Ägypten: Schikanen gegen Anti-Folter-Zentrum beenden!

Vier lächelnde Frauen stehen in einem Büro vor einer Pinnwand

Die Leiterinnen des Nadeem-Zentrums in ihrem Büro in Kairo (von links nach rechts): Dr. Mona Hamed, Dr. Aida Seif al-Dawla, Dr. Magda Adly und Dr. Suzan Fayad

Wir haben die Petition am 30.10.2018 geschlossen. Insgesamt wurden mehr als 17.000 Appelle gesammelt. Vielen Dank an alle, die mitgemacht haben!

Schläge, Elektroschocks, Herausreißen der Fingernägel – Folter durch Sicherheitskräfte ist Alltag in Ägypten. Doch Präsident Abdel Fattah al-Sisi leugnet das konsequent. Das Nadeem-Zentrum aus Kairo macht regelmäßig Folterfälle öffentlich und betreibt die einzige Klinik, die gefolterte Menschen behandelt. Diese wurde von der Regierung geschlossen, zwei der Leiterinnen wurden mit Reiseverboten bestraft. 

Die unbeugsamen Frauen des Nadeem-Zentrums nehmen das nicht hin. Sie machen weiter. Trotz aller Widerstände berichtet ihr Team weiter über Folter und setzt die Behandlung von Folterüberlebenden fort: "Wir finden immer einen Weg, wie wir Betroffenen Hilfe anbieten können. Seit der Schließung der Klinik haben wir nicht einen einzigen Tag lang aufgehört, Patientinnen und Patienten zu treffen", sagt Aida Seif al-Dawla.

Der Fall des Nadeem-Zentrums ist ein Beispiel für die Hetzjagd auf Menschenrechtlerinnen, Menschenrechtler und Andersdenkende in Ägypten. Zehntausende Menschen wurden seit 2013 aus politischen Gründen inhaftiert. Ein neues NGO-Gesetz verbietet Organisationen jegliche Aktivitäten, die nicht von der Regierung genehmigt wurden. Es droht das Ende der unabhängigen Zivilgesellschaft.

Doch Aida, Magda, Mona und Suzan halten die Hoffnung auf ein Ägypten am Leben, in dem die Menschenrechte geachtet werden – gemeinsam mit vielen anderen mutigen Ägypterinnen und Ägyptern.

Am 29. Oktober 2018 waren wir vor der ägyptischen Botschaft in Berlin, um eure Unterschriften für die Wiedereröffnung des Nadeem-Zentrums und eine freie Zivilgesellschaft in Ägypten zu übergeben. Vielen Dank für eure Unterstützung! 

Appell Text

Sehr geehrter Herr Präsident,

das Nadeem-Zentrum in Kairo dokumentiert seit 25 Jahren Folter durch ägyptische Sicherheitskräfte und betreibt die einzige Spezialklinik, in der gefolterte Menschen medizinisch und psychologisch behandelt werden. Wir sind sehr besorgt darüber, dass das Gesundheitsministerium die Klinik unter dem Vorwand der falschen Registrierung schließen ließ und zwei Leiterinnen des Zentrums das Land nicht mehr verlassen dürfen.
Ägyptische Behörden und die Justiz behindern auch andere zivilgesellschaftliche Organisationen stark in ihrer Arbeit. Im sogenannten "Verfahren 173" wird eine Vielzahl von Vertreterinnen und Vertretern ägyptischer Organisationen strafrechtlich verfolgt, weil sie ausländische Finanzierung erhielten. In den vergangenen Jahren wurden die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit massiv eingeschränkt. All das verstößt eindeutig gegen internationales Recht und die ägyptische Verfassung.

Wir fordern daher von Ihnen, 

  • die Klinik des Nadeem-Zentrums ohne Bedingungen wieder zu öffnen;  
  • die Folter durch ägyptische Sicherheitskräfte zu beenden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, ohne die Todesstrafe anzuwenden; 
  • willkürliche Festnahmen, Reiseverbote oder Kontosperrungen sowie alle Ermittlungen gegen Nichtregierungsorganisationen im Rahmen des "Verfahrens 173" zu beenden;  
  • das NGO-Gesetz (70/2017) zu widerrufen und die Zivilgesellschaft bei jeglichen Gesetzesänderungen, die ihre Arbeit betreffen, einzubeziehen.

Hochachtungsvoll,

Hintergrundinformationen

Sieben Jahre nach dem Aufstand gegen den damaligen Präsidenten Hosni Mubarak hat Ägyptens Sicherheitsapparat das Land wieder fest im Griff. Die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi setzt auf Repression. Seit der Machtübernahme des ehemaligen Armeechefs 2013 wurden Zehntausende Menschen inhaftiert, darunter viele Oppositionelle, Demonstrierende und Medienschaffende. Um die vielen politischen Gefangenen unterzubringen, wurden 19 zusätzliche Gefängnisse errichtet. Neue Gesetze behindern die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen und schränken die Versammlungs- und Meinungsfreiheit massiv ein.

Dutzende Personen, die sich für die Menschenrechte einsetzen, wurden in den vergangenen Jahren verhört und strafrechtlich verfolgt. Die Behörden verhängten Reiseverbote und froren Konten ein. Manchen Organisationen droht die Schließung. 2017 wurde ein neues drakonisches Gesetz zu Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eingeführt. Sie dürfen nur noch Aktivitäten ausüben, die von der Regierung genehmigt wurden. Es droht das Ende einer unabhängigen Zivilgesellschaft.

Der Einsatz gegen Folter und andere Misshandlungen war ein wichtiger Antrieb der Protestbewegung in Ägypten 2011. An der damaligen Praxis hat sich jedoch bis heute nichts geändert: Schläge, Elektroschocks, Herausreißen der Fingernägel und andere Foltermethoden sind in den Polizeiwachen und Gefängnissen des Landes an der Tagesordnung. Jedes Jahr kommen dabei Menschen zu Tode. Die ägyptische Staatsführung leugnet das konsequent. "Wir machen keinen Gebrauch von Folter", behauptete der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi im Oktober 2017 bei einem Staatsbesuch in Frankreich. Doch der UN-Ausschuss gegen Folter kam im Juni 2017 zum gegenteiligen Schluss: Er stellte fest, dass "Folter in Ägypten eine systematische Praxis" ist.

Ägyptische Menschenrechtsorganisationen können das bestätigen. Das Nadeem-Zentrum für die Rehabilitierung von Opfern von Gewalt und Folter in Kairo berichtet Jahr für Jahr über Hunderte grausamer Fälle. "Wir wollten ursprünglich eine Art Karte der Polizeiwachen zeichnen, in denen gefoltert wird", erzählt Dr. Aida Seif al-Dawla, die das Zentrum mit gegründet hat. "Dabei mussten wir feststellen, dass die Landkarte der Folter die Landkarte des gesamten Landes ist."