Zivilist "verschwunden"

Aleksandr Minchenok

Aleksandr Minchenok

Von Aleksandr Minchenok aus Lisichansk fehlt seit Juli jede Spur. Damals wurde er auf einer Reise mit seiner Großmutter in der Ostukraine von Kiew nahestehenden Kräften "festgenommen". Seine Eltern haben seitdem nichts von ihm gehört und fürchten um sein Leben.

Appell an

INNENMINISTER
Arsen Avakov
Akademika Bogomoltsa Str. 10
01024 Kyiv
UKRAINE
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 380) 44 253 9796
E-Mail: mvsinfo@mvsinfo.gov.ua

GENERALSTAATSANWALT
Vitaliy Yarema
Vul. Riznytska 13/15
01601 Kyiv
UKRAINE
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 380) 44 280 2603
E-Mail: press-service@gp.gov.ua

Sende eine Kopie an

KOMMANDEUR DES BATAILLONS AIDAR
Sergyi Melnichuk
Grushevskogo St. 30/1
01021 Kyiv
UKRAINE
Tel: (00 380) 44 253 0471
E-Mail: admou@mil.gov.ua

BOTSCHAFT DER UKRAINE
Herrn Vasyl Khymynets, Geschäftsträger a.i.
Albrechtstraße 26
10117 Berlin
Fax: 030-2888 7163
E-Mail: emb_de@mfa.gov.ua oder
ukremb@ukrainische-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 5. Januar 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte Sie nachdrücklich bitten, den Verbleib von Aleksandr Minchenok zu ermitteln und für seine Sicherheit zu sorgen.

  • Sollte er sich in Haft befinden, bitte ich Sie, dafür zu sorgen, dass er Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl hat und umgehend freigelassen wird, sollte er keiner als Straftat anerkannten Handlung angeklagt werden.

  • Leiten Sie sofort eine unparteiische und wirksame Untersuchung zu dem Verschwinden von Aleksandr Minchenok ein. Nach dem Völkerrecht dürfen Festnahmen und Inhaftierungen nur gemäß dem Gesetz und durch zuständige Beamt_innen bzw. autorisierte Personen vorgenommen werden.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to immediately establish Aleksandr Minchenok’s fate and whereabouts and ensure his safety.

  • If he is in detention, urge them to ensure his immediate access to a lawyer of his choice, and charge him with a recognizable criminal offence or immediately release him.

  • Call on the authorities to promptly, impartially and effectively investigate the circumstances of Aleksandr Minchenok’s disappearance, stressing that under international law arrest or detention may only be carried out strictly in accordance with the law, by competent officials or persons authorized to exercise those powers.

Sachlage

Am Morgen des 21. Juli war Aleksandr Minchenok zusammen mit seiner Großmutter Maria Naumova auf dem Weg von Lysychansk in der Region Luhansk nach Charkiw. Er rief seine Eltern an, nachdem er mit seinem Auto die von prorussischen Separatistengruppen überwachten Kontrollpunkte in der Nähe von Sjewjerodonezk passiert hatte. Etwa 30 Minuten später rief eine unbekannte Person, die ihren Namen nicht preisgab, die Eltern an und teilte ihnen mit, dass ihr Sohn festgenommen worden sei und dem Staatsanwalt vorgeführt werde. Nach dem Anruf gelang es den Eltern weder Aleksandr Minchenok noch die unbekannte Person ein weiteres Mal telefonisch zu erreichen.

Daraufhin eilten die Eltern von Aleksandr Minchenok, Ekaterina Naumova und Yuriy Naumov, zu dem Kontrollpunkt, wo man ihnen erzählte, dass ihr Sohn vom Bataillon Ajdar festgenommen worden sei. Das Bataillon ist einer von über 30 sogenannten freiwilligen Kampfverbänden, die sich infolge des Konflikts in der Ukraine gebildet haben und der Regierung in Kiew nahestehen. Vor Ort erzählten Angehörige der Kiew nahestehenden Kräfte den Eltern, dass Aleksandr Minchenok bereits in der Nähe von Starobilsk freigelassen worden sei, einer Stadt unweit von Luhansk.

Die Großmutter von Aleksandr Minchenok berichtete, sie seien von Männern in Militäruniform angehalten worden, sie konnte sich aber nicht erinnern, welches Abzeichen diese trugen. Die Eltern von Aleksandr Minchenok gaben an, dass ihr Wagen, ein Mitsubishi Pajero, später in den Straßen von Starobilsk gesehen worden sei.

Die Mutter kontaktierte Angehörige der prorussischen Separatistengruppen, die ihr mitteilten, dass das Gebiet, auf dem ihr Sohn festgenommen wurde, von Kiew nahestehenden Kräften der Bataillone Ajdar, Luhansk-1 und Donbass kontrolliert werde.

Aleksandr Minchenok ist etwa 1,80 m groß und hat sichtbare Operationsnarben an einer Schulter und einem Schienbein.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Das Bataillon Ajdar ist einer von dreißig sogenannten freiwilligen Kampfverbänden, die sich infolge des Konflikts in der Ukraine gebildet haben. Sie sind lose in die ukrainische Sicherheitsstruktur integriert und haben das Ziel, die von Separatisten kontrollierten Gebiete zurückzuerobern. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass Angehörige des Ajdar-Bataillons, das in der Region Luhansk operiert, an Menschenrechtsverstößen beteiligt waren, darunter Entführungen, rechtswidrige Inhaftierungen, Diebstahl, Erpressung, Misshandlung und möglicherweise Massenexekutionen.

Das Ajdar-Bataillon untersteht zwar formal dem ukrainischen Verteidigungsministerium, die Handlungen seiner Angehörigen werden effektiv aber kaum bis gar nicht überwacht. Berichten zufolge ist die örtliche Polizei nicht bereit oder fähig, gegen Fälle von Menschenrechtsverstößen vorzugehen. Einige der Verstöße, die von Angehörigen des Ajdar-Bataillons begangen wurden, könnten möglicherweise Kriegsverbrechen darstellen, für die nach nationalem und internationalem Recht die Täter_innen und möglicherweise auch die Kommandeure Verantwortung tragen müssen.

Amnesty International hat sich bereits in der Vergangenheit angesichts der von Angehörigen des Ajdar-Bataillons begangenen Menschenrechtsverstöße besorgt gezeigt (mehr Informationen dazu im englischsprachigen Bericht Ukraine: Abuses and war crimes by the Aidar Volunteer Battalion in the north Luhansk region, http://www.amnesty.org/en/library/info/EUR50/040/2014/en), unter anderem im Gespräch mit dem Kommandeur für Sjewjerodonezk und Rubischne. Bei einem Treffen mit Amnesty International bestätigte dieser, dass das Bataillon ein "vereinfachtes" Verfahren für Inhaftierungen habe und gab an, dass das Bataillon tatsächlich über eine eigene Hafteinrichtung in der Gegend von Sjewjerodonezk verfüge. Er räumte ein, dass es möglicherweise Fälle gebe, in denen Personen bei der Festnahme geschlagen wurden, und bestätigte, dass Gefangenen während ihrer Haftzeit die Augen verbunden werden. Er erwähnte einen Mann, der unter seinem Befehl festgenommen und an die Polizei übergeben wurde.

Polizei und Militärbehörden in Sjewjerodonezk informierten Amnesty International, dass 38 Verfahren eingeleitet wurden wegen Straftaten, die von Angehörigen des Ajdar-Bataillons begangen worden sein sollen. Es handelt sich dabei überwiegend um Raubüberfälle. Berichte über diese Straftaten wurden auch dem Verteidigungs- und Innenministerium vorgelegt, bisher brachte dies jedoch keine konkreten Ergebnisse. Die örtliche Polizei berichtete Amnesty International, man sei sich der vom Ajdar-Bataillon begangenen Straftaten bewusst, sei aber nicht in der Lage mehr zu tun, als die Straftaten zu dokumentieren.

Ein hochrangiger Angehöriger des Militärs aus der Region informierte Amnesty International darüber, dass das Verteidigungsministerium nach dem Erhalt seiner Berichte Anfang August zwei Inspektoren beauftragt habe, eine Untersuchung des Ajdar-Bataillons vor Ort durchzuführen. Ihre Empfehlung, das Bataillon neu zu strukturieren sowie strengere Regulierungen und Verfahren einzuführen, sind bisher nicht umgesetzt worden.