Menschenrechtler muss freigelassen werden

Portrait eines Mannes im Anzug, der in ein Mikrofon spricht

Azimjan Askarov

+++ Traurige Nachricht: Azimjan Askarov ist am 25. Juli im Gefängnis gestorben. Weitere Informationen folgen.+++

Azimjan Askarov ist seit fast zehn Jahren wegen seiner Menschenrechtsarbeit in Haft. Die Anschuldigungen gegen ihn sind konstruiert. Im Mai wird der Menschenrechtsverteidiger 69 Jahre alt. Er leidet an Herz- und Atemwegserkrankungen, die sich während der Haftzeit massiv verschlechtert haben. Durch die Ausbreitung von COVID-19 ist sein Leben in ernster Gefahr. Er muss umgehend freigelassen werden

Appell an

Mr Sooronbay Jeenbekov

President of Kyrgyzstan

Presidential administration

205 Chuy Prospect

Bishkek, KIRGISISTAN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Kirgisischen Republik

S.E. Herr Erines Otorbaev

Otto-Suhr-Allee 146, 10585 Berlin

Fax: 030-34 78 13 62

E-Mail: info@botschaft-kirgisien.de

Amnesty fordert:

Sachlage

Azimjan Askarov ist seit fast zehn Jahren in Haft, nachdem er im September 2010 zu Unrecht zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Er hatte bei mehrtägigen Ausschreitungen im Süden Kirgisistans 2010 die Gewalt, die Tötungen und die Brandanschläge dokumentiert, von denen zum Großteil die Häuser ethnischer Usbek_innen betroffen waren. Daraufhin wurde er unter konstruierten Anschuldigungen festgenommen. Amnesty International betrachtet die gegen Azimjan Askarov verhängte Haftstrafe als Vergeltungsmaßnahme für seine Menschenrechtsarbeit. Weder die Ermittlungen noch der Prozess entsprachen den Grundsätzen fairer Gerichtsverfahren. Auch die Vorwürfe von Azimjan Askarov, dass er in der Untersuchungshaft gefoltert worden sei, sind nie angemessen untersucht worden.

Azimjan Askarov wird im Mai 69 Jahre alt und sein Gesundheitszustand hat sich während der Jahre in Haft massiv verschlechtert. Er leidet an Herz- und Atembeschwerden, die in der Haft nie angemessen behandelt wurden. Die momentane Ausbreitung von COVID-19 ist für ihn lebensbedrohlich.

2016 forderte der UN-Menschenrechtsausschuss die kirgisische Regierung dazu auf, Azimjan Askarov umgehend freizulassen und das Urteil gegen ihn aufzuheben. Diese Aufforderung ist von der Europäischen Union und vielen anderen Institutionen immer wieder bekräftigt worden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung des kirgisischen Menschenrechtsverteidigers Azimjan Askarov folgte auf Zusammenstöße zwischen ethnischen Kirgis_innen und Usbek_innen im Süden von Kirgisistan 2010, bei denen 470 Menschen starben. Azimjan Askarov ist ethnischer Usbeke und Direktor der unabhängigen Menschenrechtsorganisation Vozdukh ("Luft"). Er filmte und fotografierte damals die Gewalt und wurde wegen seiner Menschenrechtsarbeit strafrechtlich verfolgt. In einem Bericht vom Dezember 2010 kam Amnesty International zu dem Schluss, dass die Zahl der damals angeklagten Usbek_innen weitaus höher lag als die der angeklagten Kirgis_innen. (Vgl. https://www.amnesty.org/en/documents/EUR58/022/2010/en/) Dieses Ergebnis ist besonders überraschend, da die Mehrzahl der Opfer der Ausschreitungen damals ethnische Usbek_innen waren.

Azimjan Askarov wurde gemeinsam mit sieben weiteren Personen angeklagt, während der mehrtägigen Ausschreitungen in Bazar-Korgan einen Polizisten ermordet zu haben, der der kirgisischen Bevölkerungsgruppe angehörte. Der Prozess machte das Versagen der kirgisischen Behörden deutlich, das Recht auf ein faires Verfahren zu garantieren, das im Einklang mit den internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen Kirgisistans steht. Die Verhandlung fand vom 2. bis 15. September 2010 in Nooken statt und war durch wiederholte gewalttätige Angriffe auf die Angehörigen und Rechtsbeistände von Azimjan Askarov – sowohl inner- als auch außerhalb des Gerichtssaals – gekennzeichnet. Berichten zufolge griffen die anwesenden Beamt_innen und der Richter kaum ein, um die Gewalt zu beenden und die Ordnung wiederherzustellen.

In Folge der Ausschreitungen im Juni 2010 gab es zahlreiche Berichte über Folter und andere Misshandlungen. Strafverfolgungsbeamt_innen schlugen Verdächtige bei ihrer Festnahme auf der Straße, während des Transports in die Haftzentren, bei Verhören oder in der Untersuchungshaft. Azimjan Askarov gab an, dass er kurz nach seiner Festnahme im Polizeigewahrsam in Bazar-Korgan und Jalal-Abad gefoltert und anderweitig misshandelt worden sei. Weder seine Vorwürfe noch die von anderen wurden angemessen untersucht.

Azimjan Askarov wurde im September 2010 in einem Prozess, der nicht den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren entsprach, zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Er wurde schuldig gesprochen, "an ethnisch motivierter Gewalt und dem Mord an einem Polizisten beteiligt" gewesen zu sein.

Der UN-Menschenrechtsausschuss hatte Kirgisistan im März 2016 nachdrücklich aufgefordert, Azimjan Askarov unverzüglich freizulassen, und darauf hingewiesen, dass er gefoltert wurde, kein faires Verfahren erhalten hatte und unter unmenschlichen Bedingungen willkürlich inhaftiert ist. Der Ausschuss forderte Kirgisistan dazu auf, unverzüglich die notwendigen Schritte zur Freilassung von Azimjan Askarov und zur Aufhebung seines Urteils einzuleiten. Obwohl diese Aufforderung ein Wiederaufnahmeverfahren anstieß, sprach ihn das Regionalgericht Tschüi am 24. Januar 2017 erneut schuldig.

Der Auswärtige Dienst der Europäischen Union forderte die kirgisische Regierung in einer Erklärung vom April 2016 auf, der Forderung des UN-Menschenrechtsausschusses sofort nachzukommen. Im Januar 2019 verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution zum Umfassenden Abkommen zwischen der EU und Kirgisistan, in der die sofortige Freilassung und vollständige Rehabilitierung von Azimjan Askarov gefordert und Kirgisistan aufgefordert wird, sein Urteil aufzuheben und ihm Wiedergutmachung zu leisten. Bisher wurden alle Aufforderungen von Kirgisistan konsequent ignoriert.