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Sufi muss freigelassen werden
Behnam Mahjoubi ist Angehöriger der Gonabadi-Derwische, des größten Sufi-Ordens im Iran.
© privat
Behnam Mahjoubi wird in Haft gefoltert und auf andere Weise misshandelt, u.a. durch die Verweigerung der fachärztlichen Behandlung. Sein Gesundheitszustand hat sich sehr verschlechtert. Er ist Angehöriger der verfolgten religiösen Minderheit der Gonabadi-Derwische im Iran. Der gewaltlose politische Gefangene muss eine zweijährige Haftstrafe im Teheraner Evin-Gefängnis verbüßen, weil er 2018 an einer friedlichen Protestveranstaltung teilgenommen hatte.
Appell an
Ebrahim Raisi
Head of Judiciary
c/o Permanent Mission of Iran to the United Nations
Chemin du Petit-Saconnex 28
1209 Genf
SCHWEIZ
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S.E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030 – 83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Amnesty fordert:
- Lassen Sie Behnam Mahjoubi bitte umgehend und bedingungslos frei, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung seiner Rechte in Haft befindet.
- Stellen Sie bitte sicher, dass er Zugang zu der fachärztlichen Behandlung hat, die er benötigt, dass er entsprechend der Medizinethik versorgt wird und die Grundsätze der Vertraulichkeit, Patientenautonomie und Einwilligung nach Aufklärung eingehalten werden. Bitte gewährleisten Sie seinen Schutz vor Folter und anderer Misshandlung.
- Bitte sorgen Sie außerdem dafür, dass er Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl erhält.
Sachlage
Behnam Mahjoubi, Angehöriger der religiösen Minderheit der Gonabadi-Derwische, des größten Sufi-Ordens im Iran, wird seit dem 20. Juni 2020 im Evin-Gefängnis festgehalten. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der nur wegen der friedlichen Wahrnehmung seiner Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungfreiheit inhaftiert ist. Er leidet unter einer schweren Panikstörung, für deren Behandlung er täglich Medikamente einnehmen muss, die von einem Arzt außerhalb des Gefängnisses verschrieben werden. Der behandelnde Psychiater außerhalb des Gefängnisses hält ihn gut informierten Quellen zufolge für haftunfähig, und Ärzt_innen der rechtsmedizinischen Organisation Legal Medicine Organization haben nach einer Untersuchung von Behnam Mahjoubi ebenfalls schriftlich bestätigt, dass er haftunfähig sei. Die Behörden weigern sich dennoch, ihn freizulassen. Laut gut unterrichteten Quellen foltern und misshandeln sie ihn stattdessen in anderer Weise, indem sie ihm zeitweise den Zugang zu seinen Medikamenten verweigern und ihn zu verschiedenen Gelegenheiten in ein psychiatrisches Krankenhaus bringen, in dem ihm gegen seinen Willen und ohne ihm zu sagen, was ihm verabreicht wird, chemische Substanzen injiziert werden. Im September 2020 drängte ihn der Gefängnisarzt Schlaftabletten zu nehmen, offenbar um damit seine Panikstörung zu kontrollieren. Nach der Einnahme bekam Behnam Mahjoubi Krampfanfälle und Teillähmungen. Seither hat sich sein Gesundheitszustand stark verschlechtert. Seine linke Körperhälfte ist zum Teil gelähmt, seine linke Hand zittert und ohne Hilfe kann er nicht gehen. Er ist schon mehrmals in den Hungerstreik getreten. Er protestiert damit gegen seine Inhaftierung und die Behandlung im Gefängnis, gegen die Verweigerung der fachärztlichen Versorgung außerhalb des Gefängnisses zur Behandlung seiner Krampfanfälle und Lähmungserscheinungen und gegen das wiederholte Vorenthalten seiner Medikamente.
Behnam Mahjoubi wurde im April 2018 im Zusammenhang mit den friedlichen Protesten der Gonabadi-Derwische in Teheran vom 19. Februar 2018 festgenommen. Die Sicherheitskräfte zerschlugen die Proteste mit Gewalt und nahmen Hunderte Menschen fest. Nach seiner Festnahme durch etwa 20 Sicherheitskräfte in Zivil wurde Behnam Mahjoubi eine Woche lang in Esfahan und weitere 22 Tage in Kerman festgehalten. In beiden Gefängnissen wurde er geschlagen; er saß in Einzelhaft, das Licht brannte rund um die Uhr und er wurde ohne einen Rechtsbeistand verhört. Die Verhörenden befragten ihn zu den Aktivitäten der Gonabadi-Derwische. Sie befahlen ihm, die Namen aller ihm bekannten Gonabadi-Derwische zu nennen und zwangen ihn, "Geständnisse" zu unterschreiben. Am 9. August 2019 sprach ihn die Abteilung 26 des Revolutionsgerichts in Teheran in einem unfairen Verfahren und unter Verwendung seiner erzwungenen "Geständnisse" der konstruierten Anklage "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit" schuldig und verurteilte ihn zu zwei Jahren Gefängnis und zu einem zweijährigen Verbot der Beteiligung an gesellschaftlichen und politischen Gruppen. Am 29. Mai 2018 kam er gegen Kaution frei. Am 20. Juni 2020 wurde er vorgeladen, um seine Haftstrafe anzutreten.
Hintergrundinformation
Mehrere Hundert männliche und weibliche Angehörige der Gonabadi-Derwische kamen in der Nacht des 19. Februar vor dem Haus ihres geistlichen Oberhauptes Noor Ali Tabandeh in Golestan Haftom, einem Stadtteil von Teheran, zusammen. Sie wollten dort gegen die verstärkte Verfolgung ihrer Gemeinschaft durch die Behörden protestieren und eine mögliche Festnahme ihres Oberhauptes verhindern. Anwesende bei der Protestveranstaltung berichteten, dass die Polizei und Basiji-Kräfte in Zivil Menschen mit Stöcken, Elektrokabeln und scharfen Gegenständen schlugen und Tränengas, Wasserwerfer und scharfe Munition einsetzten, um die Menge auseinanderzutreiben. Sie nahmen mehr als 300 Personen, darunter 60 Frauen, fest. Teilnehmer_innen berichteten desweiteren, Sicherheitskräfte hätten ein nahestehendes fünfstöckiges Gebäude gestürmt, in das Protestierende geflohen waren. Dort hätten sie das Treppenhaus mit Tränengas geflutet, einen "Tunnel" aus Schlagstöcken gebildet und Protestierenden widerholt auf Rücken, Kopf und Gesicht geschlagen, während sie sie gewaltsam die Treppe hinunter und in die Polizeiwagen zerrten. Fotos und Videos von den Geschehnissen zeigen Protestteilnehmer_innen mit Platzwunden und anderen Verletzungen sowie mit Verbänden an Kopf und Körper.
Im Zusammenhang mit diesem Ereignis wurden mehr als 200 Gonabadi-Derwische zu insgesamt 1.080 Jahren Gefängnis, 5.995 Stockhieben sowie zu inneriranischem "Exil", Reiseverboten und Beteiligungsverboten an politischen oder gesellschaftlichen Gruppen verurteilt. Bei Behnam Mahjoubis Gerichtsurteil berief sich die Staatsanwaltschaft auf friedliche Aktivitäten, die unter internationalen Menschenrechtsnormen geschützt sind, als Beweis für seine kriminelle Aktivitäten.
Den Schuldspruch gegen Behnam Mahjoubi begründete das Gericht mit seiner friedlichen Beteiligung an einer Protestveranstaltung und seiner vermeintlichen Mitgliedschaft in Online-Gruppen, die über Menschenrechtsverletzungen an Gonabadi-Derwischen berichten. Weiter bezog sich das Gericht dabei auf die von Behnam Mahjoubi erzwungenen "Geständnisse", bei denen er die Teilnahme an der Protestveranstaltung zugab, die die Staatsanwaltschaft als "illegal" bezeichnete.
Die Gonabadi-Derwische sind eine religiöse Minderheit im Iran und Mitglied des größten Sufi-Ordens des Landes. Sie betrachten sich als schiitische Muslime. Sie beschreiben Sufismus weder als Religion noch als Sekte, sondern vielmehr als eine Lebensart, mit der Menschen jeder Religion zu Gott finden können. Wegen ihrer Sufi-Überzeugungen werden sie von den Behörden diskriminiert, schikaniert, willkürlich festgenommen, inhaftiert, zu Prügelstrafen verurteilt und es kommt zu Angriffen gegen ihre Gebetshäuser.
Seit der Inhaftierung ist Behnam Mahjoubi wiederholt in den Hungerstreik getreten. Amnesty International wurde berichtet, dass die Gefängnisbehörden ihm oft wochenlang die Medikamente vorenthalten, die seine Familie ihm ins Gefängnis bringt. Den ersten Hungerstreik begann Behnam Mahjoubi am 31. Juli 2020 und beendete ihn drei Tage später, als die Gefängnisbehörden versprachen, ihm seine Medikamente auszuhändigen. Mitte August trat er erneut für zwölf Tage in den Hungerstreik und drückte damit seine Solidarität mit der hungerstreikenden Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh aus, die angesichts der Verbreitung von Covid-19 in den iranischen Gefängnissen mit ihrem Hungerstreik die Freilassung aller gewaltlosen politischen Gefangenen forderte. Zuvor hatten die iranischen Behörden mit der vorübergehenden Freilassung von 128.000 und der Begnadigung von weiteren 10.000 Gefangenen auf den Ausbruch der Pandemie reagiert. Hunderte gewaltlose politische Gefangene wurden jedoch von dieser Maßnahme ausgeschlossen.
Der zwölftägige Hungerstreik im August 2020 schwächte Behnam Mahjoubi sehr. Als er im Gefängnis kollabierte, wurde er in ein Krankenhaus gebracht. Doch noch am selben Tag musste er in das Gefängnis zurückkehren, obwohl Ärzt_innen empfohlen hatten, ihn mehrere Tage im Krankenhaus zu behalten. In der letzten Septemberwoche 2020 erlitt Behnam Mahjoubi Krampfanfälle, bei denen er mit dem Kopf auf den Boden schlug und zeitweilige Lähmungen der linken Körperhälfte aufwies. Quellen, die mit seinem Fall vertraut sind, berichteten Amnesty International, dass es sein könne, dass sich die vom Gefängnisarzt verschriebenen Schlafmittel mit den regulären Medikamenten gegen seine Panikstörung nicht vertragen hätten, und sie dadurch zu den Krämpfen beigetragen haben könnten.
Die Gefängnisbehörden hatten nach den Krampfanfällen zwar versprochen, ihn regelmäßig zur Kontrolle ins Krankenhaus zu bringen, doch am 27. September 2020 brachten sie ihn stattdessen in das psychiatrische Krankenhaus Aminabad, wo ihm gegen seinen Willen Injektionen verabreicht wurden. Am 29. September trat er aus Protest gegen seine Zwangsunterbringung in dem psychiatrischen Krankenhaus in den Hungerstreik. Sechs Tage später brachten ihn die Behörden ins Gefängnis zurück und er beendete weitere zwei Tage darauf den Hungerstreik.
Nach der Rückkehr ins Gefängnis verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Die linke Körperhälfte blieb taub, seine Beine schwollen an, und ohne Gehhilfe konnte er nicht mehr laufen. Daraufhin trat er am 29. Oktober 2020 erneut in den Hungerstreik und zwei Tage später, am 31. Oktober, brachten ihn die Gefängnisbehörden erneut gegen seinen Willen in die Psychiatrie in Aminabad. Der Familie teilten sie jedoch mit, sie hätten ihn in ein allgemeines Krankenhaus gebracht. Amnesty International liegen Informationen vor, dass die Ärzt_innen in der Psychiatrie Behnam Mahjoubi mit Elektroschocks drohten, wenn er den Hungerstreik nicht aufgäbe. Am 2. November brachte man ihn ins Gefängnis zurück und er beendete den Hungerstreik am nächsten Tag. Seither hat sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert.