Amnesty Report 16. April 2020

Eritrea 2019

Junge Männer recken ihre Köpfe aus den Fenstern eines Busses.

Trotz eines mit Äthiopien unterzeichneten Abkommens zur Beendigung des langwierigen Grenzkonflikts hielt die Regierung Eritreas an dem obligatorischen und zeitlich unbefristeten Nationaldienst, der Zwangsarbeit gleichkommt, fest. Sie hatte den langen Nationaldienst immer mit dem Grenzkonflikt gerechtfertigt. Tausende Menschen konnten nicht ins Ausland reisen, weil sie von der Regierung keine Reiseerlaubnis erhielten oder die Grenze wiederholt geschlossen wurde. Eritreer_innen, die außer Landes flohen, waren auf den Fluchtrouten schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Es gab weiterhin willkürliche Inhaftierungen und Fälle von Verschwindenlassen. Die Sicherheitskräfte schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung im Land ein. Unterstützer_innen der Regierung verfolgten und bedrohten Menschenrechtsverteidiger_innen im Ausland.

Hintergrund

Nach der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung für Frieden und Freundschaft im Juli 2018 wurden die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Eritrea und Äthiopien wieder aufgenommen. Das Abkommen über die Beilegung des langjährigen Grenzstreits weckte in Eritrea die Hoffnung auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage. Diese trat jedoch nicht ein.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Nach wie vor flohen Staatsangehörige Eritreas aus dem Land und beantragten in anderen Ländern Asyl. Die Hauptfluchtgründe waren der zeitlich unbefristete obligatorisch Nationaldienst und die allgemeine Menschenrechtslage im Land. Auf den Fluchtrouten waren sie schweren Übergriffen ausgesetzt. Viele wurden auf dem Weg nach Europa – vor allem in Libyen – willkürlich inhaftiert, verschleppt, sexuell missbraucht, gefoltert und auf andere Weise misshandelt. Nachdem die Regierung das Flüchtlingslager von Umkulu geschlossen hatte, überquerten zusätzlich zu eritreischen Asylsuchenden 1300 Flüchtlinge aus Somalia die Grenze nach Äthiopien.

Recht auf Freizügigkeit

Das Recht der Menschen, das Land zu verlassen, blieb eingeschränkt. Wer keine Reiseerlaubnis der Regierung hatte, wurde an Reisen ins Ausland gehindert.

Das 2018 mit Äthiopien unterzeichnete Friedensabkommen führte zur Öffnung der Grenzübergänge Humera, Zalambesa, und Bure. Dadurch konnten sich die Menschen in den letzten drei Monaten des Jahres 2018 frei bewegen. Die Zahl der Eritreer_innen, die über die Grenze kamen und in Äthiopien Asyl suchten, stieg in diesem Zeitraum exponentiell an. Der Zustrom von Asylsuchenden versiegte jedoch abrupt, als Eritrea die Grenzübergänge im Januar 2019 wieder schloss.

Zwangsarbeit und Sklaverei

Nationaldienstpflichtige Personen wurden gezwungen, den Dienst auf unbegrenzte Dauer – also wesentlich länger als die gesetzlich festgelegten 18 Monate – zu leisten. Die Hoffnung, dass der Nationaldienst dank der Annäherung zwischen Eritrea und Äthiopien nicht mehr unbegrenzt verlängert werden würde, erfüllte sich nicht. Obwohl das Mindestalter für die Einberufung bei 18 Jahren lag, mussten Schüler_innen weiterhin das letzte Schuljahr im militärischen Ausbildungslager Sawa verbringen. Eine Zusicherung, dass sie nach Ableistung der 18 Monate aus dem Nationaldienst entlassen würden, gab ihnen die Regierung nicht. Tausende Menschen waren auf unbestimmte Zeit – in einigen Fällen zehn Jahre lang und noch länger – eingezogen.

Willkürliche Festnahmen und Verschwindenlassen

Es gab weiterhin willkürliche Inhaftierungen und Fälle von Verschwindenlassen, ohne dass die dafür verantwortlichen Sicherheitskräfte zur Rechenschaft gezogen wurden. Nach wie vor waren Hunderte gewaltlose und andere politische Gefangene ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren inhaftiert. Unter ihnen befanden sich Journalist_innen, ehemalige Politiker_innen und Menschen, die sich zu einer nicht anerkannten Religion bekannten. Sie hatten weder Zugang zu einem Rechtsbeistand, noch durften sie Besuch von Angehörigen erhalten. Viele waren bereits seit fast 20 Jahren inhaftiert. Über den Aufenthaltsort und das Schicksal von von elf willkürlich inhaftierten Politiker_innen und 17 Journalist_innen, die vor 18 Jahren festgenommen und inhaftiert worden waren, weil sie das Regime des Präsidenten kritisiert hatten, gab es auch im Jahr 2019 keine Informationen.

Im September 2018 nahmen Sicherheitskräfte den ehemaligen eritreischen Finanzminister Berhane Abrehe in der Hauptstadt Asmara fest. Nach Angaben seines Sohnes wurde er erst im April 2019 wiedergesehen. Erst wenige Tage vor seiner Inhaftierung hatte er ein Buch veröffentlicht, in dem er die eritreische Bevölkerung dazu anhielt, friedlich für demokratische Verhältnisse zu protestieren. Die Behörden weigerten sich nach der Festnahme von Berhane Abrehe, Angaben über seinen Aufenthaltsort und sein Schicksal zu machen. Öffentlich verfügbare Informationen darüber, ob er bis zum Jahresende wegen einer Straftat angeklagt worden war, gab es nicht.

Im November trieben Angehörige der Sicherheitskräfte in der Gegend um die Städte Mendefera und Adi Quala (Südregion) schätzungsweise 20 Menschen zusammen und nahmen sie fest. Bis zum Jahresende war weder bekannt, warum sie festgenommen worden waren noch wo sich sich befanden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Nach wie vor schränkten die Behörden die Rechte auf freie Meinungsäußerung ein. Dabei ging es ihnen vor allem darum, die Unabhängigkeit der Medien auszuhöhlen. Private Medien waren in Eritrea 2006 verboten und unabhängige Journalist_innen festgenommen worden. Nach Einschätzung des US-amerikanischen Komitees zum Schutz von Journalisten (Committee to Protect Journalists) gehört Eritrea zu den zehn Staaten mit der schärfsten Zensur weltweit.

Ins Ausland geflohene Menschenrechtsverteidiger_innen wurden von Regierungsvertreter_innen und Unterstützer_innen der regierenden Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit offenbar mit Billigung der Partei schikaniert, angegriffen und bedroht.

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