Amnesty Report 26. Mai 2009

Afrika 2009

 

Karamba Dramé, der Leiter einer Jugendgruppe aus Khoréra in Guinea, wurde im Oktober 2008 von einem Soldaten erschossen. Die Soldaten, die rote Barette trugen, waren eigens aus der 300 km entfernten Hauptstadt Conakry nach Khoréra, das bei Boké liegt, gekommen. Karamba Dramé starb am 31. Oktober auf dem Weg in ein Krankenhaus.

Wie im Jahr 2008 in vielen anderen Staaten in Afrika, litt auch die Bevölkerung in Guinea stark unter den steigenden Preisen für Lebensmittel und andere Waren. Es kam zu gewaltsamen Demonstrationen, und die guineischen Behörden hielten Karamba Dramé für den vermeintlichen Organisator einer Demonstration in Boké. Deshalb töteten sie ihn.

Die Nahrungskrise, die 2008 Auswirkungen auf ganz Afrika hatte, traf schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen besonders hart, vor allem aber diejenigen, die bereits in Armut lebten. Auf dem gesamten Kontinent gingen Menschen auf die Straße, um gegen die verzweifelte soziale und wirtschaftliche Lage sowie gegen die starke Verteuerung der Lebenshaltungskosten zu demonstrieren. Zwar gab es bei einigen Protesten Ausschreitungen, wobei sowohl privates als auch öffentliches Eigentum zerstört wurde, aber häufig setzten die Behörden unverhältnismäßige Gewalt ein, um die Proteste zu unterdrücken. Sicherheitskräfte verletzten und töteten zahlreiche Menschen, die ihr Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, darunter auch das Recht auf Nahrung, einforderten. Protestierende wurden willkürlich festgenommen und inhaftiert. Einige wurden in der Haft misshandelt oder in unfairen Gerichtsverfahren zu Freiheitsstrafen verurteilt. In den meisten Fällen wurden keine Ermittlungen eingeleitet, um festzustellen, wer von den Sicherheitskräften für die Menschenrechtsverletzungen verantwortlich war, die im Einsatz gegen die Proteste verübt worden waren.

Benachteiligung

Obwohl in vielen Staaten Afrikas die Wirtschaft in den vergangenen Jahren gewachsen war, lebten nach wie vor Millionen Menschen ohne Grundversorgung für ein menschenwürdiges Leben. Die Betroffenen versuchten unter widrigsten Umständen, sich das, was sie zum Leben brauchten, jeden Tag aufs Neue zu sichern. Dies wurde häufig durch Ausgrenzung, politische Unterdrückung sowie Versuche, sie mundtot und machtlos zu machen zusätzlich erschwert.

Trotz dieses repressiven Klimas gingen die Menschen in zahlreichen Staaten, u.a. in Benin, Burkina Faso, Kamerun, Côte d’Ivoire, Guinea, Mali, Mosambik, Senegal, Somalia und in Simbabwe auf die Straße, um gegen die schlimme soziale und wirtschaftliche Lage sowie den enormen Anstieg der Lebenshaltungskosten zu protestieren. Der Staat reagierte auf die Demonstrationen, die nicht immer gewaltfrei verliefen, gewöhnlich mit noch größerer Gewalt. So töteten beispielsweise Ende Februar 2008 Sicherheitskräfte in Kamerun bis zu 100 Menschen als Reaktion auf gewalttätige Proteste in mehreren Städten des Landes gegen rasant steigende Lebenshaltungskosten und niedrige Löhne. Einige der Getöteten wurden offenbar aus nächster Nähe durch Kopfschüsse ermordet. In Mosambik tötete die Polizei drei Menschen und verletzte 30 weitere, als sie im Februar 2008 scharfe Munition gegen Demonstranten einsetzte, die gegen Preissteigerungen im Nahverkehr protestierten. In Mali wurden Märsche organisiert, um gegen die steigenden Preise für Grundnahrungsmittel und die Pläne zur Privatisierung der Wasserversorgung in Léré, im Nordwesten des Landes, zu demonstrieren. Als die Polizei dort im November 2008 auf Demonstranten schoss, wurden mindestens sechs Männer verletzt. Ein Verletzter starb später im Krankenhaus. In Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, und in Bobo-Dioulasso, der zweitgrößten Stadt des Landes, nahm die Polizei mehrere hundert Personen fest, nachdem es bei Protesten gegen die steigenden Lebenshaltungskosten Ausschreitungen gegeben hatte. Mindestens 80 Festgenommene wurden ohne anwaltlichen Beistand zu Freiheitsstrafen verurteilt.

In Simbabwe wurden Hunderte engagierter Menschen festgenommen, die gegen den dramatischen Verfall der Wirtschaft und der sozialen Infrastruktur protestiert hatten, und ohne Anklage in Haft gehalten. Die Polizei löste viele Proteste – häufig unter exzessiver Gewaltanwendung – auf. Nach wie vor manipulierte die Regierung Simbabwes die Verteilung von Lebensmitteln aus politischen Gründen, obwohl Ende 2008 nach UN-Schätzungen etwa 5 Mio. Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen waren. Durch die vom Staat geförderte politisch motivierte Gewalt wurden vor allem in den ländlichen Gebieten Tausende Menschen aus ihren Heimatorten vertrieben und konnten nicht mehr auf ihre Lebensmittelvorräte, ihre Äcker oder auf andere Lebensgrundlagen zurückgreifen.

Nach wie vor zogen Menschen in andere Länder, weil sie hofften, so ihren Familien ein besseres Leben ermöglichen zu können. In ihrer Verzweiflung entschieden sich viele für den Seeweg und legten ihr Leben in die Hände skrupelloser Schleuser. Hunderte Menschen, die das Horn von Afrika bei dem Versuch, nach Jemen zu gelangen, über den Golf von Aden verließen, kamen bei der Überfahrt um. Weil sie in den Verdacht gerieten, von Mauretanien aus nach Europa gelangen zu wollen, wurden dort Hunderte von Migranten willkürlich festgenommen und inhaftiert. Viele Migranten waren unter unmenschlichen Umständen in Haft und wurden vor ihrer Abschiebung misshandelt. Die Betroffenen wurden nicht immer in ihre Heimatländer abgeschoben und hatten nicht die Möglichkeit, gerichtlich gegen die Abschiebung vorzugehen.

Der schnell verlaufende Verstädterungsprozess und die in vielen Staaten Afrikas herrschende Armut führen dazu, dass viele Menschen keinen angemessenen Wohnraum haben und in Slums leben. Sie sind in Gefahr, von den Behörden mit Gewalt aus den Slums vertrieben zu werden. In den Slums gibt es oft keine grundlegenden Einrichtungen wie Wasserversorgung oder Kanalisation. In Lagos, der größten Stadt Nigerias, wurden zahlreiche Menschen ohne ordnungsgemäße Verfahren mit Gewalt aus ihren Wohnungen vertrieben und bekamen anschließend weder eine Entschädigung, noch wurden für sie Ersatzunterkünfte bereitgestellt. In der tschadischen Hauptstadt N’Djamena wurden auf Grundlage eines Präsidialerlasses während des Notstands im Frühjahr 2008 mehrere tausend Wohnungen abgerissen. Als Grund gaben die Behörden an, dass die zerstörten Häuser ohne Genehmigung auf Grundstücken gebaut worden seien, die der Regierung gehörten. Zehntausende Menschen wurden obdachlos und mussten sich eine andere Wohnmöglichkeit suchen. In Kenia drohte mehreren hundert Familien, die am Flussufer des Nairobi lebten, die Zwangsumsiedlung, nachdem die kenianische Regierung erklärt hatte, dass die Menschen die informellen Siedlungen am Fluss verlassen müssten.

Die Haftbedingungen entsprachen in vielen Staaten nach wie vor bei weitem nicht den internationalen Standards. Dies stand häufig im Zusammenhang mit der Überbelegung der Gefängnisse. Wie üblich waren Häftlinge, die aus armen Verhältnissen kamen, davon am schlimmsten bestoffen, denn sie hatten oft nicht die finanziellen Mittel, um sich in der Haft mit dem Nötigsten zu versorgen.

Mangelnde Sicherheit

In einigen Ländern des Kontinents zwangen bewaffnete Auseinandersetzungen und die unsichere Lage Hunderttausende zur Flucht aus ihrer Heimat. Sie versuchten, jenseits der Landesgrenzen internationalen Schutz zu erhalten oder sich irgendwie in ihrem Heimatland in Sicherheit zu bringen. In einigen der schlimmsten anhaltenden Konflikte traten Regierungstruppen und bewaffnete Gruppen die Rechte der Bevölkerung auf Würde und körperliche Unversehrtheit gleichermaßen mit Füßen. Die Zivilbevölkerung wurde routinemäßig Ziel der Angriffe der Konfliktparteien; Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt blieben weit verbreitet; Kinder wurden häufig rekrutiert und in den Kampf geschickt; auch Mitarbeiter von humanitären Hilfsorganisationen gerieten ins Visier der Kämpfenden. Nur selten wurden die Verantwortlichen für völkerrechtliche Verbrechen, die vor dem Hintergrund dieser kriegerischen Auseinandersetzungen begangen wurden, zur Rechenschaft gezogen. Die Rolle der Friedensmissionen der UN und regionaler Organisationen nahm in Afrika 2008 zu, zeitigte jedoch für den Schutz der Zivilbevölkerung keine großen Auswirkungen. Dies war zum Teil, aber nicht nur, auf zu geringe Ressourcen zurückzuführen. Die UN und regionale Organisationen wie die Afrikanische Union (AU) erzielten kaum Fortschritte bei der Lösung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Sudan (Darfur), Tschad, Somalia und der Demokratischen Republik Kongo (Nord-Kivu). Die Verbreitung von Kleinwaffen trug nach wie vor in hohem Maß dazu bei, dass bewaffnete Konflikte und systematische Menschenrechtsverstöße anhielten. Waffenembargos der UN haben sich als unwirksam erwiesen. Zwar mobilisierte die internationale Gemeinschaft so viele Ressourcen wie noch nie, um die Piraterie vor der somalischen Küste zu bekämpfen und ihre kommerziellen Interessen zu schützen, doch ließ sie trotz eines Waffenembargos der UN derartige Anstrengungen zur Unterbindung des Zustroms von Waffen nach Somalia vermissen. Die internationale Gemeinschaft ergriff auch keine effektiven Maßnahmen, um den Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht – die fast überall geschahen – ein Ende zu machen, noch um diejenigen, die für Völkerrechtsverbrechen verantwortlich waren, zur Rechenschaft zu ziehen.

Durch den Konflikt in Somalia wurden erneut Hunderttausende vertrieben. Bei Kämpfen in der Nähe der somalischen Hauptstadt Mogadischu und in der Stadt selbst sind seit Januar 2007 durch die kriegerischen Auseinandersetzungen mehr als 16000 Zivilpersonen getötet worden. Über die Zahl der Verletzten gibt es keine Angaben. Es gelang der Föderalen Übergangsregierung Somalias nicht, sich in Süd- und Zentralsomalia durchzusetzen; ihre Truppen mussten in einigen Regionen denen der bewaffneten Opposition weichen. Humanitären Hilfsorganisationen, war es nur begrenzt möglich, den ca. 3,2 Mio. Menschen in Not Hilfe zukommen zu lassen. Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen waren ebenso wie Journalisten und Menschenrechtsverteidiger aus politischen oder kriminellen Gründen häufig Ziel von Gewalt.

In der zweiten Hälfte des Berichtsjahrs eskalierten die kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) erneut. Alle Konfliktparteien waren für Menschenrechtsverstöße verantwortlich. Unter anderem wurden Zivilpersonen verschleppt und ermordet; Vergewaltigungen und andere Sexualverbrechen wurden systematisch begangen; Kinder wurden rekrutiert und als Kämpfer eingesetzt. Hunderttausende wurden durch die Kämpfe vertrieben. Der Konflikt in der sudanesischen Provinz Darfur verschärfte sich 2008 ohne Aussicht auf eine politische Lösung. Die Überfälle auf die Zivilbevölkerung hielten an. Gleiches galt für Vergewaltigungen und Plünderungen. Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Millionen Menschen konnten nach wie vor nicht in ihre Heimatregionen zurück. Wegen der allgemeinen Unsicherheit und der Angriffe auf Konvois mit Hilfsgütern konnten humanitäre Hilfsorganisationen häufig nicht zu den Menschen in Not gelangen. Damit waren Tausende von Nothilfe abgeschnitten. Nicht einmal in den Lagern für Vertriebene waren die Menschen vor Gewalt in Sicherheit. Ein Beispiel: Im August 2008 umstellten die sudanesischen Behörden das Lager von Kalma im Süden von Darfur, eröffneten das Feuer und beschossen Berichten zufolge das Lager. Dabei wurden 47 Menschen getötet.

Im Mai 2008 griff die bewaffnete Oppositionsgruppe Bewegung für Gleichheit und Gerechtigkeit (Justice and Equality Movement) Omdurman, einen Vorort der sudanesischen Hauptstadt Khartum, an. Nach dem Angriff verfolgten die sudanesischen Behörden Menschen, die sie verdächtigten, aus der Provinz Darfur zu stammen. Hunderte Menschen wurden willkürlich festgenommen und inhaftiert. Viele von ihnen wurden gefoltert oder auf andere Art misshandelt. Nach Informationen von Amnesty International sollen auch außergerichtliche Hinrichtungen stattgefunden haben.

Kämpfe zwischen den sudanesischen Streitkräften und der Sudanesischen Volksbefreiungsfront (Sudan People’s Liberation Movement) in der Stadt Abyei (Südsudan) führten zur Zerstörung der Stadt, der Vertreibung von 50000 Menschen und zu einer zusätzlichen Belastung des Friedensabkommens zwischen Nord- und Südsudan.

Auch die Spannungen zwischen Tschad und Sudan verschärften sich 2008 erneut, vor allem nach einem Angriff tschadischer Rebellen auf die Hauptstadt N’Djamena Anfang Februar des Jahres. Nach zwei Tagen heftiger Kämpfe gelang es der tschadischen Armee, die Angreifer zurückzudrängen. Danach rief die Regierung den Notstand aus und nahm verschiedene Oppositionelle fest. Einer von ihnen wurde Opfer des "Verschwindenlassens". Unmittelbar nach dem Angriff soll es auch staatliche Morde gegeben haben. Etwa 50000 Menschen flüchteten vor der Gewalt in N’Djamena und suchten im Nachbarland Kamerun Zuflucht.

Kriegerische Auseinandersetzungen waren im Berichtsjahr 2008 aber nicht die einzige Ursache für die fast überall gegenwärtige Unsicherheit in Afrika. In vielen Staaten spielte auch politisch motivierte Gewalt nach Wahlen eine Rolle. So starben in Kenia nach den Wahlen am 30. Dezember 2007 über 1000 Menschen infolge politisch motivierter ethnischer Gewalt und durch die Polizei. Hunderttausende Kenianer flüchteten aus ihrer Heimat, einige von ihnen in Nachbarländer wie Uganda. Durch vom Staat begünstigte Gewalt starben in Simbabwe vor und nach der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen mindestens 180 Menschen. Tausende weitere wurden verletzt. Auch hier flüchteten viele in Nachbarstaaten, vor allem nach Südafrika. Sowohl in Kenia als auch in Simbabwe hatten Gewalt und Unsicherheit nicht nur negative Auswirkungen auf die körperliche Unversehrtheit der Menschen, sondern auch auf deren Chancen, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, da Tausende ihre Häuser, Nahrungsvorräte, Äcker und andere Einkommensquellen verloren. Infolge der politisch motivierten Gewalt waren Hunderttausende Menschen zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse von humanitärer Hilfe abhängig.

Auch die mehreren Zehntausend Menschen, die im Mai 2008 vor ausländerfeindlichen Angriffen aus Südafrika fliehen mussten, waren auf humanitäre Hilfeleistungen angewiesen, da sie ihre Wohnungen verlassen mussten und ihre gesamte Habe verloren hatten. In mehreren Provinzen wurden Ausländer verprügelt, ermordet und Opfer von Sexualverbrechen. Die Täter kamen in vielen Fällen aus der Nachbarschaft. Die Bilanz: mehr als 60 Tote und über 600 Verletzte. Diese ausländerfeindlichen Angriffe auf Einzelne, die wegen ihrer vermeintlichen Staatsangehörigkeit, der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder wegen ihres Migrantenstatus zu Hassobjekten wurden, erhielten z.T. Nahrung durch die elenden Verhältnisse, in denen immer noch viele Südafrikaner leben. In offiziellen Ermittlungen gelang es nicht, die Täter zu finden bzw. die Ursachen für die Gewalt zu klären. Ausschluss aus der Gesellschaft

Nach wie vor mussten viele Gruppen im afrikanischen Gesellschaftssystem unter Diskriminierung leiden. Sie waren den ihnen zugefügten Übergriffen schutzlos ausgeliefert bzw. hatten nicht die finanziellen Mittel, um Wiedergutmachung auf dem Rechtsweg zu erlangen. In Uganda lebten z.B. die Opfer der zahlreichen Menschenrechtsverstöße, die während des bewaffneten Konflikts im Norden des Landes verübt worden waren, nach wie vor im Elend, waren traumatisiert und in vielen Fällen von jeglicher Form der Wiedergutmachung auf dem Rechtsweg ausgeschlossen.

In ganz Afrika wurden Menschen in ihren Familien und Gemeinschaften wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit oder weil sie HIV-positiv waren diskriminiert. Dieser Zustand wurde häufig zusätzlich durch Armut verschlimmert. Ein Beispiel hierfür war Südafrika, wo 5,7 Mio. Menschen mit dem HI-Virus infiziert sind. Dort war der Zugang armer Frauen in ländlichen Gebieten zu Therapieeinrichtungen für HIV/AIDS wegen der großen Entfernungen und der Fahrtkosten eingeschränkt. Stigmatisierung und geschlechtsbedingte Diskriminierung, einschließlich Gewalt, waren weitere Faktoren, die sich negativ auf die Chancen der Frauen auswirkten, sich selbst vor HIV-Infektionen zu schützen und sich auf die Suche nach Therapiemöglichkeiten und Unterstützung zu begeben.

In manchen Gesellschaften wurden Frauen auch durch das Gewohnheitsrecht und traditionelle Praktiken diskriminiert. So waren gewisse Aspekte der traditionellen Gesetze bestimmter ethnischer Gruppen in Namibia für Frauen und Mädchen diskriminierend. Das galt besonders für Eheschließungs- und Erbgesetze. In einigen Staaten, vor allem in Tansania, fielen Menschen, die von Albinismus betroffen waren, offenbar Ritualmorden zum Opfer. Zwar verurteilte die tansanische Regierung die Morde, und es wurden auch im Zusammenhang mit den Morden viele Menschen verhaftet, angeklagt wurde 2008 jedoch niemand.

In Kamerun, Gambia, Nigeria, Ruanda, Senegal, Uganda und in anderen Staaten wurden Menschen aufgrund ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen sexuellen Orientierung verfolgt. Gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen waren in manchen Ländern ein Straftatbestand.

In vielen Staaten Afrikas gibt es keine unabhängige Justiz. Erschwerend kommt hinzu, dass das Justizsystem häufig finanziell, materiell und personell zu schlecht ausgestattet ist. Mündliche Verhandlungen müssen deshalb häufig für lange Zeit verschoben werden. Für Menschen, die nur wenig Geld haben, kann der Umgang mit der Strafjustiz zu einem Alptraum werden.

Beispielsweise haben es Arme in Nigeria schwer, innerhalb einer akzeptablen Zeit ein faires Gerichtsverfahren zu bekommen. Zwar hat man sich in Nigeria bemüht, in gewissem Umfang eine unentgeltliche Rechtsberatung anzubieten, doch reicht diese bei weitem nicht aus, um sicherzustellen, dass alle, die sich keinen Anwalt leisten können, einen Rechtsvertreter haben, und zwar auch in Fällen, in denen es um die Todesstrafe geht. Die über 700 Frauen und Männer, die 2008 in Nigeria in den Todeszellen einsaßen, hatten eines gemeinsam: Sie waren arm. Es gab jedoch auch Hoffnungsschimmer. Der Gerichtshof der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) wies die Regierung von Niger in einem bahnbrechenden Urteil an, einer Frau, die zehn Jahre lang als Haus- und Sexsklavin gehalten worden war, eine Entschädigung zu zahlen, weil die Behörden des Staates die bestehenden Gesetze gegen Sklaverei nicht umgesetzt hätten.

Ungehörte Stimmen

Nach wie vor schränkten Regierungen das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu friedlichen Zwecken ohne Begründung ein. Die Bestrebung der Regierungen, die Kontrolle über Informationen zu behalten, wurden jedoch durch immer aktivere zivilgesellschaftliche Gruppen, die oft miteinander vernetzt waren, und durch stärkere unabhängige Medien konterkariert.

Vielfach wurden Gesetze oder andere Regulierungsinstrumente benutzt, um die Aktivitäten der Zivilgesellschaft und der Medien einzuschränken. In Äthiopien erarbeiteten die Behörden einen Gesetzentwurf, der den Einsatz für Menschenrechte unter Strafe stellt und den Behörden eine unverhältnismäßig große Kontrolle über zivilgesellschaftliche Organisationen gibt. In Swasiland hatte das neue Gesetz zur Unterdrückung des Terrorismus, das eine nicht hinnehmbare Definition von Terrorismus enthält, äußerst negative Auswirkungen auf zivilgesellschaftliche Organisationen. Außerdem beschnitt das Gesetz das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu friedlichen Zwecken. In Tschad blieb ein Erlass, der die Pressfreiheit begrenzte, auch nach der Aufhebung des Notstands in Kraft. In Sudan wurde die Zensur für private Medien verschärft. In Ruanda blieb der Betätigungsspielraum von Mitarbeitern unabhängiger Medien und für ausländische Journalisten eingeschränkt. In Lesotho wurde die Arbeit unabhängiger Medien nach wie vor durch restriktive Sendebestimmungen sowie durch instrumentalisierte Vorwürfe wie Diffamierung und Staatsgefährdung behindert. Die Sendebestimmungen stellten zudem eine Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit dar. In Kenia verabschiedete das Parlament ein Mediengesetz, und in Uganda bereiteten die Behörden einen Gesetzentwurf vor: Mit beiden Gesetzen wurde eine weitere Einschränkung der Pressfreiheit bezweckt. In Niger untersagte die Regierung jegliche Berichterstattung über den Konflikt im Norden des Landes und verbot Journalisten, dorthin zu reisen.

In zahlreichen Staaten, darunter Angola, Äquatorialguinea, Gambia, Kamerun, Niger, Nigeria, Senegal, Sudan, Tansania, Togo und Tschad wurden Medien mit einem Betätigungsverbot belegt, weil den Behörden ihre Beiträge nicht gefielen. Journalisten wurden routinemäßig festgenommen und manchmal wegen Straftaten angeklagt, nur weil sie ihrer Arbeit nachgingen.

In Äquatorialguinea, Äthiopien, Burkina Faso, Burundi, Gambia, Kamerun, Mauretanien, der Republik Kongo, Simbabwe, Swasiland und Tschad wurden politische Gegner der Regierung willkürlich festgenommen und inhaftiert. In einigen Fällen wurden Angehörige der politischen Opposition Opfer des "Verschwindenlassens" oder außergerichtlicher Hinrichtungen. In anderen Staaten gab es keinen Platz für politische Opposition, freie Meinungsäußerungen und eine Zivilgesellschaft. Ein Beispiel hierfür ist Eritrea.

Weil sie für ihre eigenen und die Rechte anderer eintraten, waren Menschenrechtsverteidiger in einigen Staaten nach wie vor in Gefahr. Sie wurden häufig schikaniert und manchmal festgenommen. Immer wieder mussten Journalisten und Menschenrechtsverteidiger außer Landes flüchten, weil ihr Leben in Gefahr war.

In Simbabwe wurden zahlreiche Menschenrechtsverteidiger, Gewerkschaftler und Mitglieder der politischen Opposition festgenommen. Einige wurden von Sicherheitskräften der Regierung und nichtstaatlichen Akteuren, die Handlager der Behörden waren, verschleppt und umgebracht. Auch in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik, im Sudan und Tschad wurden Menschenrechtsverteidiger festgenommen. Einige der Festgenommenen wurden gefoltert oder auf andere Art misshandelt. In einer Reihe von Ländern verboten die Behörden zivilgesellschaftliche Organisationen oder drohten ihnen ein Verbot an. Rechenschaftslegung

Solange die Regierungen der afrikanischen Staaten nicht ernsthaft gegen die Straflosigkeit vorgehen, werden die Menschenrechtsverletzungen, die auf dem ganzen Kontinent tagtäglich begangen werden, weitergehen. Wer in Afrika heute die Rechte eines anderen missachtet, braucht keine Angst zu haben, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Gelegentlich werden nach massiven Menschenrechtsverletzungen Untersuchungskommissionen oder andere Gremien zur Untersuchung der Übergriffe eingerichtet. Diese sollen aber häufig eher die öffentliche Meinung beruhigen, als die Wahrheit herausfinden und die Verantwortlichen ermitteln.

Im Tschad ließ die Regierung mehrere hundert Morde und andere Menschenrechtsverletzungen, die im Februar 2008 verübt worden waren, von einer Nationalen Untersuchungskommission untersuchen. Sie machte jedoch keine Anstalten, die Empfehlungen des im September 2008 vorgestellten Kommissionsberichts umzusetzen. Eine in Guinea eingesetzte Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen, die in den Jahren 2006 und 2007 im Land begangen worden waren, untersuchte nicht einen einzigen Fall. In Liberia schloss die Wahrheits- und Versöhnungskommission ihre öffentlichen Anhörungen ab. Die Ergebnisse lagen Ende 2008 noch nicht vor. Die von der Regierung Kenias zur Untersuchung der Gewalttaten nach den Wahlen eingesetzte Untersuchungskommission stellte im Oktober 2008 ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit vor. Trotz gegenteiliger Zusicherungen hatte die Regierung Ende 2008 noch immer keinen umfassenden Plan für die Umsetzung der im Bericht enthaltenen Empfehlungen erarbeitet.

Leider instrumentalisierten Regierungen Untersuchungskommissionen sowie Wahrheits- und Versöhnungskommissionen häufig als Ersatz für Ermittlungen der Justiz, die aber von entscheidender Bedeutung dafür sind, die strafrechtliche Verantwortung einzelner Personen festzustellen.

Der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court – ICC) verfolgte nach wie vor eine Reihe von Fällen aus Afrika. Der Antrag des Chefanklägers des ICC, gegen den sudanesischen Staatspräsidenten Omar Al-Bashir einen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord auszustellen, führte dazu, dass einige Staaten und regionale Organisationen wie die AU versuchten, die Arbeit des ICC zu unterminieren. Die AU, die Arabische Liga und die Organisation der Islamischen Konferenz forderten den UN-Sicherheitsrat auf, den Fall abzuweisen. Auf eine Initiative von Ruanda verabschiedete die AU eine Entscheidung, in der sie, wie es hieß, "den Missbrauch der internationalen Gerichtsbarkeit" kritisierte.

Zwar ging der ICC einer Reihe von Fällen aus Afrika nach, doch kann er nur gegen eine begrenzte Zahl von Personen Prozesse führen. Es kommt daher entscheidend darauf an, dass auch die Justiz auf einzelstaatlicher Ebene gegen Personen ermittelt, die verdächtigt werden, völkerrechtliche Verbrechen begangen zu haben und gegen diese auch unter Anwendung der internationalen Rechtsprechung Anklage erhebt. Bedauerlicherweise ist Senegal im Fall des ehemaligen tschadischen Präsidenten Hissène Habré kaum vorangekommen. Dies ist ein Indiz dafür, dass es den Behörden des Landes am politischen Willen für ernsthafte Ermittlungen fehlt.

Positiv zu vermerken ist immerhin, dass die AU im Juli 2008 das Protokoll über das Statut des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte angenommen hat. Wenn der Gerichtshof seine Arbeit aufnimmt, könnte er dazu beitragen, der Straflosigkeit in Afrika ein Ende zu setzen, vorausgesetzt, dass die Mitgliedsstaaten der AU sich darauf verständigen, dass die Opfer von Menschenrechtsverletzungen das Gericht direkt anrufen können, um effektive Rechtsmittel in Anspruch zu nehmen.

Fazit

Noch besteht ein großer Unterschied zwischen dem, was die Regierungen Afrikas – die für sich in Anspruch nehmen, die Menschenrechte zu schützen und zu respektieren – sagen und der Wirklichkeit, in der Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind.

Im Jahr 2008 gingen Afrikaner, die ihrer Rechte beraubt sind, auf die Straße. Häufig schlugen die Proteste in Gewalt um. Die Ressentiments wurden durch die repressive Einstellung der Regierung gegen abweichende Meinungen und Proteste angeheizt. Diese Proteste werden wohl weitergehen. So viele Menschen leben im absoluten Elend, nur ganz wenige haben überhaupt eine Chance, sich aus der Armut zu befreien. Ihre ohnehin verzweifelte Lage wird zusätzlich dadurch verschlimmert, dass es den Regierungen der Staaten Afrikas nicht gelingt, die Bevölkerung mit grundlegenden Sozialleistungen zu versorgen, dafür zu sorgen, dass rechtsstaatliche Grundsätze respektiert werden, die Korruption zu bekämpfen und ihrem Volk gegenüber Rechenschaft abzulegen. In dem Maße, in dem sich die Wirtschaftskonjunktur mehr und mehr abschwächt, liegt die Hoffnung auf der ungebrochenen Lebendigkeit der Zivilgesellschaften auf dem afrikanischen Kontinent und der Entschlossenheit der Menschenrechtsverteidiger, die ungeachtet der Risiken, denen sie sich aussetzen, festverwurzelte Interessen infrage stellen.

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