Ohne Kontakt zur Außenwelt

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In Saudi-Arabien wird der Menschenrechtler Ali Ahmad Shaaban seit dem 15. Mai ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Ihm könnten Folter und andere Misshandlungen drohen. Möglicherweise ist er ein gewaltloser politischer Gefangener.

Appell an

INNENMINISTER

His Royal Highness

Prince Mohammed bin Naif bin Abdul Aziz Al Saud

Ministry of the Interior, P.O. Box 2933

Airport Road, Riyadh 11134

SAUDI-ARABIEN

(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)

Fax: (00 966) 11 403 3125

Twitter: @M_Naif_Alsaud

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DES KÖNIGSREICHS SAUDI-ARABIEN

S. E. Herrn Awwad Saleh A Alawwad

Tiergartenstr. 33-34

10785 Berlin

Fax: 030-8892 5179

 

Amnesty fordert:

  • Ich befürchte, dass Ali Ahmad Shaaban nur wegen der friedlichen Wahrnehmung seiner Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit inhaftiert sein könnte. In diesem Fall bitte ich Sie eindringlich, ihn umgehend und bedingungslos freizulassen.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass er bis zu seiner Freilassung vor Folter oder anderweitiger Misshandlung geschützt wird und umgehend regelmäßigen Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl erhält.
  • Bitte veröffentlichen Sie die gegen Ali Ahmad Shaaban erhobenen Vorwürfe. Ich möchte Sie zudem eindringlich bitten, seine Verfahrensrechte zu achten und dafür zu sorgen, dass jegliche gerichtliche Verfahren den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren entsprechen.

Sachlage

Der Buchhalter und Blogger Ali Ahmad Shaaban wurde am 15. Mai um etwa 23.30 Uhr festgenommen, als er in einer Apotheke in Al-Qatif in der Provinz asch-Scharqiyya, der "Östlichen Provinz" Saudi-Arabiens, Milch für seine Tochter kaufte. Seine Tochter, die 20 Monate alte Dina, war zum Zeitpunkt seiner Festnahme bei ihm. Ali Ahmad Shaaban wurde auf eine Polizeiwache im Norden von Al-Qatif gebracht. Er soll mittlerweile in das al-Dammam-Gefängnis, ebenfalls in der Provinz asch-Scharqiyya, gebracht worden sein. Kurz nach seiner Festnahme durfte er kurz seinen Bruder anrufen und ihn bitten, zum Gefängnis zu kommen, um seine Tochter abzuholen. Ali Ahmad Shaaban wird seither ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Er hat weder Zugang zu einem Rechtsbeistand noch zu seiner Familie.



Ali Ahmad Shaaban ist ein Umweltaktivist und Blogger, der sich öffentlich gegen religiösen Extremismus ausspricht und sich für ökologische Nachhaltigkeit in Saudi-Arabien einsetzt. Er schreibt umweltbezogene Blogbeiträge und trat im Oktober 2013 für 16 Tage in den Hungerstreik, um gegen die Zerstörung der Mangrovenwälder in Al-Qatif zu protestieren. Zudem macht er sich für Frauenrechte stark und unterstützt andere inhaftierte Menschenrechtsverteidiger_innen wie z. B. Waleed Abu al-Khair.



Die Gründe für die Festnahme von Ali Ahmad Shaaban sind bisher unklar. Von Aktivist_innen hat Amnesty International jedoch erfahren, dass Ali Ahmad Shaaban möglicherweise wegen kürzlich geposteter Facebook-Beiträge festgenommen wurde, in denen er seine Solidarität mit Bewohner_innen von al-Awwamiya in der Provinz asch-Scharqiyya bekundet hatte. Die Bewohner_innen des Dorfes befinden sich zwischen den Fronten anhaltender Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Männern, die sich weigern, die Gegend zu verlassen. Falls die Facebook-Beiträge der Grund für seine Festnahme sind, betrachtet Amnesty International ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen, der umgehend und bedingungslos freigelassen werden muss.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die systematische Unterdrückung von Autor_innen, Journalist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen ist eine von vielen Maßnahmen der Behörden, um jegliche Art der Kritik zu ersticken, die direkt oder indirekt zur Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen durch die Behörden beiträgt. Ins Visier gerieten bisher beispielsweise bekannte Menschenrechtler_innen und Frauenrechtler_innen, Angehörige von Opfern von Menschenrechtsverletzungen sowie schiitische Muslime, die sich gegen Diskriminierung wehren. Auch Personen, die mit internationalen Menschenrechtsorganisationen wie z. B. Amnesty International in Kontakt treten, werden zur Zielscheibe.



Die saudi-arabischen Behörden unterdrücken seit 2012 systematisch jede Form von friedlichem Aktivismus und Dissens, indem sie gegen Aktivist_innen und Andersdenkende vorgehen. Anfang 2014 waren die meisten bekannten und unabhängigen Menschenrechtsverteidiger_innen Saudi-Arabiens entweder inhaftiert oder mundtot gemacht worden, oder sie hatten das Land verlassen. Die meisten von ihnen waren bereits vor ihrer strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung mit willkürlichen Reiseverboten belegt und von den Sicherheitskräften – insbesondere von Angehörigen des Allgemeinen Geheimdienstes, der dem Innenministerium untersteht – eingeschüchtert und schikaniert worden. Viele Autor_innen, Journalist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen wurden nach unfairen Gerichtsverfahren vor dem Sonderstrafgericht (SCC) verurteilt, darunter auch Alaa Brinji und Nazeer al-Majed. Das SCC ist ein für Sicherheits- und "Terrorismus"-Fälle zuständiges Gericht, dessen Zuständigkeit und Verfahrensweisen nicht näher spezifiziert sind.



Am 24. März 2016 verurteilte das SCC den Journalisten Alaa Brinji zu fünf Jahren Gefängnis und einem anschließenden achtjährigen Reiseverbot, nachdem er für schuldig befunden wurde, "die Herrscher beleidigt", "die Öffentlichkeit aufgewiegelt" und "islamische religiöse Persönlichkeiten lächerlich gemacht" zu haben. Zudem wird ihm vorgeworfen, "gegen Paragraf 6 des Gesetzes gegen Internetkriminalität verstoßen" und "Sicherheitskräfte der Tötung von Protestierenden in al-Awamia bezichtigt" zu haben. Die Anklagen beziehen sich auf Twitterbeiträge, in denen er unter anderem Religionsfreiheit forderte und Unterstützung für die Bewegung "Women to drive" sowie Menschenrechtsverteidiger_innen und gewaltlose politische Gefangene bekundete.



Weitere Informationen finden Sie in der englischsprachigen Pressemitteilung: Journalist sentenced to five years in prison for tweets latest victim of crackdown, 25. März 2016, online unter:

https://www.amnesty.org/en/press-releases/2016/03/saudi-arabia-journali…



Am 18. Januar 2017 wurde der 39-jährige Autor, Techniker und Vater zweier Kinder, Nazeer al-Majed, vom SCC zu sieben Jahren Haft und einem anschließenden siebenjährigen Reiseverbot verurteilt. Er wurde schuldig gesprochen, "die Loyalität gegenüber dem Herrscher gebrochen zu haben", unter anderem durch seine "Teilnahme an Protesten und das Verfassen von Artikeln gegen die Politik des Staates" und die mutmaßliche "Kommunikation mit den Medien". Nazeer al-Majed war bereits am 17. April 2011 festgenommen worden, nur wenige Tage nachdem er einen Artikel mit dem Titel "Ich protestiere, deshalb bin ich ein [guter] Mensch" (ana ahtajj izan ana adami) veröffentlicht hatte. In dem Artikel argumentierte Nazeer al-Majed, dass ein Dialog nur zwischen zwei gleichberechtigten Parteien stattfinden könne und dass nur durch den Protest auf den Straßen die Menschen mit dem Staat auf Augenhöhe stehen könnten, und dies wiederum zu einem wirkungsvollen Dialog führen würde. Vor seiner Festnahme veröffentlichte Nazeer al-Majed außerdem in Printmedien und im Internet arabischsprachige Artikel zu philosophischen, sozialen und politischen Fragen. Weitere Informationen finden Sie in UA-041/2017, online unter: https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-041-2017/ohne-kontakt-zur-ausse….

Appell auf Englisch

  • Expressing concern that Ali Shaaban may have been detained solely for peacefully exercising his right to freedom of expression and association, in which case he should be released immediately and unconditionally.
  • Urging them to ensure that, pending his release, he is protected from torture and other ill-treatment, and is granted prompt and regular access to his family and a lawyer of his choosing.
  • Asking them what charges he faces and that his due process rights are upheld and that any legal proceedings against him conform to international fair trial standards.