Ohne Kontakt zur Außenwelt
Nazeer al-Majed mit Tochter
© privat
Der saudi-arabische Autor Nazeer al-Majed wird seit der Verurteilung zu sieben Jahren Gefängnis durch das Sonderstrafgericht in Riad am 18. Januar in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gehalten. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener. Ihm drohen Folter und andere Misshandlungen.
Appell an
KÖNIG
His Majesty
King Salman bin Abdul Aziz Al Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 966) 11 403 3125 (über das Innenministerium)
Twitter: @KingSalman
INNENMINISTER
His Royal Highness
Prince Mohammed bin Nayef bin Abdul Aziz Al Saud
Ministry of Interior, P.O. Box 2933
Airport Road, Riyadh 11134, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 966) 11 403 3125
Twitter: @M_Naif_Alsaud
Sende eine Kopie an
JUSTIZMINISTER
His Excellency Dr Walid bin Mohammed bin Saleh Al-Samaani
Ministry of Justice
University Street,
PO Box 7775, Riyadh 11137
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 966) 11 401 1741 / 402 031
Twitter: @MojKsa
BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S. E. Herrn Awwad Saleh A Alawwad
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179
E-Mail: deemb@mofa.gov.sa
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 24. März 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.
Amnesty fordert:
FAXE, TWITTER-NACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
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Bitte lassen Sie Nazeer al-Majed sofort und bedingungslos frei, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich nur deshalb in Haft befindet, weil er seine Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hat.
- Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt ist und regelmäßigen Zugang zu seiner Familie und Rechtsbeiständen seiner Wahl erhält.
PLEASE WRITE IMMEDIATELY
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Urging the Saudi Arabian authorities to release Nazeer al-Majed immediately and unconditionally as he is a prisoner of conscience held solely for peacefully exercising his rights to freedom of expression, association and assembly.
- Urging them to ensure that he is protected from torture and other ill-treatment, and granted regular visits from his family and legal representatives.
Sachlage
Der 39-jährige Autor, Techniker in einer Schule und Vater zweier Kinder wurde am 18. Januar 2017 vom Sonderstrafgericht (Specialized Criminal Court - SCC), eines Antiterrorgerichts in der Hauptstadt Riad zu sieben Jahren Haft, anschließenden sieben Jahren Reiseverbot und einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 25.000 Euro verurteilt. Er wurde schuldig gesprochen, durch unter anderem "Teilnahme an Protesten und Verfassen von Artikeln gegen die Politik des Staates" und "Kommunikation mit den Medien" "die Loyalität zum Herrscher aufgegeben zu haben". Das Gericht ordnete seine sofortige Inhaftierung an.
Als Nazeer al-Majed nach der Anhörung am 18. Januar nicht ans Telefon ging und auch nicht nach Hause kam, rief seine Familie am folgenden Morgen das Sonderstrafgericht an, um nach seinem Verbleib zu fragen. Man teilte ihnen mit, dass er verurteilt und zum politischen Gefängnis al-Ha’ir in Riad gebracht worden sei, wo er zurzeit inhaftiert ist. Seit seiner Festnahme wird er ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Er hat keinen Zugang zu seiner Familie. Dadurch wächst die Sorge, dass er gefoltert oder in anderer Weise misshandelt werden könnte.
Nazeer al-Majed wurde bereits am 17. April 2011 in der Jabal al-Noor-Schule in der Stadt Khobar in der Ostprovinz festgenommen, wo er damals arbeitete. Er wurde dann ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in der Stadt Damman beim Geheimdienst des Innenministeriums (General Directorate of Investigations - GDI) festgehalten, die ersten fünf Monate in Einzelhaft, und am 26. Juli 2012 freigelassen. Im Oktober 2016, mehr als vier Jahre nach seiner Freilassung, erhielt Nazeer al-Majed einen Anruf, in dem er zu einem Verfahren beim SCC in Riad vorgeladen wurde. Am 24. Oktober 2016 begann sein Gerichtsverfahren vor dem SCC. Man legt ihm Straftaten zur Last, die er angeblich 2011 begannen hatte. Sie alle gingen zurück auf die friedliche Ausübung der Rechte auf Meinungs- Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Bei der fünften Anhörung am 18. Januar 2017 wurde er nach der Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe unverzüglich inhaftiert.
Hintergrundinformation
Nazeer al-Majed wurde am 17. April 2011 festgenommen, nur Tage nachdem er einen Artikel mit dem Titel "Ich protestiere, deshalb bin ich ein (guter) Mensch" (ana ahtajj izan ana adami), veröffentlicht hatte. In dem Artikel argumentierte Nazeer al-Majed, dass ein Dialog nur zwischen zwei gleichberechtigten Parteien stattfinden könne und dass nur durch den Protest auf den Straßen, die Menschen mit dem Staat auf Augenhöhe stehen könnten, und dies wiederum zu einem wirkungsvollen Dialog führen würde. Vor seiner Festnahme veröffentlichte Nazeer al-Majed in Printmedien und online arabischsprachige Artikel zu philosophischen, sozialen und politischen Fragen. Sein Haus wurde von Personen ohne Durchsuchungsbeschluss und Haftbefehl durchsucht, die vermutlich dem GDI angehörten. Sie konfiszierten Nazeer al-Majeds Laptop, neue und alte Familienvideos und Bücher von saudischen Oppositionellen im Exil sowie dem verstorbenen Ayatollah Ruhollah Khomeini aus dem Iran. Seine Poster von Ayatollah Ruhollah Khomeini und dem Generalsekretär der bewaffneten schiitischen libanesischen Gruppe Hisbollah, al-Sayyed Hassan Nasrallah, wurden ebenfalls beschlagnahmt. Erst fünf Monate nach seiner Inhaftierung durfte Nazeer al-Majeds Familie ihn besuchen.
Nazeer al-Majed berichtete seiner Familie, dass er in Haft gefoltert und in anderer Weise misshandelt wurde, zum Beispiel durch lange Zeiträume in Einzelhaft. Er wurde auf dem Weg von der Zelle zum Verhör regelmäßig geschlagen. Während der Verhöre wurde er mit offener Hand und Fäusten ins Gesicht geschlagen, am ganzen Körper getreten und mit einem harten Gegenstand auf dem Rücken ausgepeitscht. Er wurde gezwungen, bis zu vier Stunden in schmerzhaften Positionen zu stehen, seine Arme waren dabei über Kopf zusammengebunden und seine Füße gefesselt.
Sicherheitspersonal kam mehrmals in seine Zelle, befahl ihm, sich mit dem Gesicht zur Wand zu setzen und schlug dann seinen Kopf gegen die Wand. Er wurde auch wiederholt zu seinem Schreiben befragt und ob er den iranischen Fernsehsender Al-Alam oder den libanesischen Sender Al-Manar, der der Hisbollah gehört, schaue.
Zum Teil inspiriert durch die Proteste, die seit Februar 2011 den Nahen Osten und Nordafrika überschwemmten, haben Saudi-Araber_innen aus der überwiegend schiitischen Ostprovinz des Königreichs Reformen gefordert. Es wurden Demonstrationen organisiert, um gegen die Festnahme, Inhaftierung und Schikane der schiitischen Gemeinde aufgrund der kollektiven Gebetstreffen, dem Feiern von schiitischen Feiertagen und der Missachtung der Einschränkungen des Baus von schiitischen Moscheen und Religionsschulen zu protestieren.
Die saudischen Behörden haben mit repressiven Maßnahmen gegen diejenigen, die mutmaßlich an Protesten teilnehmen oder diese unterstützen oder kritische Ansichten gegenüber dem Staat äußern, reagiert. Protestierende wurden tagelang, manchmal wochenlang ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft genommen. Einige sollen dabei gefoltert oder in anderer Weise misshandelt worden sein. Mindestens 20 Menschen wurden von den Sicherheitskräften 2011 im Zusammenhang mit den Protesten in der Ostprovinz getötet und Hunderte sind inhaftiert worden. Denjenigen, die angeklagt wurden, werden oft vage formulierte Sicherheitsvergehen zur Last gelegt wie "Ungehorsam gegenüber dem Herrscher" und ihre Verfahren vor dem Antiterrorgericht SCC entsprechen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Mindestens 21 Personen sind in den vergangenen drei Jahren in Zusammenhang mit den Protesten 2011 und 2012 zum Tode verurteilt worden. Eine Reihe von ihnen gab an, durch Folter zu "Geständnissen" gezwungen worden zu sein, und vier wurden festgenommen, obwohl sie noch nicht 18 Jahre alt waren.