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Amnesty Report 2020: Weltweite Menschenrechtslage hat sich in Corona-Krise massiv verschlechtert
Die Menschenrechtslage hat sich in der Covid-19-Krise für Millionen von Menschen unmittelbar oder mittelbar verschlechtert. In vielen Teilen der Welt verstärkten die Pandemie und ihre Folgen im letzten Jahr die Auswirkungen von Ungleichheit, Diskriminierung und Unterdrückung. Besonders vulnerable Gruppen wie vorerkrankte Menschen, Geflüchtete und Beschäftigte im Gesundheitswesen, Minderheiten sowie Frauen und Mädchen litten am stärksten unter der Pandemie. Während autoritäre Regierungen oft mit exzessiver Gewalt gegen die Zivilgesellschaft vorgingen, versagte die internationale Zusammenarbeit in vielen Bereichen, wie auch beim gerechten Zugang zu Impfstoffen. Zu diesen Ergebnissen kommt Amnesty International im aktuellen Amnesty International Report 2020/21. Auch in Deutschland besteht Handlungsbedarf, etwa beim Schutz vor Rassismus und bei Kontrollmechanismen für die Polizei.
Die Covid-19-Pandemie hat im Jahr 2020 auf der ganzen Welt strukturelle Missstände und Ungleichheiten beim Zugang zu Menschenrechten aufgezeigt und sie weiter verschärft. Menschen, die bereits marginalisiert werden, darunter Frauen und Geflüchtete, litten besonders unter den verheerenden Folgen der Verbreitung von Covid-19. Viele Regierungen versäumten es, besonders verletzliche Gruppen ausreichend zu schützen. Regierungen und bewaffnete Gruppen nutzten verstärkt Gewalt und Repression in politischen Konflikten und es kam zu zunehmenden Einschränkungen von Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit. Kritische Stimmen, die auf Missstände aufmerksam machten, wurden vielerorts gezielt verfolgt und unterdrückt. Zu diesen Ergebnissen kommt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem neuen Jahresbericht.
Der "Amnesty International Report 2020/21 zur weltweiten Lage der Menschenrechte" betrachtet 149 Länder und beinhaltet im englischen Original auf 408 Seiten eine umfassende Analyse der globalen Menschenrechtslage im Jahr 2020, darunter auch die Entwicklung in Deutschland.
"Millionen von Menschen waren im letzten Jahr massiv der Pandemie und ihren Folgen ausgesetzt, ohne dass Regierungen weltweit ihrer menschenrechtlichen Schutzpflicht ausreichend nachgekommen wären. Zahlreiche Staaten missbrauchten die Gesundheitskrise um weiter rechtsstaatliche Prinzipien aufzulösen und Rechte einzuschränken oder nahmen billigend den Tod von Menschen aus Risikogruppen oder dem Gesundheitssektor in Kauf", sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland.
"Die globale Pandemie hat auch schonungslos die Schwächen der internationalen Zusammenarbeit und der globalen Systeme und Institutionen offenbart. Es braucht jetzt Staaten, die gemeinsam und kooperativ weltweite Aufgaben, wie die gerechte Impfstoffverteilung, angehen und es braucht die Stärkung der internationalen Institutionen. Die Covid-19-Pandemie ist ein Lackmustest, inwieweit die Staatengemeinschaft in der Lage ist, verantwortlich und aktiv mit globalen Herausforderungen umzugehen – ob Pandemie, Klimakrise oder menschenrechtskonforme Digitalisierung."
Grafiken mit Zahlen und Fakten zum Amnesty International Report 2020/21:
Schutzbedürftige und besonders vulnerable Gruppen ohne ausreichenden Schutz
Der aktuelle Amnesty-Jahresbericht zeigt auf, wie etwa Beschäftigte im Gesundheitswesen in der Pandemie oftmals schutzlos allein gelassen wurden. Im vergangenen Jahr starben weltweit mindestens 17.000 Beschäftigte in diesem Sektor, ein Großteil in Südamerika. "Es ist bezeichnend, dass statistisch betrachtet im letzten Jahr alle 30 Minuten eine im Gesundheitswesen arbeitende Person mit Covid-19 gestorben ist, oftmals im Einsatz ohne die grundlegendsten Schutzvorkehrungen. Alarmierend ist, dass Amnesty International in mehr als einem Viertel der Länder staatliche Repressionen gegen medizinisches Personal dokumentieren musste", so Beeko.
Die Covid-19-Pandemie hat zudem die bereits katastrophalen Lebensumstände von Geflüchteten sowie Migrantinnen und Migranten in vielen Ländern verschärft. Grenzschließungen ließen Menschen ohne Grundversorgung stranden, viele wurden in Lagern ohne sanitäre Grundausstattung festgesetzt, oft fehlten sauberes Wasser und wichtige Hygieneartikel; andere wurden unter desaströsen Bedingungen in Zwangsquarantänen inhaftiert. Derweil kam es an vielen Grenzen weiter zu rechtswidrigen Push-Backs und Misshandlungen, wie auch an den EU-Außengrenzen in Griechenland und Kroatien.
Amnesty International stellte zudem in vielen Regionen einen erheblichen Anstieg von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt fest. Für viele bedrohte Frauen und lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche (LGBTI) Menschen waren durch die Pandemie zudem Schutz- und Hilfsangebote nicht mehr verfügbar. In mindestens 24 der 149 im Jahresbericht erfassten Länder dokumentierte Amnesty International glaubwürdige Vorwürfe, dass LGBTI-Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität festgenommen wurden – ein Anstieg von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Videoaufzeichnung der Online-Pressekonferenz zum Amnesty International Report 2020/21:
Impfstoffgerechtigkeit: Niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind
Zu den aktuell drängendsten Fragen der globalen Pandemiebekämpfung gehört, wie weltweit schutzbedürftige Gruppen rasch eine Impfung erhalten und wie in allen Ländern möglichst viele Menschen möglichst rasch geimpft werden können. Hierzu kann eine vorübergehende Ausnahmeregelung vom Patentschutz für Covid-19-Medizinprodukte einen wichtigen Beitrag leisten. Mehr als 100 Länder unterstützen einen entsprechenden Antrag von Indien und Südafrika zur Aussetzung des TRIPS-Abkommens in der Welthandelsorganisation. Bislang blockieren Staaten, wie die USA, Großbritannien, die Schweiz, und die EU diesen Vorschlag.
"In einer weltweiten Pandemie sind Staaten und Unternehmen verpflichtet dafür zu sorgen, dass ausreichend Impfstoff für alle Menschen weltweit hergestellt werden kann, dass dieser gerecht verteilt wird und dass besonders vulnerable Personengruppen zuerst geimpft werden, egal wo sie leben. Amnesty International hat deshalb die internationale Kampagne 'A Fair Shot' zur Impfstoffgerechtigkeit zusammen mit anderen Organisationen gestartet. Impfstoffgerechtigkeit ist eine Frage der Menschenrechte, aber auch Teil der globalen Lösung einer globalen Krise: Denn niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind", so Beeko.
Exzessive Gewalt gegen die Zivilgesellschaft
Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger wurden auch im letzten Jahr in vielen Teilen der Welt verfolgt, schikaniert und getötet. Der Amnesty International Report 2020/2021 dokumentiert, wie Staaten im vergangenen Jahr bei gesellschaftlichen Konflikten zunehmend gewaltsam vorgingen. In zahlreichen Ländern wurden Sicherheitsgesetze verschärft, Minderheiten diskriminiert, teilweise wurden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Regierungen und Militärs, wie in Myanmar, Äthiopien, Nigeria und Belarus wandten systematisch exzessive, teilweise tödliche Gewalt gegen friedlich Protestierende an. In Nigeria etwa töteten Sicherheitskräfte Dutzende Menschen, die gegen das brutale Vorgehen der Polizeieinheit Special Anti-Robbery Squad (SARS) protestierten und Rechenschaft verlangten. Äthiopische und eritreische Regierungstruppen verübten in der Region Tigray Massaker an der Zivilbevölkerung.
Deutschland: Wichtige Schritte gegen Straflosigkeit, weiter Mängel bei der Einhaltung internationaler Standards
Deutschland leistete im vergangenen Jahr mit den Gerichtsprozessen nach dem Weltrechtsprinzip einen wichtigen Beitrag im internationalen Kampf gegen die Straflosigkeit: Im weltweit ersten Strafprozess wegen mutmaßlicher Staatsfolter in Syrien verurteilte das Oberlandesgericht Koblenz im Februar 2021 einen früheren Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes zu viereinhalb Jahren Haft wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit. "Von Deutschland ist ein unübersehbares Signal nach Syrien und in die Welt gegangen: Die internationale Gemeinschaft zieht diejenigen zur Verantwortung, die sich wegen schwerster Menschenrechtsverbrechen strafbar gemacht haben. Kein Folterverantwortlicher soll sich zukünftig sicher vor Strafverfolgung fühlen", so Beeko.
Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu Massenüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst im letzten Jahr war aus Sicht von Amnesty International eine wichtige Stärkung des Grund- und Menschenrechtsschutzes. In Bezug auf die Menschenrechte in Deutschland sieht Amnesty aber auch weiter Nachholbedarf: So bleibt im Bereich der inneren Sicherheit sowohl die Bekämpfung rassistischer Gewalt vorrangig, wie auch die Stärkung von Kontrollmechanismen bei Polizei und Sicherheitsbehörden.
"Der deutsche Rechtsstaat weist ausgerechnet dort Lücken auf, wo es um Transparenz und Kontrolle der Polizei geht – wichtige internationale Menschenrechtsstandards werden hier nicht eingehalten. Auf diesen Handlungsbedarf weist Amnesty International wiederholt und nun erneut im aktuellen Jahresbericht hin, genau wie internationale Gremien der UN und des Europarates in ihren regelmäßigen Empfehlungen zu Deutschland", erklärt Maria Scharlau, Expertin für Polizei und Menschenrechte sowie für Antirassismus bei Amnesty International in Deutschland.
Hintergrund
Der "Amnesty International Report " (AIR) gibt Auskunft über die Situation der Menschenrechte in 149 Staaten und ist eine internationale Grundlage für alle, die sich für die Menschenrechte interessieren und sie durch politische Entscheidungen oder freiwilliges Engagement verändern wollen. Zugleich fordert der jährliche Bericht von Regierungen ein, die Menschenrechte zu respektieren und für sie einzustehen.
Nach einem mehrteiligen digitalen AIR 2019/20 mit regionalen Veröffentlichungen im vergangenen Jahr, gibt es in diesem Jahr mit dem "Amnesty International Report 2020/2021" wieder einen zentralen weltweiten Jahresbericht (Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2020) mit dem Veröffentlichungsdatum Mittwoch, den 7. April 2021.