Amnesty Report 16. April 2020

Burundi 2019

Porträtfoto von Germain Rukuki mit Meer im Hintergrund

Der burundische Menschenrechtler Germain Rukuki (Archivaufnahme)

2019 hielten die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und -verstöße an, darunter politisch motivierte Angriffe auf Oppositionelle im Vorfeld der für 2020 angesetzten Wahlen. Die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit waren stark eingeschränkt. Medienschaffende, Oppositionelle und Menschenrechtsverteidiger_innen wurden gezielt ins Visier genommen. Es bestand der Verdacht, dass für die Menschenrechtsverletzungen und -verstöße hauptsächlich Mitglieder von Imbonerakure, der Jugendorganisation der Regierungspartei, sowie Angehörige des Geheimdienstes (Service National de Renseignement – SNR) und der Polizei verantwortlich waren. Gegen Frauen und Mädchen wurden diskriminierende Maßnahmen verhängt. Zudem waren sie sexualisierter Gewalt ausgesetzt, die überwiegend von staatlichen Akteuren ausging. Die humanitäre Lage blieb desolat, Millionen Menschen waren von Ernährungsunsicherheit betroffen und benötigten humanitäre Hilfe.

Hintergrund

2018 war in einem Referendum eine neue Verfassung angenommen worden, die unter anderem vorsah, das Amt eines Regierungschefs einzuführen und die Amtszeit des Präsidenten neu zu regeln. Nach der neuen Verfassung verlängert sich seine Amtszeit von fünf auf sieben Jahre. Die bisherige Beschränkung auf zwei Mandate gilt künftig nur noch für zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten, sodass eine Wiederwahl zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist. Der Präsident erklärte, bei den Wahlen im Jahr 2020 nicht erneut antreten zu wollen.

Es gab 2018 und 2019 vereinzelte bewaffnete Angriffe in Regionen, die an die Demokratische Republik Kongo grenzen. Im Mai 2018 waren bei einem Überfall auf das Dorf Ruhagarika in der Provinz Cibitoke mindestens 26 Personen getötet worden, darunter Kinder. Der Angriff wurde Rebellen aus dem Nachbarland zugeschrieben. Im Oktober 2019 kam es in der Provinz Bubanza zu einem Zusammenstoß zwischen einer bewaffneten Oppositionsgruppe und Sicherheitskräften.

Menschenrechtsverteidiger_innen

Zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsverteidiger_innen wurden von den Behörden weiterhin massiv in ihrer Arbeit behindert, unter anderem durch strafrechtliche Verfolgung und die Verhängung langer Gefängnisstrafen.

Nestor Nibitanga, ein ehemaliger Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Association pour la Protection des Droits Humains et des Personnes Détenues (APRODH), befand sich weiterhin im Gefängnis Murembwe in Rumonge, nachdem ihn ein Gericht in Mukaza (Provinz Bujumbura) im August 2018 wegen "Untergrabung der staatlichen Sicherheit" zu fünf Jahren Haft verurteilt hatte. Nach Ansicht des Gerichts hatte er Berichte für APRODH erstellt, nachdem die Regierung die Organisation geschlossen hatte. Nestor Nibitanga erklärte hingegen, der Bericht, den man bei seiner Festnahme auf einem USB-Stick gefunden habe, sei nicht für die APRODH bestimmt gewesen, sondern für ein Menschenrechtsnetzwerk, mit dem er zusammenarbeitete, das von der Regierung zugelassen war.

Im März 2019 kamen drei Mitglieder der zivilgesellschaftlichen Organisation PARCEM endlich frei: Emmanuel Nshimirimana, Aimé Constant Gatore und Marius Nizigiyimana durften das Gefängnis Mpimba in Bujumbura verlassen, nachdem das Berufungsgericht von Ntahangwa die Urteile gegen sie im Dezember 2018 aufgehoben hatte. Sie waren 2017 bei der Vorbereitung eines Workshops zum Thema Menschenrechte festgenommen und im März 2018 wegen "Untergrabung der staatlichen Sicherheit" zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Im Juni 2019 entzog die Regierung PARCEM die Zulassung. Sie warf der Organisation vor, sie habe sich von ihren Zielen entfernt und das Bild von Burundi und seiner Staatsführung beschädigt, um "den Frieden und die öffentliche Ordnung" zu stören.

Im Juli 2019 bestätigte das Berufungsgericht von Ntahangwa das Urteil gegen Germain Rukuki, einen früheren Mitarbeiter der in Burundi verbotenen Menschenrechtsorganisation Christen für die Abschaffung der Folter (Action des Chrétiens pour l’Abolition de la Torture – ACAT). Er war 2018 wegen "Untergrabung der staatlichen Sicherheit" für schuldig befunden und zu einer Gefängnisstrafe von 32 Jahren verurteilt worden. Hintergrund war seine Menschenrechtsarbeit. Als Beweismittel gegen ihn wurden unter anderem E-Mails vorgebracht, die er an ACAT-Mitarbeiter_innen geschrieben hatte, bevor die Organisation aufgelöst wurde.

Die Unabhängige Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zu Burundi (United Nations Independent Investigation on Burundi – UNIIB), die Menschenrechtsverletzungen und -verstöße untersuchen soll, die seit April 2015 verübt wurden, veröffentlichte im September 2019 neue Informationen über die Menschenrechtsverteidigerin Marie Claudette Kwizera, die 2015 dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen war. Die Informationen deuteten darauf hin, dass man sie kurz nach ihrem Verschwinden in die Zentrale des SNR brachte und einige Tage später an einen anderen Ort verlegte, wo sie außergerichtlich hingerichtet wurde.

Recht auf Meinungsfreiheit

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Informationszugang blieben stark eingeschränkt. Die Behörden nahmen Medienschaffende ins Visier und unterbanden ihre Arbeit. Viele Journalist_innen befanden sich weiterhin im Exil, während diejenigen, die im Land arbeiteten, umfangreichen Einschränkungen unterworfen waren, die sie daran hinderten, über Menschenrechtsverletzungen und -verstöße zu berichten sowie über Themen, die die nationale Sicherheit betrafen.

In der Provinz Kirundi wurden im März 2019 auf Anweisung des lokalen Staatsanwalts sieben Schüler_innen einer Sekundarschule festgenommen und beschuldigt, ein Foto des Präsidenten in ihren Schulbüchern verunstaltet zu haben. Drei von ihnen wurden wegen "Beleidung des Staatsoberhaupts" angeklagt. Einige Tage nach ihrer Festnahme kamen alle wieder frei; fünf wurden der Schule verwiesen.

Der Nationale Kommunikationsrat (CNC) entzog im März 2019 dem Fernsehsender BBC die Betriebsgenehmigung. Der Entzug der Lizenz des Senders Voice of America (VOA) wurde "bis auf Weiteres" verlängert. Die Sendegenehmigungen für VOA und BBC waren bereits 2018 wenige Tage vor dem Verfassungsreferendum ausgesetzt worden. Inländischen Journalist_innen war es damit verboten, Informationen an die BBC oder die VOA weiterzugeben, die diese senden könnten.

Am 22. Oktober 2019 nahm die Polizei die Journalist_innen Agnès Ndirubusa, Christine Kamikazi, Egide Harerimana und Térence Mpozenzi, die für die unabhängige Online-Nachrichtenseite Iwacu arbeiteten, und ihren Fahrer Adolphe Masabarakiza in der Provinz Bubanza fest. Sie waren dorthin gereist, um Berichten über Zusammenstöße zwischen einer bewaffneten Oppositionsgruppe und Sicherheitskräften nachzugehen. Am 31. Oktober wurden sie wegen "Mittäterschaft bei der Untergrabung der staatlichen Sicherheit" angeklagt. Adolphe Masabarakiza kam am 20. November 2019 vorläufig frei, während die anderen im Gefängnis von Bubanza blieben. Während des Prozesses im Dezember brachte die Staatsanwaltschaft als Beweis eine ironische Bemerkung vor, die einer von ihnen über WhatsApp an einen anderen Journalisten geschickt hatte, wonach sie "dabei seien, die Rebellen zu unterstützen". Daraufhin präsentierte die Verteidigung eine andere satirische Nachricht, die derselbe Journalist verschickt hatte, in der es hieß, sie würden sich "mit diesen Leuten auseinandersetzen, die den Frieden und die Wahlen stören wollen". Die Staatsanwaltschaft forderte eine Haftstrafe von 15 Jahren.

Im Oktober 2019 veröffentlichte der CNC einen neuen Verhaltenskodex für die Medien in Bezug auf Wahlen. Er untersagte es den Medien, Umfrageergebnissen als Informationsquelle zu nutzen. Außerdem dürfen nur die von der Unabhängigen Nationalen Wahlkommission und deren Zweigstellen genannten Wahlergebnisse veröffentlicht werden.

Recht auf Vereinigungsfreiheit

Angehörige der Opposition und vermeintliche Regierungsgegner_innen waren weiterhin Angriffen ausgesetzt, die von Behörden und Mitgliedern der Regierungspartei ausgingen. Vor allem Anhänger der Partei Congrès National pour la Liberté (CNL) gerieten ins Visier. Imbonerakure-Mitglieder töteten und attackierten zahlreiche CNL-Mitglieder, setzten sie willkürlich fest und zerstörten lokale Parteibüros im ganzen Land.

Nach der temporären Suspendierung fast aller internationaler NGOs im September 2018 beendeten mehrere Organisationen ihre Arbeit, um keine Daten über die ethnische Zugehörigkeit ihres inländischen Personals preisgeben zu müssen. Im Oktober 2018 hatte der Innenminister mitgeteilt, dass nur die NGOs, die Krankenhäuser und Schulen betrieben, von der Suspendierung ausgenommen seien, die er Nationale Sicherheitsrat (Conseil National de Sécurité – CNS) angekündigt hatte. Außerdem müssten die Organisationen nachweisen, dass sie das im Jahr 2017 erlassene Gesetz über ausländische NGOs einhielten.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Burundische Flüchtlinge und Asylsuchende wurden zunehmend unter Druck gesetzt, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, vor allem in Tansania. Das Land beherbergte zusammen mit Ruanda, der Demokratischen Republik Kongo und Uganda etwa die Hälfte der mehr als 300.000 burundischen Flüchtlinge. Im August 2019 unterzeichneten die Regierungen von Burundi und Tansania ein bilaterales Abkommen, um die "freiwillige oder unfreiwillige" Rückkehr von Flüchtlingen von Tansania nach Burundi zu erhöhen. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) war in die Verhandlungen nicht mit einbezogen. Es leistete weiterhin finanzielle und logistische Unterstützung für diejenigen, die nach Burundi zurückkehrten, vertrat jedoch nach wie vor die Ansicht, dass die Bedingungen in Burundi noch nicht dafür geeignet seien, um eine Rückkehr zu fördern.

Straflosigkeit

Im Oktober 2019 wurden vier Imbonerakure-Mitglieder wegen der Ermordung eines Oppositionspolitikers in der Provinz Muyinga zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die meisten politisch motivierten Verbrechen von Imbonerakure-Mitgliedern wurden jedoch weiterhin nicht geahndet.  

Internationale Kontrolle

Nach mehr als 20 Jahren schloss das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte im Februar 2019 seine Büros in Burundi. Die Regierung hatte die Zusammenarbeit mit der Niederlassung 2016 eingestellt und im Dezember 2018 ihre Schließung angeordnet.

Die Regierung verweigerte den Mitgliedern der UNIIB weiterhin die Einreise ins Land. Nach der Veröffentlichung eines regierungskritischen Berichts im September 2018 hatte sie ihnen strafrechtliche Verfolgung angedroht.

Die Afrikanische Union setzte nach wie vor Menschenrechtsbeobachter_innen in Burundi ein, veröffentlichte jedoch keine Ergebnisse.

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt

Die UNIIB dokumentierte zahlreiche Fälle sexualisierter Gewalt. Im Gegensatz zu früheren Jahren ereigneten sich die meisten Fälle, die der Kommission 2018 und 2019 gemeldet wurden, in ländlichen Gebieten. Nach Erkenntnissen der UNIIB wurden die meisten Übergriffe von staatlichen Akteuren oder mit deren direkter oder stillschweigender Zustimmung begangen. Mitglieder von Imbonerakure verübten Vergewaltigungen, vor allem Gruppenvergewaltigungen, um ihre Opfer wegen deren vermeintlicher politischer Ansichten einzuschüchtern oder zu bestrafen.

Frauenrechte

Frauen und Mädchen wurden diskriminierende Beschränkungen ihres Rechts auf Bewegungsfreiheit auferlegt. Im Mai 2019 verhängte der Ortsvorsteher der Gemeinde Musongati in der Provinz Rutana eine Ausgangsperre für Frauen, die es ihnen verbot, nach 19 Uhr ohne Begleitung ihrer Ehemänner Märkte oder Bars zu betreten.

Rechte auf Gesundheit und Nahrung

Die humanitäre Lage war nach wie vor desolat. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es mehr als 8,5 Mio. Fälle von Malaria. 3.170 Personen starben 2019 an dieser Krankheit. Mehr als 1,7 Mio. Menschen der auf 11 Mio. geschätzten Bevölkerung waren von Ernährungsunsicherheit bedroht. Trotz der wirtschaftlichen Probleme, die bereits vor der aktuellen Krise existierten, forderte die Regierung die Bevölkerung zu 'freiwilligen' Spenden für die Wahlen im Jahr 2020 auf und belegte internationale Organisationen mit starken Einschränkungen – auch diejenigen, die humanitäre Hilfe leisteten.

Weitere Artikel