400 Rohingya dürfen nicht an Land

Rohingya Flüchtlinge aus Myanmar bei ihrer Ankunft in Bangladesch
© Andrew Stanbridge / Amnesty International
400 geflüchtete Rohingya sollen in Booten auf See treiben, weil sie nicht an Land gelassen werden. Dutzende sollen bereits gestorben sein. Sie fliehen vor der Gewalt in ihrem Herkunftsland, doch die Regierungen in Süd- und Südostasien nutzen die Einschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie, um ihnen eine sichere Anlandung zu verweigern. Die indonesische Regierung hat als stellvertretende Vorsitzende des Bali-Prozesses von 2016 eine Verantwortung, in Einklang mit regionalen Erklärungen und internationalem Recht die regionale Antwort auf die Krise zu verwalten und Such- und Rettungseinsätze zu koordinieren, um Boote in Seenot ausfindig zu machen und ihnen zur Hilfe zu kommen.
Appell an
Außenministerin
Retno Lestari Priansari Marsudi, S.H., LL.M.
Ministry of Foreign Affairs of the Republic of Indonesia
Taman Pejambon no. 6, Central Jakarta, DKI Jakarta 10110 INDONESIEN
Sende eine Kopie an
BOTSCHAFT DER Republik Indonesien
S. E. Herrn Arif Havas Oegroseno
Lehrter Straße 16-17, 10557 Berlin
Fax: 030-4473 7142
E-Mail: info@kbri-berlin.de oder info@botschaft-indonesien.de
Amnesty fordert:
- Rufen Sie bitte umgehend eine Sondersitzung ein, in der die Such- und Rettungseinsätze im Einklang mit den regionalen Erklärungen und internationalem Recht koordiniert werden, um Schiffe in Not aufzuspüren und ihnen zu helfen.
- Arbeiten Sie bitte mit anderen Regierungen der Region zusammen, unterlassen Sie es, Schiffe aufs offene Meer zurückzuschicken und gestatten Sie es Booten mit Flüchtlinge und Migrant_innen, sicher im nächstgelegenen Hafen an Land zu gehen.
- Priorisieren Sie zusammen mit den Nachbarstaaten (insbesondere Malaysia und Thailand) die unmittelbaren humanitären Bedürfnisse von Flüchtlinge und Migrant_innen, darunter angemessene Nahrung, Wasser, Unterkunft und Gesundheitsversorgung, gemäß der Präsidialverordnung 125/2016, wenn sich die Schiffe in indonesischen Gewässern befinden.
Sachlage
Mehrere Hundert Rohingya befinden sich seit Wochen oder Monaten auf See, nachdem sie aus dem nördlichen Bundesstaat Rakhine in Myanmar geflüchtet sind, weil das Militär gewaltsam gegen sie vorgegangen ist. Die Regierungen in der Region berufen sich auf die Covid-19-Pandemie, um ihnen die Erlaubnis zu verweigern, in ihren Ländern an Land zu gehen.
Es ist sehr alarmierend, dass bereits Dutzende Menschen auf See gestorben sind, und es gibt Berichte, dass diejenigen, die an Land gehen konnten, unterernährt und dehydriert sind. Nach Amnesty International vorliegenden Informationen, sind immer noch um die 400 Rohingya auf See.
Minister_innen mehrerer Länder verpflichteten sich im März 2016 im Bali-Prozess zu einer gemeinsamen regionalen Herangehensweise, um die Sicherheit und den Schutz von Flüchtlingen und Migrant_innen sicherzustellen. Als stellevertretende Vorsitzende des Bali-Prozesses verpflichtete sich die indonesische Regierung, eine entscheidende Rolle bei der Reaktion auf die Krise zu spielen und sicherzustellen, dass es nicht zu weiteren tragischen Todesfällen kommt.
Die Situation ist besorgniserregend und bringt traurige Erinnerungen an die Andaman-Seekrise von 2015 ins Gedächtnis, als eine unbekannte Zahl von Rohingya nicht gerettet wurde und Hunderte starben. Das Versagen bei der Reaktion auf eine humanitäre Krise darf sich nicht jedes Jahr wiederholen.
Hintergrundinformation
Seit August 2017 sind mehr als 740.000 Rohingya aus ihrer Heimat im nördlichen Bundesstaat Rakhine in Myanmar geflohen, weil das Militär mit brutaler Gewalt gegen sie vorging. Ein UN-Bericht kommt zu dem Schluss, dass dieses Verbrechen einen Genozid darstellen könnte. In den Jahren nach den Angriffen sind die Rohingya über die Grenze in Nachbarländer geflohen.
Seit Jahren versuchen sie Malaysia, Thailand, Indonesien und andere Länder zu erreichen. Ohne Visa und Reisedokumente und mit strikten Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit, durch die Landverbindungen fast unmöglich werden, sind Boote häufig die einzige Möglichkeit für eine Flucht.
Im Mai 2020 sind Berichten zufolge Dutzende an Bord eines Schiffs gestorben, dem die malaysischen Behörden das Einlaufen in einen Hafen untersagten. Die Überlebenden, die schließlich in Bangladesch an Land gehen durften, waren unterernährt und dehydriert. Im Juni haben Malaysia und Bangladesch nach anfänglichen Ausschiffungen die Unterstützung von Menschen auf See in Not eingestellt und verweigern ihnen das Einlaufen in ihre Häfen. Die Küstenwache schleppt die Boote sogar zurück auf See. Andere Länder reagieren gar nicht.
Süd- und südostasiatische Regierungen müssen umgehend Such- und Rettungseinsätze für auf See treibende Rohingya einleiten und ihnen Nahrung und Medizin zur Verfügung stellen und sie an Land lassen. Die Behörden dürfen keine Boote auf See zurückschleppen. Die Reaktion auf die Covid-19-Pandemie sollte keine Entschuldigung dafür sein, Rohingya ein sicheres Anlandgehen und das Stellen von Asylanträgen zu verwehren.
Die Regierungen müssen auch ihre Verpflichtungen im Rahmen internationaler Erklärungen wie die ASEAN Erklärung zu Such- und Rettungseinsätzen von 2010 und die Bali-Erklärung von 2016 sowie das Ergebnis des Treffens vom Februar 2020 der Taskforce zum Bali-Prozess einhalten, die "bei irregulärer Migration über den Seeweg das Retten von Leben auf See und nicht die Gefährdung von Leben und Sicherheit von Personen priorisiert".
Auch wenn Indonesien kein Vertragsstaat der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ist, so spielt das Land eine doch entscheidende Rolle als stellvertretende Vorsitzende des Bali-Prozesses mit Australien. 2016 brachte Indonesien auch die Präsidialverordnung 125/2016 über den Umgang mit ausländischen Flüchtlingen heraus. Darüberhinaus hat Indonesien eine Taskforce für den Umgang mit Geflüchteten (Satuan Tugas Penanganan Pengungsi dari Luar Negeri), die dem Koordiniereden Ministerium für politische, rechtliche und Sicherheitsangelegenheiten untersteht, das mit dem UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge in Indonesien kooperiert.