Aktuell Vereinigte Staaten von Amerika 29. Oktober 2012

USA: Ein Leben hinter Gittern

Jacqueline Montanez

Jacqueline Montanez

25. Oktober 2012 - Jacqueline Montanez war 15 Jahre alt, als ein Gericht sie zu lebenslanger Haft verurteilte. Die USA sind das einzige Land weltweit, das solch harte Strafen gegen Kinder verhängt.

Jacqueline Montanez weiß, wo sie sterben wird.

Die 36-Jährige ist die einzige Frau im US-Bundesstaat Illinois, die eine lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung absitzt – für ein Verbrechen, das sie als Kind begangen hat.

Jacqueline Montanez wurde 1993 zusammen mit zwei weiteren Angeklagten wegen Mordes an zwei Mitgliedern einer rivalisierenden Gang verurteilt. Jaqueline hatte die Vebrechen kurz vor ihrem 16. Geburtstag im Mai 1992 begangen.

Obwohl Jacqueline Montanez zu diesem Zeitpunkt erst 15 Jahre alt war, wurde ihr Fall vor einem Gericht für Erwachsene verhandelt - anstatt vor einem Jugendgericht, das Faktoren wie ihre Minderjährigkeit, das instabile Elternhaus oder ihre Bereitschaft zur Rehabilitation berücksichtigt hätte.

Als Jacqueline Montanez das Verbrechen beging, hatte sie eine Kindheit des körperlichen, sexuellen und seelischen Missbrauchs hinter sich. Sie wurde von ihrem Stiefvater aufgezogen, ein gefürchtetes und brutales Gangmitglied, der Jacqueline darauf vorbereitete, sein "kleiner Soldat" zu sein.

Mit neun Jahren begann Jacqueline, Drogen und Alkohol zu konsumieren und wurde schließlich Mitglied in einer Straßengang, die mit der Gang ihres Stiefvaters rivalisierte. Sie wurde mehrmals wegen einer Drogenüberdosis oder psychischer Zusammenbrüche ins Krankenhaus eingeliefert.

Nachdem sie mehr als ihr halbes Leben in einem Gefängnis für Erwachsene verbracht hat, ist Jacqueline heute eine andere Person.

Sie hat im Gefängnis einen Schulabschluss gemacht, hat fast alle im Gefängnis angebotenen Bildungs- und Berufsprogramme absolviert und eine Ausbildung als zertifizierte Trainerin für Begleithunde für Behinderte abgeschlossen. Sie unterrichtet und betreut jüngere Gefängnisinsassen und beteiligt sich aktiv an den Seelsorge-Programmen, die in dem Gefängnis angeboten werden.

"Ich habe getan, was sie mir vorwerfen, aber ich bin nicht die Person, für die sie mich halten", sagte Jacqueline Montanez.

"Es vergeht kein Tag, an dem ich mir nicht wünschte, ich sei es gewesen [die getötet wurde]. Sie waren Menschen, sie waren jemandes Vater, sie waren jemandes Kind."

Mangelnder Respekt für das Völkerrecht

"Kinder dazu zu verurteilen, im Gefängnis zu sterben, widerspricht grundsätzlichen Menschenrechtsprinzipien, die die Unmündigkeit von Kindern und ihre besondere Fähigkeit zu Entwicklung und Veränderung anerkennen", sagt Rob Freer, USA-Experte bei Amnesty International. "Die USA sollten sich dem Rest der Welt anschließen und diese Strafe gegen Kinder abschaffen.

In den USA verbüßen etwa 2.500 Männer und Frauen lebenslange Haftstrafen ohne Bewährung für Verbrechen, die sie begingen, als sie unter 18 Jahre alt waren.
Soweit es Amnesty International bekannt ist, verhängt kein anderes Land auf der Welt diese Strafe gegen Kinder.

Die USA verletzen mit der Verhängung lebenslanger Haftstrafen ohne Bewährung gegen Kinder internationales Recht, darunter die UN-Kinderrechtskonvention. Die USA haben diese Konvention unterzeichnet und sich damit verpflichtet, vor der noch ausstehenden Ratifizierung dem Ziel und dem Zweck der Konvention nicht zuwider zu handeln. Die Regierung Obamas erklärte 2010, dass sie die Ratifizierung der Kinderrechtskonvention befürworte.

Dennoch haben die USA die Konvention bis heute nicht ratifiziert, als weltweit einziges Land neben Somalia.

Diese Isolation der USA bei der Ratifizierung der Kinderrechtskonvention spiegelt einen grundsätzlichen Widerwillen der USA wider, internationalen Menschenrechtsabkommen beizutreten und diese zu respektieren.

"Auf internationaler Bühne behaupten die USA, sich für Menschenrechte einzusetzen – und sogar Vorkämpfer menschenrechtlicher Grundsätze zu sein. Doch diese Behauptungen halten keiner genaueren Überprüfung Stand, wenn man sich die Ratifizierung von Verträgen und deren Umsetzung ansieht", sagt Rob Freer.

Freer weist darauf hin, dass die USA bei der Ratifizierung von Menschenrechtsabkommen diese häufig einschränken oder ihre Verpflichtungen in einer Weise interpretieren, die deren Schutzbereich untergräbt.

Die Bedingungen, die die USA beispielsweise an ihre Ratifizierung des Internationalen Pakts für bürgerliche und politische Rechte und der UN-Antifolterkonvention geknüpft hatten, wurden nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von Anwälten der US-Behörden ausgenutzt, um Befragungsmethoden und Haftbedingungen zu rechtfertigen, die gegen das Verbot von Folter und anderen Misshandlungen verstießen. Die USA argumentieren zudem weiterhin, dass die meisten ihrer an Menschenrechtsverträge gebundenen Verpflichtungen ganz einfach nicht auf Handlungen außerhalb des US-Territoriums anzuwenden seien.

"Die USA werden sich zweifellos weiterhin als fortschrittliche Kraft im Einsatz für die Menschenrechte darstellen, wenn nicht sogar als die fortschrittlichste auf der ganzen Welt", sagte Freer.

"Doch wenn es keine grundlegenden Veränderungen der Gesetze, der Politik und der Praxis gibt, werden solche Behauptungen weiterhin von der Wirklichkeit Lügen gestraft – egal, ob es sich um die unbefristeten Inhaftierungen und unfairen Gerichtsverfahren in Guantánamo handelt, die Straflosigkeit für Folter und Misshandlungen im Zuge der Terrorismusbekämpfung, die Anwendung der Todesstrafe oder die Verhängung lebenslänglicher Haftstrafen ohne Bewährung gegen Kinder."

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