DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
Menschenrechtlerin bedroht
Angehörige der indigenen Gruppe Adivasi protestieren im indischen Bundesstaat Odisha gegen die Landnahme durch Konzerne
© Sanjit Das
Wegen ihres friedlichen Engagements sieht sich Pavitri Manjhi mit Bedrohungen, Schikane und Einschüchterungen konfrontiert. Zwischen dem 3. und 5. April wurde sie jeden Abend von zwei Männern zuhause aufgesucht. Diese wiesen sie an, alle formalen Beschwerden zurückzuziehen, die von Adivasi-Dorfbewohner_innen gegen zwei Privatunternehmen eingereicht worden waren. Berichten zufolge waren einige Mitglieder der Dorfgemeinschaft von den Unternehmen um ihr Land betrogen worden.
Appell an
Generaldirektor der Polizei
Shri AN Upadhyay
Police Headquarters
Raipur Chhattisgarh
492001, INDIEN
Sende eine Kopie an
Kontaktstelle für Menschenrechtsverteidiger_innen in der indischen Menschenrechtskommission
Srinivasa Kammath
National Human Rights Commission Block-C, GPO Complex,
INA New Delhi, 110023, INDIEN
Tel: (00 91) 112 465 1330
E-Mail: hrd-nhrc@nic.in
Botschaft der Republik Indien
I. E. Frau Mukta Dutta Tomar
Tiergartenstr. 17
10785 Berlin
Fax: 030 – 25 79 51 02
E-Mail: dcmoffice.berlin@mea.gov.in oder
dcm@indianembassy.de
Amnesty fordert:
- Sorgen Sie bitte dafür, dass Pavitri Manjhi und andere Adivasi-Dorfbewohner_innen angemessen und in Absprache mit ihnen vor Drangsalierung und Einschüchterung geschützt sind.
- Untersuchen Sie die Belästigungsvorwürfe, Bedrohungen und Einschüchterungen der Adivasi-Bevölkerung und ziehen Sie die Verantwortlichen in fairen Gerichtsverfahren zur Rechenschaft.
- Untersuchen Sie die Beschwerden über unrechtmäßige Landenteignung und bringen Sie die Verantwortlichen in einem fairen Prozess vor Gericht.
Sachlage
Pavitri Manjhi, die gewählte Adivasi-Gemeinderatsvorsteherin des Dorfes Bhengari im zentralindischen Bundesstaat Chhattisgarh, wurde am 3. April 2018 von zwei Männern zuhause aufgesucht. Diese forderten sie auf, "alle Klagen gegen das Unternehmen fallenzulassen". Obwohl sie den Männern deutlich machte, dass sie nicht mit ihnen sprechen wollte, bedrohten sie die beiden weiter. Dabei fielen offenbar die Sätze: "Deine eingereichten Beschwerden sind nutzlos, du solltest sie allesamt zurückziehen" und: "Alle, die dir bei der Klage geholfen haben sind Außenseiter und nicht in der Lage dir zu helfen. Wir werden sie zum Schweigen bringen." Nach einer Stunde verließen die Männer das Haus, kamen aber an den folgenden zwei Tagen wieder und schikanierten sie erneut.
Pavitri Manjhi war eine der Anführer_innen im Protest gegen zwei Privatunternehmen, die laut Berichten indigene Adivasi um ihr Land betrogen haben sollen. Dabei ging es in den Jahren 2004 und 2007 um ein geplantes Biomasseheizwerk, ebenso wie um ein Wärmekraftwerk, das zwischen 2009 und 2011 gebaut wurde. Pavitri Manjhi zufolge war ihre eigene Familie sowie weitere Dorfbewohner_innen dazu genötigt worden, ihr Land an Akteure zu verkaufen, die im Auftrag der Unternehmen handelten. Dem Verkauf stimmten sie weder aus freien Stücken zu, noch wurden sie ausreichend über die Folgen informiert. Seit 2015 sieht sich Pavitri Manjhi deshalb mit Bedrohungen, Schikane und Einschüchterungen von Männern konfrontiert, die für das private Wärmekraftwerk arbeiten. Außerdem wurde gegen ihren Sohn Strafanzeige erstattet. Es liegt nahe, dass der Fall konstruiert wurde, um sie davon abzuhalten, ihre Kampagne fortzuführen. Ihr Sohn ist derzeit auf Kaution frei, der Fall aber seit 2015 offen.
Zusammen mit anderen Aktivist_innen gründete Pavitri Manjhi 2017 das Netzwerk "Adivasi Dalit Mazdoor Kisan Sangharsh", eine Gemeinschaftsinitiative, die Einzelpersonen bei der formalen Einreichung von Beschwerden unterstützt. Die Gruppe arbeitet auf der Grundlage des indischen "Scheduled Castes and Scheduled Tribes (Prevention of Atrocities) Act" – einem Gesetz zum Schutz der Rechte von Dalits und Adivasi. Das Gesetz stellt Landenteignungen von Adivasi ohne deren Einverständnis unter Strafe. Im Juni 2017 erstatteten etliche Adivasi-Dorfbewohner_innen bei der Polizei des Bundesstaates Anzeige wegen der rechtswidrigen Enteignung ihres Landes. Allerdings verweigerte die Polizei die Aufnahme von Zeugenaussagen – und damit den ersten Schritt eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens.
Hintergrundinformation
Die Adivasi Indiens tragen seit Jahrzehnten die Hauptlast entwicklungsbedingter Enteignungen, verursacht unter anderem durch staatliche Kohlekraftwerke. Auch eine Reihe von Schutzgesetzen hat die indigene Bevölkerung in Indien nicht vor dem Verlust ihres Landes, der Zerstörung ihrer Lebensgrundlage und der Missachtung ihrer Rechte als Folge von Unternehmensaktivitäten bewahrt. In Raigarh, im Bundestaat Chhattisgarh, kämpfen die Adivasi-Gemeinden seit Jahren gegen die von ihnen als illegal betrachtete Übernahme ihres Landes durch zwei Privatunternehmen, die zu diesem Zweck Methoden wie Nötigung, Betrug und Falschinformation einsetzen.
Nachdem Pavitri Manjhi 2012 zur Gemeinderatsvorsteherin gewählt worden war, mobilisierte sie die Dorfbewohner_innen, die Unternehmen TRN Energy Private Limited – Betreiberin eines 600 MW kohlebetriebenen Wärmekraftwerks in Raigarh – und Mahavir Energy Coal Beneficiation Limited – Betreiberin eines 12 MW Biomasseheizwerks in Bhengari – wegen der unrechtmäßigen Enteignung des Adivasi-Landes anzuzeigen. Aufgrund von ihrem Einsatz sieht sich Pavitri Manjhi nun Bedrohungen, Einschüchterungen und der Schikane von lokalen einflussreichen Personen ausgesetzt. Sie vermutet, dass die Männer auf Anweisung der Unternehmen handeln. Pavitri Manjhi gibt an, die Bedrohungen der Polizei gemeldet zu haben. Diese habe sich jedoch geweigert, ein Strafverfahren einzuleiten.
In den betroffenen Dörfern erließen örtliche Versammlungen (Gram Sabhas) in den Jahren 2015 und 2016 Resolutionen, die dokumentieren, wie die Landverkäufe mittels Betrug und Nötigung zustande gekommen waren. Im Jahr 2017 gründeten Pavitri Manjhi und weitere Akivist_innen das Netzwerk "Adivasi Dalit Mazdoor Kisan Sangharsh". Dieses orientiert sich an Indiens "Scheduled Castes and Scheduled Tribes (Prevention of Atrocities) Act", einem Gesetz, das die Landenteignung der Adivasis ohne deren Einverständnis unter Strafe stellt. Auf dieser Grundlage unterstützte das Netzwerk am 14. Juni 2017 rund 98 Adivasi aus vier Dörfern im Distrikt Raigarh: Khokhraaoma, Katangdih, Nawapara (Tenda) und Bhengari. Sie erstatteten Strafanzeige gegen Mittelsmänner, die offenbar im Auftrag der Unternehmen agierten und gegen Regierungsangehörige, die Kaufverträge registrierten.