Amnesty Report 01. Oktober 2009

Das Recht auf Wohnen

Weltweit werden Menschen widerrechtlich aus ihren Häusern und von ihrem Land vertrieben - oft mit brutaler Gewalt. Der Schutz vor einer rechtswidrigen Zwangsräumung gilt jedoch auch für jene, die keine Mietverträge oder formellen Rechte an dem Land haben, auf dem sie wohnen. Dazu haben sich Staaten mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und durch den UN-Sozialpakt verpflichtet.

Das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen

Das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen (kurz: Recht auf Wohnen) ist sowohl in Artikel 25 (1) der AEMR als auch in Artikel 11 (1) des UN-Sozialpakts verankert. Dieser Pakt ist keine unverbindliche Absichtserklärung: Er garantiert allen Menschen Rechte, die kein Staat gefährden darf bzw. für deren Einhaltung ein Staat zuständig ist. Laut UN gehören zum Recht auf Wohnen:

  • Sicherheit des Besitzes, z.B. durch Urkunden. Aber auch wenn Menschen keine Papiere über ihre Wohnung besitzen, dürfen sie nicht einfach vertrieben werden und müssen immer Rechtssicherheit/Zugang zu Gerichten haben.
  • Zugang zu sauberem Trinkwasser, Energieversorgung, medizinische Versorgung, sanitäre Anlagen u.a.
  • Bezahlbarkeit der Unterkunft
  • Bewohnbarkeit: Schutz vor Kälte, Hitze, Feuchtigkeit, Wind und Regen
  • Erreichbarkeit: Schulen, Arbeit u.a. müssen in Reichweite der Wohnung liegen

Was muss der Staat tun?

Der Staat ist daher verpflichtet, das Recht seiner Bevölkerung auf eine angemessene Unterkunft zu respektieren und sie vor Eingriffen Dritter (wie z.B. Zwangsräumungen durch Privatunternehmen) zu schützen. Außerdem muss er laut Sozialpakt unter Ausschöpfung seiner Möglichkeiten die Umsetzung des Rechts auf Wohnen betreiben, d.h. die Grundversorgung von bestimmten öffentlichen Gütern für alle Bewohner bereitstellen, unabhängig davon, ob sie arm oder reich sind.

Gerade Menschen in Armut werden aber häufig vom Staat übersehen. So investieren Staaten z.B. in die Wasserversorgung in Mittelstandsstadtteilen, denken aber nicht über die Frage nach, wie Slumbewohner Zugang zu sauberem Wasser erhalten können. Die Folge: Häufig haben sie kein Trinkwasser zur Verfügung und müssen das Wasser aus weit entfernten Gebieten tragen oder aber zu erhöhten Preisen kaufen. Ebenso ist es mit der Polizei: In Brasilien schützen Polizisten vielfach Menschen in wohlhabenden Stadtteilen, nicht aber Slumbewohner, die besonders häufig Opfer von Verbrechen werden.

Rechtswidrige Zwangsräumungen

Internationale Normen beschreiben eine rechtswidrige Zwangsräumung als eine gegen den Willen der Betroffenen stattfindende Vertreibung aus ihren Wohnungen oder von ihrem Land, ohne dass ein geeigneter rechtlicher oder anderer Schutz vorhanden ist.

Das bedeutet: Kein Mensch darf ohne weiteres aus seinem Haus, seiner Wohnung oder von seinem Land vertrieben werden. Eine Zwangsräumung ist nur unter strengen rechtlichen Auflagen zulässig, und niemand darf dadurch obdachlos werden. Als Ersatz muss ein angemessener Wohnraum gestellt werden, in dem menschenwürdiges Wohnen und Leben möglich ist. Trotzdem werden immer mehr Menschen aus ihren Häusern und von ihrem Land vertrieben, oft mit brutaler Gewalt. Die Betroffenen werden vorher vielfach nicht darüber informiert und von der unangekündigten Zerstörung ihres Wohnraums überrascht. Somit haben sie im Vorfeld keine Möglichkeit, sich mit rechtlichen Mitteln dagegen zu wehren. Der Schutz vor einer rechtswidrigen Zwangsräumung gilt auch für Menschen, die keine Mietverträge oder formellen Rechte an dem Land haben, auf dem sie wohnen. Auch ihre Wohnungen oder Hütten sind Unterkünfte, die geschützt werden müssen und die der Staat nicht einfach zerstören darf.

Eine rechtswidrige Zwangsräumung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Daher dürfen Zwangsräumungen nur nach Ausschluss aller anderen Alternativen und unter Berücksichtigung von bestimmten Richtlinien vorgenommen werden. Die UN hat dafür u.a. folgende Kriterien definiert

  • ernsthafte Konsultation mit den Betroffenen
  • Information über den Zeitpunkt und Zweck der Räumung
  • Rechtsschutz, d.h. die Betroffenen müssen die Möglichkeit haben, ihr Recht gerichtlich geltend zu machen

Warum arbeitet Amnesty International dazu?

"Wohnen. In Würde" ist eines von drei Schwerpunktthemen, die Amnesty in den Mittelpunkt der Kampagne "Mit Menschenrechten gegen Armut" stellt. Die Verletzung des Rechts auf angemessenes Wohnen ist eine Menschenrechtsverletzung, die meist in Kombination mit weiteren Menschenrechtsverletzungen, wie dem Recht auf Gesundheit, Sicherheit, körperliche Unversehrtheit oder Bildung auftritt.

Amnesty konzentriert sich beim Recht auf Wohnen vor allem auf rechtswidrige Zwangsräumungen. Menschen in Slums oder Roma in Europa leben zwar häufig in ärmlichen Verhältnissen, aber diese Orte sind ihr Zuhause. Wenn ihnen dieses ersatzlos genommen wird, verlieren viele Menschen ihre Existenzgrundlage und fühlen sich in ihrer Würde verletzt. Nicht zuletzt sind illegale Zwangsräumungen ein globales Problem. Sie kommen in Brasilien und Nigeria ebenso vor wie in Kambodscha und Italien.

Amnesty wird aktiv

Amnesty International wendet sich an die verantwortlichen Regierungen und Unternehmen, protestiert gegen das Unrecht, fordert konkrete Verbesserungen und gibt Menschen in Armut eine Stimme.

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