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Mazedonien 2011
Amtliche Bezeichnung: Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien Staatsoberhaupt: Gjorgje Ivanov Regierungschef: Nikola Gruevski Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 2 Mio. Lebenserwartung: 74,5 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 17/16 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 97%
Es gab nur wenige Fortschritte bei der strafrechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen. Die Antidiskriminierungsgesetze entsprachen nicht internationalen Standards. Die Pressefreiheit wurde weiter eingeschränkt.
Hintergrund
Die Streitigkeiten mit Griechenland über den Namen "Mazedonien" beherrschten nach wie vor die internationalen Beziehungen und die Innenpolitik. Im November 2010 kritisierte die Europäische Kommission Mazedoniens ungleichmäßige Fortschritte im Hinblick auf den EU-Beitritt und äußerte vor allem Bedenken über die Unabhängigkeit der Justiz und die Freiheit der Medien. Dennoch empfahl die Europäische Kommission, die Beitrittsgespräche zu beginnen, sobald die Frage des Landesnamens geklärt sei.
Die Beziehungen zwischen der mazedonischen Mehrheitsregierung und den politischen Parteien der ethnischen albanischen Bevölkerung verschlechterten sich, auch innerhalb der Regierungskoalition. Streitigkeiten entzündeten sich an der strafrechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen, der für 2011 geplanten Volkszählung, die den ethnischen Albanern zufolge diskriminierend wäre, sowie den Ausgaben der Regierung für Denkmäler zur mazedonischen Geschichte.
Justiz
Die von der Europäischen Kommission geforderten Reformen bezogen sich teilweise auf Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz. Im November zeigte sich die Kommission weiterhin besorgt über die Einmischung der Exekutive und die vom Justizministerium ausgeübte politische Kontrolle. Dem Büro des Ombudsmanns zufolge bezogen sich 20% der im Jahr 2009 eingegangenen Beschwerden auf die Justizbehörden.
Kriegsverbrechen
Im Mai 2010 bestätigte die Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia – ICTY) das 2008 erfolgte Urteil gegen Johan Tarculovski, der wegen seiner Beteiligung an Kriegsverbrechen durch die mazedonische Polizei in Ljuboten während des Konflikts von 2001 zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war. Rechtsmittel gegen den Freispruch des früheren mazedonischen Innenministers Ljube Boskoski wurden abgelehnt.
- Hinsichtlich der vier vom ICTY im Februar 2008 an Mazedonien zurückverwiesenen Fälle von Kriegsverbrechen waren 2010 nur geringe Fortschritte zu verzeichnen. Das im September 2008 eröffnete Verfahren im Fall der Straßenarbeiter der Baufirma Mavrovo wurde mehrfach vertagt, u.a. im Februar, als den Angeklagten keine Unterlagen in albanischer Sprache zur Verfügung gestellt wurden. Im April begann das Strafverfahren gegen elf der 23 Angeklagten, von denen einer, Sulejman Rushiti, im Mai in der Haftanstalt Izdrovo Selbstmord beging. Die mazedonischen Straßenarbeiter waren dem Vernehmen nach im August 2001 von der ethnisch albanischen nationalen Befreiungsarmee UÇK entführt und anschließend misshandelt, sexuell missbraucht und mit dem Tode bedroht worden, bevor sie wieder freikamen.
Der Regierung zufolge wurde in den anderen drei Fällen ermittelt, doch waren keine weiteren Fortschritte zu verzeichnen. Parteien der ethnisch albanischen Bevölkerungsgruppe traten dafür ein, die Anklagen unter dem Amnestiegesetz von 2002 fallenzulassen. Dieses Gesetz gewährt am Konflikt von 2001 beteiligten Personen Straffreiheit, außer in Fällen, die der Zuständigkeit des ICTY unterliegen. Da die Fälle zwar vom ICTY untersucht, aber nicht dort verhandelt wurden, vertraten die Parteien den Standpunkt, dass das Amnestiegesetz gelten solle.
Das "Verschwindenlassen" von sechs ethnischen Albanern sowie die Entführung von 13 ethnischen Mazedoniern und einem Bulgaren im Jahr 2001 blieben weiterhin ungeahndet.
Folter und andere Misshandlungen
Im März 2010 berichtete das mazedonische Helsinki-Komitee, dass gravierende Mängel in psychiatrischen Krankenhäusern häufig Verletzungen der Patientenrechte gleichkamen. Der Ombudsmann bezeichnete die Lebensbedingungen im September als "katastrophal". Im September besuchte der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) Einrichtungen, in denen Menschen in Gewahrsam gehalten werden, darunter Obdachlosenheime und psychiatrische Krankenhäuser.
Berichte über Misshandlungen durch Polizeiangehörige rissen nicht ab.
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Roma sprachen von exzessiver Gewaltanwendung, als 200 Angehörige der Bereitschaftspolizei im April 2010 die Schließung eines inoffiziellen Marktes im Skopjer Vorort Suto Orizari betrieben. Zu den Verletzten zählten dem Vernehmen nach 17 Polizeibeamte und – dem Bürgermeister zufolge – über 40 Roma. NGOs berichteten indes, dass die Roma aus Angst vor Repressalien keine Beschwerde erhoben hätten. Interne Ermittlungen kamen zu dem Schluss, dass die Polizei "im Rahmen ihrer Befugnisse gehandelt hatte".
- Die Regierung stimmte einer einvernehmlichen Regelung mit Jasmina Sulja zu, nachdem diese sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt hatte. Sie erklärte, dass ihr ein effektiver Rechtsbehelf verweigert geblieben sei, nachdem es die Behörden versäumt hatten, in Bezug auf den Tod ihres Lebensgefährten Sabri Asani zu ermitteln. Der ethnische Albaner war gestorben, nachdem er im Januar 2000 Berichten zufolge im Polizeigewahrsam verprügelt worden war.
Antiterrormaßnahmen und Sicherheit
- Veranlasst durch einen Antrag von Khaled el-Masri sandte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Mitteilung an die mazedonischen Behörden, da diese an dessen im Jahr 2003 in Skopje erfolgter Entführung mit anschließender 23-tägiger Inhaftierung und Misshandlung mitgewirkt hätten. Nach seiner Inhaftierung wurde Khaled el-Masri den US-Behörden überstellt und nach Afghanistan geflogen, wo er dem Vernehmen nach Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt war.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Investigative Journalisten sprachen von Behinderung ihrer Arbeit durch die Regierung, u.a. durch Morddrohungen, Einschüchterungen und von Regierungsbeamten angestrengte Verleumdungsklagen.
- Im Februar 2010 wurden drei Studierende freigesprochen, die angeklagt waren, im Rahmen einer Demonstration im März 2009 gegen ein Bauvorhaben der Regierung nicht die öffentliche Sicherheit gewährleistet zu haben. Die Polizei hatte es indes versäumt, sie vor Übergriffen von Gegendemonstranten zu schützen.
Diskriminierung
Im April 2010 verabschiedete das Parlament ein Antidiskriminierungsgesetz, das hinter den Standards der EU zurückblieb, u.a. durch das Versäumnis, Homo- und Bisexuelle sowie Transgender-Personen vor Diskriminierung zu schützen.
Roma
Im Juni 2010 äußerte sich der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes besorgt darüber, dass Roma- und Flüchtlingskinder nach wie vor ohne Registrierung und Ausweispapiere blieben, und beanstandete die Diskriminierung von Kindern aus Minderheitengruppen, vor allem Roma, darunter auch Straßenkinder und Kinder mit Behinderungen. Im März berichtete das Büro des Ombudsmanns, dass Roma-Kinder in Schulen für Kinder mit geistiger Behinderung überrepräsentiert waren.
Das Versäumnis Mazedoniens, staatliche Aktionspläne für das "Jahrzehnt für die Integration der Roma" zu finanzieren und umzusetzen, darunter auch eine Strategie zur Verbesserung des Status von Roma-Frauen, wurde im Juni von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz kritisiert.
Der UN-Entwicklungsfond für Frauen (UNIFEM) veröffentlichte im Januar 2010 von Roma-Frauen gesammelte Daten, in denen die unverhältnismäßig hohen Barrieren dokumentiert sind, denen sie bei der Anzeige von familiärer Gewalt gegenüberstehen. Im Februar enthüllte ein zweiter Bericht, dass 75% aller Roma-Frauen Diskriminierung durch Staatsbeamte erfahren, wenn sie sich an öffentliche Stellen wenden.
Etwa 320000 Personen, darunter auch Roma, lebten 2010 nach wie vor in informellen Siedlungen, viele davon ohne Trinkwasser oder Kanalisation.
- Eine im April aus dem Skopjer Stadtteil Aerodrom vertriebene Roma-Familie wurde dem Vernehmen nach im Mai von der Polizei geschlagen, als sie versuchte, ihre Unterkunft an derselben Stelle wiederaufzubauen.
Flüchtlinge und Asylsuchende
Etwa 1542 aus dem Kosovo geflohene Roma und Aschkali blieben in Mazedonien. Nur wenige erhielten Asyl; die Mehrheit wurde in ein lokales Integrationsprogramm unter der Ägide des Ministeriums für Arbeit und Soziales eingegliedert. In den Monaten März, April und Oktober protestierten Roma beim Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) dagegen, dass ihnen das Ministerium ihre monatliche Unterstützung nicht ausgezahlt habe und sie infolgedessen weder Mieten noch Strom- und Gasrechnungen bezahlen konnten, wodurch dem Vernehmen nach mehrere Familien obdachlos geworden waren. Das Büro des UNHCR leistete finanzielle Überbrückungshilfe, um die Lücke zwischen den Auszahlungen zu schließen.
Nach der Liberalisierung der Visa-Bestimmungen in der EU reisten ethnische Albaner und Roma aus dem Norden des Landes in EU-Mitgliedstaaten, offenbar um dort Asyl zu beantragen. Über 400 von ihnen wurden im März gemeinsam als Gruppe von Belgien nach Mazedonien abgeschoben. Im Oktober soll die EU-Innenkommissarin damit gedroht haben, die Visa-Vereinbarung zurückzunehmen.
Frauenrechte
Nach der Einführung kostenloser Rechtshilfe im Dezember 2009 bemühten sich Frauenorganisationen darum, von familiärer Gewalt betroffenen Frauen rechtliche Unterstützung anzubieten. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes registrierte eine hohe Quote von Schwangerschaften und Abtreibungen bei minderjährigen Mädchen aus Roma-Gemeinschaften und anderen Minderheitengruppen sowie einen Mangel an Fürsorge für die reproduktive Gesundheit in ländlichen Gebieten.
Amnesty International: Berichte
Former Yugoslav Republic of Macedonia: Amnesty International’s follow-up information to the concluding observations of the Committee against Torture (EUR 65/002/2010)
Europe: Open secret – mounting evidence of Europe’s complicity in rendition and secret detention (EUR 01/023/2010)