Folgen des Kriegs aufzuarbeiten. Bis Ende 2009 hatte jedoch noch keine Seite umfassende Ermittlungen zu den während des Konflikts und unmittelbar danach begangenen Menschenrechtsverletzungen und Verstößen eingeleitet. Auch wurden keine ernsthaften Anstrengungen unternommen, die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

Recht auf freie Meinungsäußerung und Menschenrechtsverteidiger

Die Reform des Gesetzes über NGOs, die im August in Kraft trat, vereinfachte die Registrierungs-, Kontroll- und Berichterstattungsverfahren. Dennoch bestand weiterhin die Gefahr, dass das Gesetz zur Reglementierung zivilgesellschaftlicher Organisationen missbraucht werden könnte.

Insbesondere im Nordkaukasus, aber nicht nur dort, wurden Mitglieder unabhängiger zivilgesellschaftlicher Organisationen weiterhin bedroht. In der gesamten Russischen Föderation waren Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Oppositionelle Drohungen und Übergriffen ausgesetzt, einige von ihnen wurden ermordet. Die in diesen Fällen eingeleiteten Ermittlungen waren unzureichend. Von staatlicher Seite warf man Menschenrechtsverteidigern und NGOs vor, sie würden "Extremismus" fördern bzw. für ausländische Geheimdienste arbeiten. Auf der Grundlage des Gesetzes zur Bekämpfung extremistischer Aktivitäten gingen die Strafverfolgungsbehörden in gleicher Weise gegen gewaltbereite Regierungsgegner wie gegen gewaltfreie Andersdenkende vor. Der UN-Menschenrechtsausschuss äußerte sich bei seiner Prüfung der Einhaltung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte durch die Russische Föderation besorgt über den mangelnden Schutz für Menschenrechtsverteidiger und Journalisten.

  • Im Januar 2009 wurden mitten in Moskau der Rechtsanwalt und Menschenrechtsverteidiger Stanislaw Markelow und die Journalistin Anastasia Baburowa von der Zeitung Nowaja Gaseta erschossen. Im November nahm die Polizei zwei Tatverdächtige fest.

  • Im Februar 2009 wurden die drei Angeklagten im Prozess um die Ermordung der Journalistin Anna Politkowskaja im Jahr 2006 von einem Schwurgericht freigesprochen. Im September ordnete der Oberste Gerichtshof auf eine Beschwerde ihrer Familie hin neue Ermittlungen an. Diese sollten sich nicht auf die drei mutmaßlichen Helfershelfer beschränken, sondern auch diejenigen einbeziehen, die den Mord ausführten und in Auftrag gaben.

  • Im März 2009 wurde der Menschenrechtsverteidiger Lew Ponomarjow vor seinem Haus in Moskau von drei Unbekannten zusammengeschlagen.

  • Im Oktober 2009 wurde der Leiter des Menschenrechtszentrums Memorial, Oleg Orlow, vom Moskauer Twerskoi-Bezirksgericht in einem Zivilprozess wegen Verleumdung des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadirow zu einer Geldstrafe verurteilt. Orlow hatte Kadirow beschuldigt, für den Mord an der Menschenrechtsverteidigerin Natalia Estemirowa im Juli verantwortlich zu sein. Beide Parteien legten gegen die Entscheidung Rechtsmittel ein – gegen das Urteil und gegen die Höhe der vom Gericht zugesprochenen Entschädigung. Ende 2009 hatte noch kein neues Verfahren begonnen. Am 20. Oktober wurde in derselben Angelegenheit ein Strafverfahren gegen Oleg Orlow eingeleitet, bei dem ihm bis zu drei Jahre Haft drohen.

  • Im Mai 2009 wurde Aleksej Sokolow inhaftiert, der Leiter der NGO Prawowaja Osnowa (Rechtliche Grundlage), die gegen Folter und Misshandlung in den russischen Gefängnissen und Haftzentren kämpft. Er stand angeblich im Verdacht, an einem Raubüberfall im Jahr 2004 beteiligt gewesen zu sein. Im Juli ordnete das Regionalgericht Swerdlowsk seine Freilassung an, doch unmittelbar danach nahm ihn die Polizei wieder fest, diesmal wegen des Verdachts auf einen im Jahr 2004 begangenen Diebstahl. Im August ordnete das Bezirksgericht Jekaterinburg in nicht öffentlicher Sitzung die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Zur Begründung hieß es, dass er als Mitglied einer öffentlichen Kommission für die Kontrolle von Hafteinrichtungen die wegen des Raubüberfalls von 2004 verurteilten Männer treffen und beeinflussen könnte. Neben zahlreichen anderen Verstößen gegen die Verfahrensvorschriften wurde auch die Dauer der Untersuchungshaft bis ins Jahr 2010 verlängert.

Das Recht auf Versammlungsfreiheit war für Oppositionelle und für Menschenrechtsverteidiger eingeschränkt. Mehrere Personen wurden allein deshalb in Polizeigewahrsam genommen, weil sie ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen wollten. Die Moskauer Behörden lehnten 2009 wiederholt Anträge auf Genehmigung von Demonstrationen zur Verteidigung der Versammlungsfreiheit ab. Dutzende von Menschen, die öffentlich demonstrieren wollten, wurden festgenommen und mit Geldstrafen belegt.

  • Im Januar wurden in Nischni Nowgorod vier Mitglieder des Oppositionsbündnisses "Das andere Russland" von der Polizei festgenommen und zu fünf Tagen Verwaltungshaft verurteilt – anscheinend nur, um ihre Teilnahme an einer Demonstration zu verhindern, die drei Tage später stattfinden sollte. Weder in den Polizeiberichten noch vor Gericht wurde deutlich, was man ihnen konkret vorwarf.

  • Im Mai verboten die Moskauer Behörden eine Parade von Homosexuellen, ohne aber, wie gesetzlich vorgeschrieben, einen Ausweichtermin oder einen anderen Ort anzubieten. Als dennoch versucht wurde, die nicht genehmigte Parade durchzuführen, nahm die Polizei mehrere Teilnehmer und einige Gegendemonstranten vorübergehend in Gewahrsam.

  • Der Oppositionelle Eduard Limonow wurde zu zehn Tagen Haft verurteilt, weil er während einer nicht genehmigten Demonstration im Oktober angeblich die Anweisungen der Polizei missachtet hatte.

Das Klima der Intoleranz gegenüber Andersdenkenden behinderte auch die freie Meinungsäußerung in Kunst und Wissenschaft.

  • Im Juli 2009 begann der Prozess gegen den ehemaligen Leiter des Moskauer Sacharow-Museums, Juri Samodurow, sowie gegen den Ausstellungskurator Andrej Jerofejew. Beide mussten im Fall einer Verurteilung wegen "Volksverhetzung" mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen. Die Anklage war im Zusammenhang mit der Ausstellung "Verbotene Kunst" erhoben worden, die 2007 im Sacharow-Museum gezeigt worden war. Sie umfasste Werke, die von anderen Galerien abgelehnt worden waren, und sollte eine Diskussion zum Thema Kunstfreiheit anregen.

Folter und andere Misshandlungen

Im Januar nahmen die regionalen Kommissionen zur Kontrolle von Hafteinrichtungen ihre Arbeit auf. Die Einrichtung dieser Kommissionen in verschiedenen russischen Regionen ging auf ein Gesetz zurück, das im September 2008 verabschiedet worden war. Es gab zahlreiche Berichte über Folter und andere Misshandlungen in den Hafteinrichtungen, auch soll ärztliche Hilfe verweigert worden sein. Nur in wenigen Fällen führten diese Berichte dazu, dass Beamte mit Polizeibefugnissen wegen Amtsmissbrauch verurteilt wurden. Häufig wurde hingegen der Verdacht geäußert, dass die Behörden solche Vorwürfe nicht gründlich untersuchten.

  • Berichten zufolge wurde der Tschetschene Subair Subairajew im Februar und April 2009 in einer Gefängniskolonie in der Region Wolgograd von Aufsehern gefoltert und anderweitig misshandelt. Sein Anwalt erklärte, er habe bei einem Besuch im April an den Schultern und auf der Brust seines Mandanten Spuren von Misshandlungen gesehen. Subairajew wurde weder medizinisch versorgt, noch wurden seine Verletzungen in irgendeiner Weise dokumentiert. Seine Verlegung in eine andere Kolonie erfolgte möglicherweise aufgrund seiner Beschwerden über diese Behandlung.

  • Im November 2009 starb der Anwalt Sergej Magnitski in Moskau in der Untersuchungshaft. Als bekannt wurde, dass man ihm jede medizinische Behandlung verweigert hatte, wurden Ermittlungen eingeleitet.

Unfaire Gerichtsverfahren

Die Prozesse vor den russischen Gerichten entsprachen häufig nicht den internationalen Standards für faire Verfahren. In einigen Fällen gab es Befürchtungen, dass die Behandlung der Tatverdächtigen politisch motiviert war. Im September forderte die parlamentarische Versammlung des Europarats die Russische Föderation u. a. dazu auf, Reformen einzuleiten, um die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken und die Schikanen gegen die Verteidiger von Angeklagten zu beenden.

  • Im Februar 2009 wurden der frühere Eigentümer des Erdölkonzerns YUKOS, Michail Chodorkowskij, und sein ehemaliger Geschäftspartner Platon Lebedew, die seit ihrer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung und Betrug im Mai 2005 eine achtjährige Freiheitsstrafe verbüßten, aus dem Untersuchungsgefängnis in Tschita nach Moskau überführt. Dort begann im März ein weiteres Verfahren unter den neuen Anklagepunkten Geldwäsche und Unterschlagung. Es gab Befürchtungen, dass dieser Prozess nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entspricht und politisch motiviert sein könnte. Auch wurde offenbar das Recht der Angeklagten auf ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung verletzt.

Rassismus

Die russischen Behörden sahen in rassistisch oder ethnisch motivierter Gewalt eine "Bedrohung der nationalen Sicherheit". Die Umsetzung wirksamer Maßnahmen zur Bekämpfung von rassistisch motivierter Gewalt und Diskriminierung durch Polizeikräfte stand jedoch noch immer aus.

Nach Angaben der NGO SOWA-Zentrum starben bis Ende 2009 in 36 russischen Regionen mindestens 71 Personen durch rassistische Übergriffe, mehr als 330 wurden verletzt. Wer sich gegen Rassismus engagierte, wurde zur Zielscheibe für rechtsextreme Gruppen.

  • Im November wurde der 26-jährige Iwan Chutorskoi vor seiner Wohnungstür erschossen. Er hatte an einer Reihe antifaschistischer öffentlicher Aktionen teilgenommen und war mehrfach von unbekannten Personen bedroht und angegriffen worden.

Einer Statistik des Innenministeriums zufolge wurden in den ersten vier Monaten des Berichtsjahrs gegen 105 Personen wegen "extremistischer" Straftaten Ermittlungen eingeleitet oder Anklage erhoben, dazu zählten auch rassistisch motivierte Morde.

Todesstrafe

Im November entschied das Verfassungsgericht, das 1999 erlassene Hinrichtungsmoratorium zu verlängern, und empfahl, die Todesstrafe völlig abzuschaffen. Das Moratorium hätte nach der Einführung von Schwurgerichten in allen Regionen auslaufen sollen. Dies war für Januar 2010 geplant. Das Verfassungsgericht erklärte, der Weg zur Abschaffung der Todesstrafe sei unumkehrbar.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Untersuchungen verschiedener NGOs belegten, dass Gewalt gegen Frauen im familiären Umfeld weit verbreitet war. Offizielle Statistiken gab es dazu nicht. Telefonische Beratungseinrichtungen und Zentren zur Unterstützung der Opfer erhielten nach wie vor kaum staatliche Unterstützung. Im ganzen Land gab es nur etwa 20 Frauenhäuser. Viele davon standen nur Frauen offen, die in der entsprechenden Region offiziell gemeldet waren. Dies galt auch für das einzige Moskauer Frauenhaus, das nur zehn schutzbedürftigen Frauen Unterkunft bieten konnte. Es gab weiterhin keine Gesetze zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen in der Familie.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Ein Delegierter von Amnesty International besuchte im Juli Nordossetien.

Civilians in the aftermath of war – the Georgia-Russia conflict one year on (EUR 04/001/2009)

Russian Federation: Rule without law – human rights violations in the North Caucasus (EUR 46/012/2009)

Russian Federation: Briefing to the UN Human Rights Committee (EUR 46/025/2009)

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