DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
Russ. Föderation: Zugang zu Rechtsbeistand verweigert
Die russische Aktivistin Lilia Tschanyschewa (Chanysheva)
© shtab.navalny.com
Die russischen Behörden verweigern Lilia Tschanyschewa das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren: Seit dem 10. Dezember 2021 wies das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation vier Rechtsbeistände willkürlich zurück, die die Aktivistin zuvor mit ihrer Vertretung beauftragt hatte. Damit hat sie keine rechtliche Vertretung ihrer Wahl. Lilia Tschanyschewa ist seit dem 9. November wegen ihrer Rolle als ehemalige regionale Koordinatorin des Büros von Alexej Nawalny unter dem falschen, politisch motivierten Vorwurf der "Gründung oder Leitung einer extremistischen Vereinigung" in Haft. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft. Lilia Tschanyschewa hat keine international anerkannte Straftat begangen und muss umgehend freigelassen werden.
Appell an
Igor Viktorovich Krasnov
Prosecutor General
Ul. Bolshaya Dmitrovka, 15A
Moscow, GSP-3, 125993
RUSSISCHE FÖDERATION
Sende eine Kopie an
Botschaft der Russischen Föderation
S. E. Herrn Sergei Nechaev
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030 – 2299 397
E-Mail: info@russische-botschaft.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie höflich auf, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Lilia Tschanyschewa (Chanysheva) unverzüglich freigelassen wird und alle Anklagen gegen sie fallen gelassen werden. Ich bitte Sie außerdem, Lilia Tschanyschewa bis zu ihrer Freilassung zu ermöglichen, sich von einem Rechtsbeistand ihrer Wahl vertreten zu lassen, so wie es das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren vorsieht.
Sachlage
Die anhaltende Strafverfolgung, willkürliche Haft und weitere Rechtsverletzungen, denen die Aktivistin Lilia Tschanyschewa ausgesetzt ist, sind besorgniserregend. Sie befindet sich aktuell wegen der absurden Anklage, dass sie "eine extremistische Vereinigung gegründet oder geleitet" habe in Untersuchungshaft in Moskau, beinahe 1.500 Kilometer von ihrer Heimatstadt Ufa entfernt.
Seit dem 10. Dezember 2021 haben Beamt_innen des Ermittlungskomitees der Russischen Föderation und des Föderalen Strafvollzugsdienstes unter falschem Vorwand vier Rechtsbeiständen verweigert, Lilia Tschanyschewa in Haft zu besuchen und sie zu vertreten. Aufgrunddessen hat sie nun keinen Rechtsbeistand ihrer Wahl, was ihr Recht auf ein faires Gerichtsverfahren verletzt. Die Anschuldigungen gegen Lilia Tschanyschewa sind auf ihre friedlichen und politischen Aktivitäten als regionale Koordinatorin von "Nawalnys Hauptsitz" zurückzuführen. Diese sind fälschlicherweise als "extremistisch" eingestuft worden.
Lilia Tschanyschewa hat keine international anerkannte Straftat begangen und ist nur eine weitere Betroffene des behördlichen Vorgehens gegen Alexej Nawalnys Verbündete und Unterstützer_innen. Ihre strafrechtliche Verfolgung entbehrt jeder Grundlage. Sie ist politisch motiviert und verletzt ihre Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit.
Hintergrundinformation
Lilia Tschanyschewa (Lilia Chanysheva), die ehemalige regionale Koordinatorin von Nawalnys Büro in Ufa, Republik Baschkortostan in Zentralrussland, wurde am 9. November 2021 nach einer Hausdurchsuchung festgenommen. Am selben Tag durchsuchte die Polizei die Wohnungen anderer Aktivist_innen in Ufa und anderen russischen Städten im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Alexej Nawalny und seine Mitarbeiter_innen.
Am 10. November nahm das Bezirksgericht Kirowski in Ufa Lilia Tschanyschewa in Untersuchungshaft. Ihr wurde vorgeworfen, im Zusammenhang mit ihrer früheren Zusammenarbeit mit Alexej Nawalny eine "extremistische Vereinigung gegründet oder geleitet zu haben" (Paragraf 282.1(1) des russischen Strafgesetzbuchs). Im Falle einer Verurteilung drohen Lilia Tschanyschewa bis zu zehn Jahre Haft. Sie wurde am 21. November aus Ufa nach Moskau verlegt.
Am 10. Dezember wurde Lilia Tschanyschewas Anwalt Vladimir Voronin davon abgehalten, sie in der Untersuchungshaftanstalt zu besuchen. Er erfuhr nachträglich, dass ein_e Mitarbeiter_in des Ermittlungskomitees der Russischen Föderation ihn unter dem falschen Vorwand des Interessenkonflikts von dem Fall abezogen hatte. Drei weitere Rechtsbeistände wurden über die nächsten zwei Wochen auf ähnliche Weise durch die Ermittlungsbehörde davon abgehalten, Lilia Tschanyschewa in Haft zu besuchen. Zum jetzigen Zeitpunkt hat Lilia Tschanyschewa keinen Rechtsbeistand in Moskau.
Am 9. Juni 2021 verbot das Moskauer Stadtgericht drei zivilgesellschaftliche Organisationen willkürlich als "extremistisch": die Stiftung gegen Korruption, die Stiftung zum Schutz der Bürgerrechte und Nawalnys Büro. Alle drei stehen in Verbindung mit dem willkürlich inhaftierten Alexej Nawalny. Die Anhörung vor Gericht fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Medien statt, und die Gründe für das Verbot wurden nicht bekannt gegeben. Laut Informationen, die Amnesty International vorliegen, haben keine Vertreter_innen von Nawalnys Organisationen Gewalttaten begangen, dazu aufgerufen, oder diese gebilligt. Auch andere international anerkannte Straftaten haben sie nicht begangen. Am 28. September 2021 kündigten die russischen Behörden neue strafrechtliche Ermittlungen gegen Alexej Nawalny und seine Mitarbeiter_innen unter dem haltlosen Vorwurf "Gründung einer extremistischen Vereinigung" an. Im Oktober stellte sich heraus, dass diese Ermittlungen mit vier anderen Strafverfahren gegen Alexej Nawalny, seine Mitarbeiter_innen und Unterstützer_innen zusammengelegt wurden. Lilia Tschanyschewa ist die erste Mitarbeiterin Nawalnys, die im Rahmen dieses Strafverfahrens festgenommen wurde.
Am 2. Februar 2021 war der führende russische Oppositions- und Anti-Korruptionsaktivist Alexej Nawalny wegen "Verletzung der Bewährungsauflagen" einer früheren politisch motivierten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Die russischen Behörden weigern sich trotz weltweiter Massenproteste Alexej Nawalny freizulassen, obwohl die Anschuldigungen gegen ihn absurd sind: Er hatte sich, als er sich von einer beinahe tödlich verlaufenen Vergiftung erholte, nicht bei seinem Bewährungshelfer gemeldet. Auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die eine politische Motivation hinter der Strafverfolgung von Alexej Nawalny festgestellt und seine sofortige Freilassung gefordert hatten, bleiben ohne Konsequenzen. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener und muss sofort und bedingungslos freigelassen werden.