Für diese Personen haben wir uns beim Briefmarathon 2016 eingesetzt

© Amnesty International, Foto: Privat
Ist Unrecht öffentlich, geraten die Verantwortlichen in Zugzwang. Amnesty recherchiete für den Briefmarathon 2016 weltweit elf Fälle. Ob in den USA, in Malawi oder im Iran: Jedes einzelne Schicksal offenbart eine gravierende Menschenrechtsverletzung, gegen die Menschen global aktiv wurden.
Staudammprojekt bedroht "First Nations"
Kanada
Das Tal des Peace Rivers in der kanadischen Provinz British Columbia ist ein einzigartiges Ökosystem und für die indigenen Bevölkerungsgruppen ("First Nations") von großer Bedeutung: Sie jagen und fischen dort, sammeln medizinische Kräuter und halten traditionelle Zeremonien ab. Auch sind ihre Vorfahren in dem Tal begraben. Nun ist ein Wasserkraftwerk geplant, für das der Peace River auf einer Länge von mehr als 80 Flusskilometern aufgestaut werden soll. Das würde die Lebensgrundlage der "First Nations" zerstören. Obwohl die Rechte der indigenen Einwohnerinnen und Einwohner Kanadas auf ihr Land durch die Verfassung geschützt sind, treiben die Behörden das Projekt voran. Die Bauarbeiten haben bereits begonnen – während Betroffene gegen das Projekt vor Gericht vorgehen.
Kleinbäuerin schikaniert
Peru
Máxima Acuña sitzt buchstäblich auf einem Goldschatz. Reich macht sie das nicht. Stattdessen wird sie seit Jahren bedroht. Das Bergbauunternehmen Yanacocha beansprucht das Land der Kleinbäuerin im Norden Perus für sich – mit allen Mitteln. 2011 schlugen Polizisten sie und ihre Tochter bewusstlos, mehrmals versuchte die Polizei, das Gelände gewaltsam zu räumen, und im Frühjahr 2016 vernichteten private Sicherheitskräfte ihre Kartoffelernte. "Ich will einfach nur, dass sie mich in Ruhe auf meinem Grund und Boden leben lassen", sagte sie Anfang des Jahres der BBC. Acuña kämpft für ihre Rechte und ist landesweit zu einer Ikone des Widerstands gegen die Bergbau-Lobby geworden. Im April 2016 erhielt sie den Goldman-Preis, der als "Umwelt-Nobelpreis" gilt. Mit dem Bergbauunternehmen muss sie allerdings weiter streiten.

Máxima Acuña freut sich über Briefe, die während des Amnesty-Briefmarathons 2016 für sie geschrieben wurden.
© Amnesty International
Bei der Arbeit festgenommener Journalist
Ägypten
Als Mahmoud Abu Zeid im August 2013 die gewaltsame Auflösung eines Protestcamps von Anhängerinnen und Anhängern des entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi in Kairo fotografierte, nahm die Polizei ihn fest. Er wurde in der Haft gefoltert und misshandelt. Die Staatsanwaltschaft hat konstruierte Anklagen gegen den Fotografen erhoben, darunter "Teilnahme an einer illegalen Versammlung" und "Mord". Bei einer Verurteilung droht ihm die Todesstrafe. Das bisherige Verfahren gegen ihn war unfair. Seinen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten wurde der Zugang zu wichtigen Dokumenten verweigert.
Anwältin droht Haft
Türkei
Die Rechtsanwältin Eren Keskin setzt sich seit über 30 Jahren für die Rechte von Frauen und Kurdinnen und Kurden in der Türkei ein. Über Jahrzehnte hinweg wurde die Menschenrechtsverteidigerin zahllose Male bedroht, eingeschüchtert und verhört. 1995 musste sie allein wegen des Gebrauchs des Wortes "Kurdistan" in einem ihrer Artikel sechs Monate im Gefängnis verbringen. Die türkische Justiz strengte im Laufe der Jahrzehnte unzählige Prozesse gegen sie an – ohne dass es ihr gelang, Eren Keskin zum Schweigen zu bringen. Nun droht ihr erneut eine Verhaftung wegen ihrer Funktion als Mitherausgeberin der kurdischen Zeitung "Özgür Gündem", deren Redaktion im August 2016 auf Anordnung der türkischen Regierung zerschlagen wurde.
Kranke nicht versorgt
Iran
Die 34-jährige Zeynab Jalalian droht zu erblinden. Seit dem Jahr 2008 sitzt die Kurdin, die sich für die Rechte der kurdischen Minderheit im Iran einsetzt, in Haft. Die Behörden warfen ihr vor, der Oppositionsgruppe PJAK anzugehören, die einen bewaffneten Flügel hat. Wegen "Feindschaft zu Gott" wurde Jalalian in einem unfairen Verfahren, ohne Rechtsbeistand, zu lebenslanger Haft verurteilt. Ihre Augenerkrankung könnte nach Meinung ihrer Familie von der Folter herrühren, die Jalalian während ihrer Haft erlitt. Die Behörden aber verweigern ihr den dringend nötigen Besuch eines Augenarztes und erpressten sie mit der Forderung, sie solle im Fernsehen "Geständnisse" ablegen.
15 Jahre Haft wegen Demonstration
Indonesien
Seit 2007 sitzt Johan Teterissa im Gefängnis, und das nur, weil er friedlich demonstriert hat. Der Grundschullehrer veranstaltete im Juni 2007 in Ambon, der Provinzhauptstadt der Molukken, zusammen mit anderen Aktivisten eine Protestaktion am nationalen Familientag. Vor den Augen des damaligen indonesischen Präsidenten Yudhoyono führten sie einen traditionellen Kriegstanz auf und hielten die Benang-Raja-Flagge hoch – ein Symbol der Unabhängigkeit der Südmolukken, das verboten ist. Teterissa wurde festgenommen, gefoltert und wegen Rebellion zu 15 Jahren Haft verurteilt. Seither sitzt er in einem Gefängnis auf der Insel Nusakambangan, 2.500 Kilometer von seiner Familie entfernt.
Wegen Graffiti in Haft
Aserbaidschan
Im Aserbaidschanischen ähnelt das Wort "Blume" dem für "Sklave". Darauf spielten die Studenten Bayram Mammadow und Giyas Ibrahimov an, als sie am nationalen Blumentag "Alles Gute zum Sklaventag" auf eine Büste von Heydar Alijew sprühten. Alijew war Präsident des Landes, der nationale Blumentag wird ihm zu Ehren begangen. Inzwischen hat sein Sohn das Amt inne. Nachdem die Studenten ein Foto ihrer Aktion auf Facebook gepostet hatten, wurden sie verhaftet – wegen angeblichen Drogenbesitzes.

Bayram Mammadov und Giyas Ibrahimov aus Aserbaidschan - Porträts von Ai Weiwei
© Ai Weiwei
Als sie sich im Verhör, das sich nur um das Graffiti drehte, weigerten, ein Geständnis zu unterzeichnen und sich für die Aktion zu entschuldigen, wurden sie gefoltert. Ibrahimov wurde Ende Oktober zu zehn Jahren Haft verurteilt, Mammadows Verfahren läuft noch, auch ihm drohen bis zu zwölf Jahre Haft.
Professor verurteilt
China
Ilham Tohti, ein renomierter Pekinger Wirtschaftsprofessor, der zur Ethnie der Uiguren gehört, ist 2014 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Tohti hatte öffentlich die Menschenrechtsverletzungen, unter denen die mehrheitlich muslimischen Uiguren im Land leiden, kritisiert und für einen friedlichen Dialog geworben. Er gründete auch das Internetportal "Uighur online", um über die Lage der Uiguren aufzuklären – für die Behörden ein Fall von Separatismus. Das Portal wurde gesperrt, Tohti inhaftiert und monatelang an einem unbekannten Ort gefangen gehalten. Zeitweise musste er Fußfesseln tragen und bekam kein Essen. Anwälte konnten ihn erst fünf Monate nach der Inhaftierung besuchen.
Whistleblower droht Haft
USA
Für die einen ist er ein Freiheitsheld, für die anderen der Staatsfeind Nummer 1: Edward Snowden. Im Jahr 2013 gab er Dokumente, die die Überwachungstechniken des US-Auslandsgeheimdienstes NSA belegten, an die Presse weiter. Er löste damit einen internationalen Skandal und eine Debatte über staatliche Eingriffe in die Privatsphäre aus. Die USA wollten Snowden wegen Verstößen gegen ein Spionagegesetz anklagen, doch er floh und hält sich derzeit in Russland auf. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm in den USA bis zu 30 Jahre Haft. Amnesty International fordert US-Präsident Barack Obama auf, den Whistleblower zu begnadigen. Schließlich ist es Snowden zu verdanken, dass inzwischen weltweit Maßnahmen ergriffen werden, um das Menschenrecht auf Privatsphäre besser zu schützen.
Staatsfeind wegen SMS
Kamerun
Wegen einer sarkastischen SMS sind drei kamerunische Studenten zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Fomusoh Ivo Feh hatte eine SMS mit einem Witz über die islamistische Terrorgruppe Boko Haram von einem Freund bekommen und an einen anderen Freund weitergeleitet: Selbst Boko Haram würde einen nur aufnehmen, wenn man die Abschlussprüfungen in mindestens fünf Schulfächern bestanden habe – eine Anspielung auf die schlechten Zukunftsaussichten von kamerunischen Jugendlichen ohne Ausbildung. Die Behörden aber sehen in der SMS, über die ein Lehrer die Polizei informierte, die Beteiligung an einem Aufstand gegen den Staat. Die drei Männer sollten endlich wieder studieren können, statt im Gefängnis zu sitzen.
Tödlicher Aberglaube
Malawi
Annie Alfred ist zehn Jahre alt und will Krankenschwester werden. Doch es könnte sein, dass ihr Traum platzt. Der Grund: Sie hat Albinismus. In Malawi, Annie Alfreds Heimatland, kann das ein Todesurteil sein. Dort werden Menschen wie sie diskriminiert und im schlimmsten Fall verstümmelt oder getötet. Denn "Wunderheiler" behaupten, dass Knochen oder Körperteile von Menschen mit Albinismus Glück bringen. Die Regierung des Landes verurteilt das, unternimmt aber nicht genug dagegen. Die wenigen Täter, die festgenommen wurden, erhielten nur geringe Strafen oder wurden freigelassen. Damit Annie Alfred und die Tausenden anderen Betroffenen in Malawi sicher und frei leben können, muss der Staat die Bevölkerung aufklären und die Betroffenen besser schützen.

Annie Alfred muss wegen eines Aberglaubens in Malawi fürchten, aufgrund ihres Albinismus verfolgt zu werden
© Amnesty International/Lawilink