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Ägypten: Geplante Massenüberwachung sozialer Medien ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit

Ägyptische Facebook-Userin in Kairo
© Ed Ou/Getty Images
4. Juni 2014 - In Ägypten wurde eine Ausschreibung für ein neues System zur willkürlichen Massenüberwachung sozialer Medien gestartet. Amnesty International ist der Ansicht, dass dies ein vernichtender Schlag für die Rechte auf Schutz der Privatsphäre und freie Meinungsäußerung in Ägypten wäre.
Die Ausschreibung des Innenministeriums, die diese Woche durchsickerte, sieht vor, Facebook, Twitter und YouTube sowie möglicherweise auch Apps für Mobiltelefone wie z. B. WhatsApp, Viber und Instagram systematisch überwachen zu lassen.
"Die Pläne der ägyptischen Behörden zur willkürlichen Überwachung sozialer Medien nur wenige Monate nach der Verabschiedung einer neuen Verfassung, in der das Recht auf Privatsphäre verankert ist, zeigen, dass Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Ägypten nicht gerade hoch im Kurs stehen. Darüber hinaus gibt es ernste Befürchtungen, dass die Behörden die systematische Überwachung sozialer Netzwerke dazu nutzen werden, beim geringsten Anzeichen von Dissens rigoros durchzugreifen", so Hassiba Hadj Sahraoui, stellvertretende Direktorin der Abteilung für den Mittleren Osten und Nordafrika von Amnesty International.
"Die ägyptischen Behörden weisen eine miserable Bilanz auf, was die Achtung der Rechte auf freie Meinungsäußerung sowie Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit angeht. Ein System zur willkürlichen Massenüberwachung sozialer Medien gibt der ägyptischen Regierung möglicherweise nur ein weiteres Instrument für staatliche Repression an die Hand."
In der durchgesickerten Ausschreibung des Innenministeriums geht es um ein ausgeklügeltes System zur Massenüberwachung sozialer Netzwerke, mit dem diese Medien gezielt nach 26 Themen abgesucht werden, darunter Diffamierung von Religion, Aufruf zu illegalen Demonstrationen, Streiks und Sitzstreiks sowie Terrorismus und Anstiftung zur Gewalt. Die komplette Liste der zu überwachenden Themenkategorien wurde allerdings nicht veröffentlicht, was bedeutet, dass niemand genau wissen kann, ob und wann die eigenen Aktivitäten überwacht werden.
Das geplante Überwachungsprogramm verstößt gegen das Recht auf Privatsphäre, das sowohl in der ägyptischen Verfassung als auch unter dem Völkerrecht garantiert wird. Die ägyptischen Gesetze sehen ausschließlich eine zeitlich begrenzte und gezielte Überwachung des Telekommunikationsverkehrs unter richterlicher Aufsicht vor. Willkürliche Massenüberwachung ist demnach nicht gestattet.
Amnesty International fordert die ägyptische Regierung auf, sicherzustellen, dass alle Überwachungsprogramme in Bezug auf Rechtmäßigkeit, Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Kontrolle durch die Justizbehörden den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts entsprechen. Als neuer Präsident des Landes muss Abd al-Fattah as-Sisi die im nationalen und internationalen Recht festgeschriebenen Bestimmungen der Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Rechte auf Privatsphäre und freie Meinungsäußerung gewährleisten.
Amnesty International erkennt an, dass Staaten in manchen Fällen aus legitimen Gründen der nationalen Sicherheit auf gezielte heimliche Überwachung zurückgreifen müssen. Willkürliche Massenüberwachung dagegen ist ein unnötiger und unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Privatsphäre. Die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs und damit auch die Überwachung sozialer Medien muss internationalen Menschenrechtsnormen entsprechen, nach denen ein Ausgleich geschaffen werden muss zwischen der Pflicht des Staates zum Schutz der Sicherheit einerseits und der Gewährleistung der Rechte auf Privatsphäre und freie Meinungsäußerung sowie weiterer Menschenrechte andererseits.
Die ägyptischen Behörden haben wiederholt betont, dass die geplanten Maßnahmen der Terrorbekämpfung dienen und nicht zur Unterbindung der Meinungsfreiheit eingesetzt werden sollen. Es gibt allerdings alarmierend viele Hinweise auf die Haltlosigkeit dieser Beteuerung.
Im vergangenen Jahr sind die Behörden in großem Stil gegen kritische Stimmen vorgegangen, indem sie ein neues repressives Demonstrationsgesetz und unverhältnismäßig breit auslegbare und vage Anti-Terror-Gesetze eingeführt haben. Verschiedene ägyptische Regierungen haben auch in der Vergangenheit bereits den elektronischen Kommunikationsverkehr überwacht. Es kommt auch immer wieder zur Festnahme und Strafverfolgung von AktivistInnen, die in sozialen Netzwerken aktiv sind.
"Die ägyptischen Sicherheitskräfte haben in der Vergangenheit häufig Verstöße begangen und sind so gut wie immer straffrei ausgegangen. Bei einem solchen Überwachungssystem in den Händen unverantwortlicher Sicherheitskräfte sind weitere Missbräuche vorprogrammiert", so Hassiba Hadj Sahraoui.
Tausende UnterstützerInnen von Mohammed Mursi werden in ägyptischen Gefängnissen festgehalten, weil sie von ihrem Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht haben. Amnesty International hat Fälle dokumentiert, in denen friedliche Demonstrierende festgenommen, gefoltert und misshandelt wurden. Zahlreiche ÄgypterInnen sind außerdem wegen elektronischer Kommunikation und Nachrichten u.a. auf YouTube, Facebook und Twitter festgenommen wurden.
"JournalistInnen, SchriftstellerInnen und BloggerInnen werden ins Visier genommen. Der Versuch, Nachrichten auf Twitter, Facebook und in anderen Netzwerken zu unterdrücken wird Anlass zu der Befürchtung geben, dass Menschen in Ägypten ihre Ansichten nicht offen darlegen können, ohne mit Strafverfolgung rechnen zu müssen", so Hassiba Hadj Sahraoui.
Der ägyptische Innenminister sagte in einer Stellungnahme, eine der Bedingungen der Ausschreibung sei die, dass das System zuvor bereits in den USA oder in europäischen Staaten genutzt wurde. Amnesty International ist der Ansicht, dass willkürliche Massenüberwachung auch in den USA, Großbritannien oder anderen europäischen Staaten sowohl gegen nationale Gesetze als auch gegen internationale Menschenrechtsnormen verstößt.
"Die ägyptischen Behörden sollten keine rechtswidrigen Programme replizieren, die in anderen Ländern für Eingriffe in das Recht auf Privatsphäre verwendet wurden", so Hassiba Hadj Sahraoui.
Unternehmen, die sich auf die Ausschreibung für das Überwachungsprogramm bewerben, verstoßen damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch gegen die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und die unternehmerische Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte.