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Iran: Weitere drohende Hinrichtungen
Amnesty-Protestaktion gegen Hinrichtungen im Iran vor der iranischen Botschaft in Berlin am 23. Januar 2024
© Amnesty International, Foto: Daniela Sepheri
Mindestens 15 Menschen droht im Zusammenhang mit den "Frau, Leben, Freiheit"-Protesten die Todesstrafe. Unter ihnen befinden sich mindestens acht Personen – Fazel Bahramian, Mahmoud Mehrabi, Mamousta Mohammad Khazrnejad, Manouchehr Mehman Navaz, Mehran Bahramian, Mojahed (Abbas) Kourkouri, Reza (Gholamreza) Rasaei und Toomaj Salehi – die in akuter Lebensgefahr schweben. Sie wurden nach grob unfairen Prozessen zum Tode verurteilt. Sie könnten jederzeit hingerichtet werden.
Bitte beachten: Allen Personen mit persönlichen Beziehungen in den Iran raten wir, eine Teilnahme zu prüfen. Dieses Schreiben wird mit deinem Vor- und Nachnamen und Mail-Adresse an den Adressaten im Land gesandt
Appell an
Head of the Judiciary
Gholamhossein Mohseni Ejei
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt No. 15
1050 Bruxelles
BELGIEN
Dein Appell
Sehr geehrter Herr Ejei,
Mindestens acht Personen im Iran wurden in Verbindung mit den Protesten unter dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" 2022 zum Tode verurteilt, neun weitere nach grob unfairen Scheinprozessen willkürlich hingerichtet. Die Behörden haben das Recht dieser Menschen auf faire Gerichtsverfahren massiv verletzt und viele von ihnen Folter und anderen Misshandlungen wie Schlägen, Elektroschocks und sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Angesichts der anhaltenden Hinrichtungswelle wächst die Sorge vor weiteren Hinrichtungen im Zusammenhang mit den Protesten.
Bitte heben Sie umgehend alle Schuldsprüche und Todesurteile auf, die in Verbindung mit den Protesten ausgesprochen wurden. Sehen Sie bitte von weiteren Todesurteilen ab und sorgen Sie dafür, dass alle Personen, die einer als Straftat anerkannten Handlung angeklagt sind, Verfahren erhalten, die den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen und in denen nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird.
Lassen Sie alle Personen, die nur wegen der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigung und friedliche Versammlung schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt, angeklagt oder Gegenstand von Ermittlungen sind, umgehend und bedingungslos frei.
Sorgen Sie dafür, dass die Inhaftierten Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen ihrer Wahl erhalten und vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt sind. Stellen Sie sicher, dass Foltervorwürfe untersucht und die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden.
Außerdem fordere ich Sie nachdrücklich auf, unabhängigen Beobachter*innen Zugang sowohl zu den Verfahren mit möglichen Todesurteilen als auch zu den im Zusammenhang mit den Protesten im Todestrakt Inhaftierten zu gewähren und bis zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe unverzüglich ein offizielles Hinrichtungsmoratorium zu erlassen.
Mit freundlichen Grüßen
Sende eine Kopie an
Botschaft der islamischen Republik Iran
S.E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 67
14195 Berlin
Fax: 030–83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Amnesty fordert:
- Bitte heben Sie umgehend alle Schuldsprüche und Todesurteile auf, die in Verbindung mit den Protesten ausgesprochen wurden. Sehen Sie bitte von weiteren Todesurteilen ab und sorgen Sie dafür, dass alle Personen, die einer als Straftat anerkannten Handlung angeklagt sind, Verfahren erhalten, die den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen und in denen nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird.
- Lassen Sie alle Personen, die nur wegen der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigung und friedliche Versammlung schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt, angeklagt oder Gegenstand von Ermittlungen sind, umgehend und bedingungslos frei.
- Sorgen Sie dafür, dass die Inhaftierten Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen ihrer Wahl erhalten und vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt sind. Stellen Sie sicher, dass Foltervorwürfe untersucht und die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden.
- Außerdem fordere ich Sie nachdrücklich auf, unabhängigen Beobachter*innen Zugang sowohl zu den Verfahren mit möglichen Todesurteilen als auch zu den im Zusammenhang mit den Protesten im Todestrakt Inhaftierten zu gewähren und bis zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe unverzüglich ein offizielles Hinrichtungsmoratorium zu erlassen.
Sachlage
Mindestens 15 Menschen droht im Zusammenhang mit den Protesten unter dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit", die von September bis Dezember 2022 landesweit ausgebrochen waren, die Todesstrafe. Unter ihnen befinden sich mindestens acht Personen – Fazel Bahramian, Mahmoud Mehrabi, Mamousta Mohammad Khazrnejad, Manouchehr Mehman Navaz, Mehran Bahramian, Mojahed Kourkouri, Reza Rasaei und Toomaj Salehi –, die zum Tode verurteilt sind und denen nach grob unfairen Prozessen wegen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh), "Verdorbenheit auf Erden" (ifsad fil-arz) und "bewaffnete Rebellion gegen den Staat" (baghi) unmittelbar die Hinrichtung droht. Am 23. Januar 2024 ließen die Behörden Mohammad Ghobadlou, einen Jugendlichen mit einer psychischen Erkrankung, unter Umgehung rechtlicher Verfahren hinrichten. Sie verweigerten ihm ein Wiederaufnahmeverfahren und vollstreckten sein Todesurteil, obwohl der Oberste Gerichtshof seine Verurteilung und sein Todesurteil im Juli 2023 aufgehoben und eine Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet hatte. Amnesty International sind mindestens zwei weitere Personen bekannt, die wegen Straftaten vor Gericht gestellt wurden, die mit der Todesstrafe geahndet werden können: Saeed Shirazi und Abolfazl Mehri Hossein Hajilou. Gegen mindestens fünf weitere Personen wird wegen Kapitalverbrechen im Zusammenhang mit den Protesten ermittelt. Da die Behörden im Zuge der Proteste Tausende festgenommen und angeklagt haben, ist die Verhängung der Todesstrafe gegen weitere Personen zu befürchten.
Die Verfahren der genannten Personen vor Revolutionsgerichten und/oder Strafgerichten überall im Land – so in den Provinzen Alborz, Isfahan, Teheran, Kermanshah, Chuzestan und West-Aserbaidschan – entsprachen bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Dabei wurden unter anderem folgende Rechte verletzt: das Recht der Angeklagten auf eine angemessene Verteidigung und Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl, das Recht auf Unschuldsvermutung, das Recht zu schweigen, das Recht auf wirkungsvolle Anfechtung der Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung und das Recht auf eine faire, öffentliche Verhandlung. Erzwungene "Geständnisse" wurden als Beweise und als Grundlage für Schuldsprüche verwendet, außerdem strahlten sie die staatlichen Medien im Fall mehrerer Angeklagter bereits vor Prozessbeginn aus. Amnesty International hat dokumentiert, dass die vorgenannten Personen gefoltert und auf andere Weise misshandelt wurden, z. B. durch Schläge, Elektroschocks, simuliertes Ersticken, sexualisierte Gewalt und das Vorenthalten von Gesundheitsversorgung.
Hintergrundinformation
Die Prozesse gegen Personen, die wegen Kapitalverbrechen im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten angeklagt sind, haben mit fairen Gerichtsverfahren nichts zu tun. Während der Ermittlungsphase hatten die Angeklagten keinen Zugang zu ihren Rechtsbeiständen. Die Behörden verweigerten unabhängigen Rechtsbeiständen zudem den Zutritt zu Anhörungen und den Zugang zu den Fallakten. Außerdem haben die Behörden Verfahren im Zusammenhang mit Kapitalverbrechen beschleunigt, indem Gerichte u. a. durch Folter erzwungene "Geständnisse" dazu nutzten, Schuldsprüche zu verhängen.
Amnesty International hat dokumentiert, dass fünf der acht aktuell zum Tode verurteilten Personen gefoltert und auf andere Weise misshandelt wurden, um so "Geständnisse" von ihnen zu erpressen. Informierten Quellen zufolge setzten die Behörden im Verhör von Reza (Gholamreza) Rasaei Elektroschocks ein. Sie simulierten seine Erstickung, indem sie ihm eine Plastiktüte über den Kopf stülpten und verprügelten ihn. Im Oktober 2023 wurde er von einem Strafgericht in der Provinz Kermanshah des "Mordes" für schuldig befunden und zum Tode verurteilt, wobei seine durch Folter erzwungenen "Geständnisse" als Beweise zugelassen wurden. Im Januar 2024 wies der Oberste Gerichtshof seinen Antrag auf gerichtliche Prüfung ab und ließ dabei entlastendes Beweismaterial außer Acht, darunter auch fehlerbehaftete strafrechtliche Ermittlungen, das Fehlen forensischer und anderer Beweise sowie wichtige Zeug*innenaussagen. Reza (Gholamreza) Rasaei hat somit alle Rechtsmittel, um seine Hinrichtung zu verhindern, ausgeschöpft, und sein Todesurteil wurde zur Vollstreckung angewiesen. Anfang April 2023 gaben die Justizbehörden bekannt, dass Mojahed (Abbas) Kourkouri wegen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh), "Verdorbenheit auf Erden" (ifsad fil-arz) und "bewaffnete Rebellion gegen den Staat" (baghi) vor einem Revolutionsgericht in Ahvaz, Provinz Chuzestan, zum Tode verurteilt wurde. Das Verfahren gegen ihn war grob unfair und stützte sich auf "Geständnisse", die während der Zeit, als er dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen war, durch Folter erzwungen wurden.
Zu den acht genannten Personen, die zum Tode verurteilt wurden, gehört auch Toomaj Salehi. Er wurde im April 2024 allein wegen seiner Beteiligung an den Protesten unter dem Slogan "Frauen, Leben, Freiheit" verurteilt sowie wegen Beiträgen in den Sozialen Medien, in denen er die Unterdrückung, die Hinrichtungen und den Einsatz von Folter durch die iranischen Behörden angeprangert und Menschenrechte und Freiheit für die Menschen im Iran gefordert hatte. Mahmoud Mehrabi, der im Februar 2023 festgenommen und am 16. März 2023 gegen Kaution freigelassen wurde, nur um einige Stunden später erneut festgenommen zu werden, wurde von Abteilung 5 des Revolutionsgerichts von Isfahan wegen "Verdorbenheit auf Erden" (ifsad fil-arz) zum Tode verurteilt, wie sein Rechtsbeistand am 5. Mai 2024 auf X mitteilte. Zwei Tage später, am 7. Mai 2024, gab die Nachrichtenagentur der Justiz, Mizan, bekannt, dass seine Verurteilung und sein Todesurteil mit der Bewegung "Frau, Leben, Freiheit" in Zusammenhang stehen. Wie eine gut informierte Quelle Amnesty International mitteilte, habe Mahmoud Mehrabi in seinen Beiträgen in den Sozialen Medien seine Unterstützung für die Proteste geäußert und sei auch mit Repressalien seitens der Behörden konfrontiert worden, weil er die Korruption örtlicher Beamt*innen öffentlich kritisiert hatte. Im November 2022 hat ein Revolutionsgericht in Teheran Manouchehr Mehman Navaz wegen Brandstiftung zum Tode verurteilt, obwohl die Verhängung der Todesstrafe nach dem Völkerrecht nur für Straftaten gestattet ist, die eine vorsätzliche Tötung beinhalten. Er soll während der Proteste "in der Absicht, den Islamischen Staat zu bekämpfen", ein staatliches Gebäude in Brand gesteckt haben. Das Gericht befand ihn nach einem grob unfairen Verfahren der "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) für schuldig und verhängte am 29. Oktober 2022 – nur zwei Wochen nach Prozessbeginn – das Todesurteil.
Zusätzlich zu den oben genannten liegen Amnesty International die Namen von mindestens fünf weiteren Personen – Kamran Soltani, Mohammad FarjI, Pouria Javaheri, Raouf Sheikh Maroufi und Reza Arabpour – vor, die sich in Haft befinden und gegen die bereits Anklage wegen Kapitalverbrechen erhoben wurde oder denen die Anklageerhebung wegen Kapitalverbrechen droht. Amnesty International geht davon aus, dass die tatsächliche Zahl von Personen, die einem ähnlichen Risiko ausgesetzt sind, höher ist.
Bislang haben die Behörden mindestens neun Personen im Zusammenhang mit dem Aufstand willkürlich hingerichtet, nachdem sie in grob unfairen, von Foltervorwürfen geprägten Verfahren verurteilt worden waren. Mohammad Ghobadlou, ein 23-jähriger Protestteilnehmer mit einer psychischen Erkrankung, wurde am 23. Januar 2024 unerwartet und rechtswidrig hingerichtet, obwohl Abteilung 1 des Obersten Gerichtshofs seine Todesstrafe aufgehoben und eine Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet hatte – eine Wiederaufnahme, die nach dem Eingreifen der obersten Justizautorität, Gholamhossein Mohseni Ejei, jedoch nie stattfinden sollte.
Seit dem Aufstand der Bewegung "Frauen, Leben, Freiheit" setzen die iranischen Behörden verstärkt die Todesstrafe ein, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Macht zu festigen. Im Jahr 2023 führten die Behörden mindestens 853 Hinrichtungen durch, was eine Zunahme von 48 Prozent seit 2022 bedeutet. Die Behörden vollstreckten 2023 mindestens sieben Todesurteile im Zusammenhang mit den Protesten. Mohammad Mehdi Karami und Seyed Mohammad Hosseini wurden im Januar, Majid Kazemi, Saleh Mirhashemi und Saeed Yaghoubi im Mai und Milad Zohrevand im November im Zusammenhang mit den Protesten von 2022 hingerichtet. Die Hinrichtung von Kamran Rezaei erfolgte im November und stand im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten vom November 2019. Unverhältnismäßig stark sind die Auswirkungen des Einsatzes der Todesstrafe für die unterdrückte ethnische Minderheit der Belutsch*innen im Iran. Sie stellen 5 Prozent der iranischen Bevölkerung, ihr Anteil an allen Hinrichtungen im Jahr 2023 liegt jedoch bei 20 Prozent. Die iranischen Behörden setzen ihre Hinrichtungsserie auch 2024 fort, auch gegen ethnische Minderheiten und Dissident*innen. Der Menschenrechtsorganisation Abdorrahman Boroumand Centre zufolge wurden bis zum 20. Mai 2024 mindestens 250 Hinrichtungen durchgeführt.