Geistig behindertem Mann droht Hinrichtung

Aktion zum Tag gegen die Todesstrafe am 10.10.2012

Aktion zum Tag gegen die Todesstrafe am 10.10.2012

Paul Goodwin soll am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, im US-Bundesstaat Missouri hingerichtet werden. Seine Rechtsbeistände haben auf Grundlage seiner geistigen Behinderung um eine Begnadigung gebeten. Dies wäre die zehnte Hinrichtung in Missouri innerhalb eines Jahres und wäre für den Bundesstaat ein neuer trauriger Rekord seit 1899.

Appell an

GOUVERNEUR DES BUNDESSTAATES MISSOURI
Governor Jay Nixon
P.O. Box 720
Jefferson City
MO 65102
USA
(Anrede: Dear Governor / Sehr geehrter Herr Gouverneur)
Fax: (00 1) 573 751 1495
E-Mail: über die Webseite: http://governor.mo.gov/contact/

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
S. E. Herrn John Bonnell Emerson
Pariser Platz 2
10117 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: über
http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 10. Dezember 2014 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte weder den Mord an Joan Crotts entschuldigen noch das dadurch verursachte Leid verharmlosen.

  • Jedoch gebe ich zu bedenken, dass Paul Goodwin an einer leichten geistigen Behinderung leidet, und dass Sie als Gouverneur nach wie vor die Möglichkeit haben, ihn zu begnadigen.

  • Es besorgt mich sehr, dass in Missouri immer noch die Todesstrafe verhängt wird.

  • Ich bitte Sie daher inständig, die Hinrichtung von Paul Goodwin zu stoppen und sich für die Umwandlung des Todesurteils in eine Haftstrafe einzusetzen.

Sachlage

Paul Goodwin musste sich 1999 wegen des mutmaßlichen Mordes an der 63-jährigen Joan Crotts im St. Louis County am 1. März 1998 vor Gericht verantworten. Bei dem Gerichtsverfahren sagten zwei Psychologen und ein Psychiater mehrmals aus, dass Paul Goodwin an einer leichten geistigen Behinderung, einer Lernschwäche, einer Persönlichkeitsstörung und starken Depressionen leidet. Sie gaben an, dass der Angeklagte nicht für sein Handeln zum Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Tat verantwortlich gemacht werden kann, oder dass zumindest seine Fähigkeit, sein Verhalten an den gesetzlichen Bestimmungen auszurichten, stark eingeschränkt war. Die Geschworenen ließen sich von der Verteidigung jedoch nicht überzeugen, dass Paul Goodwin aufgrund einer psychischen Erkrankung als nicht schuldig zu betrachten sei, und sprachen sich für die Todesstrafe aus. Am 2. Dezember 1999 wurde Paul Goodwin vom vorsitzenden Richter zum Tode verurteilt.

Der Oberste Gerichtshof urteilte 2002 im Fall Atkins gegen Virginia, dass die Verhängung der Todesstrafe gegen Personen mit "geistiger Behinderung" (mental retardation/intellectual disability) verfassungswidrig ist. Die Rechtsbeistände von Paul Goodwin legten unter Berufung auf dieses Urteil Rechtsmittel ein und legten zudem erstmals ein Expertengutachten über die geistigen Fähigkeiten von Paul Goodwin vor. Der Bildungspsychologe, den die Rechtsbeistände von Paul Goodwin mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt hatten, ist auf das Thema "geistige Behinderung und Todesstrafe" spezialisiert und wurde in dem Urteil im Fall Atkins gegen Virginia zitiert. Das Oberste Gericht von Missouri bestätigte jedoch im Jahr 2006 mit vier zu drei Stimmen die Entscheidung eines vorinstanzlichen Gerichts gegen diese Rechtsmittel. Der vorsitzende Richter und zwei weitere Richter_innen, die sich für die Berücksichtigung der Rechtsmittel ausgesprochen hatten (und damit die drei Gegenstimmen bildeten), begründeten ihre Ansichten so: In den Gerichtsakten fänden sich zwar Hinweise darauf, dass Paul Goodwin keine geistige Behinderung aufweise, aber gleichzeitig gäbe es in dem neuen Gutachten genügend Hinweise darauf, dass er in der Tat geistig behindert sei. Sie wiesen außerdem darauf hin, dass der Bildungspsychologe, der mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt worden war, zu dem Schluss kam, dass Paul Goodwin eine leichte geistige Behinderung aufweist. Nach Ansicht der drei Richter_innen hätte das vorinstanzliche Gericht diese Tatsache in Betracht ziehen müssen. Daher vertreten sie die Auffassung, dass über das Strafmaß gegen Paul Goodwin neu entschieden werden sollte, damit ein Geschworenengericht die Nachweise für eine geistige Behinderung des Angeklagten abwiegen kann.

Die Rechtsbeistände von Paul Goodwin haben auf Grundlage des Expertengutachtens über die geistige Behinderung ihres Mandanten um eine Begnadigung gebeten. Ihrer Ansicht nach würde die Hinrichtung von Paul Goodwin gegen das Gesetz verstoßen, da der Angeklagte die Gründe für das Strafmaß und die Umstände seiner Bestrafung nicht begreift.

Seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen in den USA im Jahr 1976 sind 1.392 Personen hingerichtet worden, 79 davon im Bundesstaat Missouri. Bisher sind im Jahr 2014 landesweit 33 Todesurteile vollstreckt worden, davon neun in Missouri. So viele Hinrichtungen sind in Missouri seit dem Jahr 1999 nicht mehr vollzogen worden. Das letzte Mal, dass in Missouri zehn Hinrichtungen in einem Jahr durchgeführt wurden, war im Jahr 1899.

Weltweit haben bis heute 140 Länder die Todesstrafe gesetzlich oder in der Praxis abgeschafft. In den USA haben 18 Bundesstaaten die Todesstrafe abgeschafft, vier von ihnen seit 2009: New Mexico, Illinois, Connecticut und Maryland. In den Bundesstaaten Oregon und Washington wurde ein Hinrichtungsmoratorium verhängt.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.