Hunderttausende in Gefahr

Amnesty International

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Seit dem 11. Dezember 2015 gilt im Bezirk Sur der Stadt Diyarbakır eine ganztägige Ausgangssperre. Am 14. Dezember wurden solche Ausgangssperren auch in den Städten Cizre und Silopi in der Provinz Şırnak im Südosten der Türkei verhängt. Grund dafür sind Operationen der Polizei und der Armee gegen die Jugendbewegung der Kurdischen Arbeiterpartei. Mehr als 200.000 Menschen wohnen in den betroffenen Gebieten. Einige von ihnen haben keinen Zugang zu Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Zudem herrschen gravierende Engpässe bei der Strom- und Wasserversorgung. Mehr als 70 Bewohner_innen der betroffenen Gebiete und mindestens sieben Angehörige der Polizei und der Armee sollen bereits getötet worden sein.

Appell an

INNENMINISTER
Efkan Ala
İçişleri Bakanlığı, Bakanlıklar, Ankara, TÜRKEI
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 90) 312 418 1795
E-Mail: ozelkalem@icisleri.gov.tr

MINISTERPRÄSIDENT
Mr. Ahmet Davutoğlu
Vekaletler Caddesi Başbakanlık Merkez Bina
P.K. 06573, Kızılay / Ankara, TÜRKEI
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 90) 312 403 6282
E-Mail: ozelkalem@basbakanlik.gov.tr

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DER MENSCHENRECHTSINSTITUTION
Dr. Hikmet Tülen
İnsan Hakları Başkanı
Yüksel Caddesi No. 23, Kat 3, Yenişehir
06650 Ankara, TÜRKEI
Fax: (00 90) 312 422 2996
E-Mail: tihk@tihk.gov.tr

BOTSCHAFT DER REPUBLIK TÜRKEI
S. E. Herrn Hüseyin Avni Karslioğlu
Tiergartenstr. 19-21
10785 Berlin
Fax: 030-275 90 915
E-Mail: botschaft.berlin@mfa.gov.tr

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Türkisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. Februar 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Sachlage

Wegen einer Operation der Sicherheitskräfte gegen die bewaffnete Patriotische Revolutionäre Jugendbewegung (Yurtsever Devrimci Gençlik Hareketi – YDG-H), die Jugendbewegung der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), ist am 14. Dezember 2015 in den Städten Cizre und Silopi in der Provinz Şırnak eine ganztägige Ausgangssperre verhängt worden. Lokale Anwält_innen und Aktivist_innen sagten Amnesty International, dass in Cizre seit Verhängung der Ausgangssperre bereits 40 Todesfälle gemeldet wurden. Unter den Toten, von denen viele mutmaßlich durch Scharfschützen der Sicherheitskräfte ums Leben kamen, sind auch Frauen, Kinder und ältere Menschen. Die Bewohner_innen von Silopi haben seit dem 14. Dezember bereits 25 Todesopfer gemeldet, unter denen sich ebenfalls Frauen und Kinder befinden. Ein lokaler Anwalt berichtete, dass die Leiche der 56-jährigen Taybet İnan, die von einem Scharfschützen erschossen worden war, sieben Tage lang auf offener Straße liegen blieb, da es ihrer Familie nicht möglich war, sie fortzubringen.

Am 11. Dezember wurde im Bezirk Sur der Stadt Diyarbakır in sechs Vierteln eine Ausgangssperre verhängt. Anwält_innen berichten, dass seitdem mindestens 13 Bewohner_innen getötet wurden. Etwa die Hälfte der Einwohner_innen des Bezirks soll in angrenzende Gebiete geflohen sein, in denen derzeit keine Ausgangssperre gilt. Proteste und Mahnwachen, die täglich außerhalb der von den Ausgangssperren betroffenen Bereiche abgehalten werden, werden regelmäßig von der Polizei unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern aufgelöst. Dabei kommt es häufig auch zu der Festnahme von Demonstrierenden.

In allen Bereichen, in denen Ausgangssperren verhängt wurden, herrschen gravierende Engpässe bei der Strom- und Wasserversorgung. Die Bewohner_innen können ihre Häuser nicht verlassen, um sich mit Grundnahrungsmitteln einzudecken, und Menschen mit gesundheitlichen Problemen ist es nicht möglich, ihre Viertel sicher zu verlassen, um Zugang zu medizinischer Versorgung zu erhalten. In einigen Fällen konnten Rettungswagen nicht in die betroffenen Bereiche einfahren, weil die Sicherheitslage zu schlecht war oder die Sicherheitskräfte ihnen den Zugang verwehrten.

[SCHREIBEN SIE BITTE ]

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte schränken Sie das Recht auf Bewegungsfreiheit nicht länger willkürlich ein und stellen Sie sicher, dass die Bewohner_innen von Cizre, Silopi und Sur in Diyarbakır täglich ausreichend Zeit haben, um ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen, oder aber anderweitig sichergestellt wird, dass sie Zugang zu allen erforderlichen Versorgungsgütern, zu jeglicher erforderlichen medizinischen Versorgung sowie zu Wasser und Strom haben. Sorgen Sie bitte zudem dafür, dass die Bewohner_innen die Möglichkeit haben, die betroffenen Gebiete zu verlassen, wenn sie dies wollen.

  • Bitte stellen Sie sicher, dass die Sicherheitskräfte nur zur Selbstverteidigung oder zur Verteidigung anderer gegen eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder eine gegenwärtige Gefahr schwerer Körperverletzung Gebrauch von Schusswaffen machen. Sorgen Sie dafür, dass zeitnah eine unabhängige und unparteiische Untersuchung zu den Toten und Verletzten in den von den Ausgangssperren betroffenen Gebieten durchgeführt wird.

  • Bitte stellen Sie sicher, dass das Recht auf friedliche Versammlung der Menschen, die ihre Solidarität mit denen zum Ausdruck bringen wollen, die von den Ausgangssperren betroffen sind, umfassend respektiert wird.

[APPELLE AN]

INNENMINISTER
Efkan Ala
İçişleri Bakanlığı, Bakanlıklar, Ankara, TÜRKEI
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Mr. Ahmet Davutoğlu
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Hintergrundinformation

Hintergrund

Seit Abbruch des Friedensprozesses zwischen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und der Regierung im Juli 2015 kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Patriotischen Revolutionären Jugendbewegung (Yurtsever Devrimci Gençlik Hareketi – YDG-H), der Jugendbewegung der PKK, und Sicherheitskräften in den städtischen Gebieten im Südosten der Türkei.

Laut dem türkischen Innenminister wurden bei diesen jüngsten Gewalthandlungen mehr als 3.000 "Terroristinnen und Terroristen" getötet. Mitte Dezember 2015 nahmen die Auseinandersetzungen zu, nachdem es zu einem Masseneinsatz von Polizei- und Militärkräften in der Region kam.

In Ortschaften und Städten, in denen die Sicherheitskräfte Operationen gegen die YDG-H durchführen, sind ausgedehnte ganztägige Ausgangssperren verhängt worden, die es den Bewohner_innen untersagen, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Die Behörden geben an, dass diese Ausgangssperren erforderlich sind, um "das Ergreifen von Mitgliedern der separatistischen terroristischen Organisation [PKK] zu ermöglichen und die Sicherheit der Menschen und den Schutz ihres Eigentums zu gewährleisten".

Die Türkei ist verpflichtet, das Recht auf Bewegungsfreiheit zu wahren. Dieses Recht darf zwar gewissen Einschränkungen unterworfen werden, diese müssen jedoch stets dem "Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitstest" standhalten. Dies bedeutet, dass sie gesetzlich vorgesehen, einem legitimen Zweck dienen und erforderlich und angemessen sein müssen. Die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung kann ein legitimer Grund für die Einschränkung der Bewegungsfreiheit sein. Die Verhängung ganztägiger Ausgangssperren auf unbestimmte Zeit stellt jedoch eine unverhältnismäßige Einschränkung dieses Rechts dar, von der die Menschen in einigen Orten nun bereits in der vierten Woche in Folge betroffen sind und die weitere Menschenrechtsverletzungen zur Folge hat. Auch andere Sicherheitsmaßnahmen müssen den "Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitstest" bestehen, um als rechtmäßig zu gelten. In allen Bereichen, in denen die Ausgangssperre gilt, besteht Berichten zufolge nur eingeschränkter Zugang zu Wasser. Zuzulassen, dass betroffene Personen kein Wasser und keinen Strom haben, ist eine unverhältnismäßige Maßnahme. Bewohner_innen daran zu hindern, Schutz in anderen Gebieten zu suchen, kann in keinem Fall als erforderliche Sicherheitsmaßnahme gerechtfertigt werden.

Internationale Standards zum Schutz des Rechts auf Leben schreiben vor, dass Beamt_innen mit Polizeibefugnissen nur dann Gebrauch von tödlicher Gewalt und insbesondere von Schusswaffen machen dürfen, wenn dies zur Selbstverteidigung oder zur Verteidigung anderer gegen eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder eine gegenwärtige Gefahr schwerer Körperverletzung dient. Ein gezielter tödlicher Schusswaffengebrauch ist allenfalls dann zulässig, wenn er zum Schutz menschlichen Lebens absolut unvermeidbar ist (Bestimmung 9 der UN-Grundprinzipien für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schusswaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen).