Menschenrechtlerin inhaftiert

Gegen die Menschenrechtsverteidigerin Cao Shunli, die am 14. September festgenommen wurde, ist am 21. Oktober offiziell Haftbefehl erlassen worden. Ihr wird vorgeworfen, "Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben". Cao Shunli ist bei schlechter Gesundheit, erhält jedoch nicht die erforderliche medizinische Versorgung.

Appell an

LEITER DER BEHÖRDE FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT IN PEKING
Fu Zhenghua
9 Dongcheng Menqian Dajie
Beijingshi 100740, VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Fu)
Fax: (00 86) 10 6524 2927

STELLVERTRENDER AUSSENMINISTER
Li Baodong
No. 2 Chaoyangmen Nandajie
Chaoyangqu, Beijingshi 100701, VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Vice Minister / Sehr geehrter Herr Vizeminister)
Tel.: (00 86) 10 6596 1114 (nur auf Chinesisch)

Sende eine Kopie an

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Guo Shengkun
Gong'anbu
14 Dong Chang’anjie
Dongchengqu, Beijingshi 100741
VOLKSREPUBLIK CHINA

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S. E. Herrn Shi Mingde
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: info@china-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 12. Dezember 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Cao Shunli ist eine gewaltlose politische Gefangene. Ich fordere Sie auf, sie sofort und bedingungslos freizulassen.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass ihre Freilassung angesichts ihres schlechten Gesundheitszustands umgehend erfolgt.

  • Stellen Sie zudem bitte sicher, dass Cao Shunli, solange sie sich in Haft befindet, nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird und dass sie Zugang zu ihrer Familie und einem Rechtsbeistand ihrer Wahl sowie angemessene Nahrung und jegliche benötigte medizinische Versorgung erhält.

  • Ich bitte Sie des Weiteren, dafür zu sorgen, dass die Haftbedingungen von Gefangenen, darunter Cao Shunli, den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen entsprechen, und sie unter anderem eine angemessene Ernährung und medizinische Versorgung erhalten.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Immediately and unconditionally release Cao Shunli, who is a prisoner of conscience.

  • Ensure that her release takes place urgently particularly in view of her specific need for health care which has not been provided in detention.

  • Ensure that for as long as she remains in detention Cao Shunli is not tortured or otherwise ill-treated, she has access to lawyers of her choosing and can receive visits from family members, and she is provided with the nutrition and health care she requires.

  • Ensure that the treatment of detainees, including Cao Shunli, meets standards provided for in the UN Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners, in particular with regard to the provision of adequate nutrition and health care.

Sachlage

Cao Shunli wurde am 14. September von Angehörigen der Pekinger Behörde für Öffentliche Sicherheit am internationalen Flughafen von Peking abgeführt und willkürlich inhaftiert. Cao Shunli wollte von dort zu einem Schulungsprogramm über Menschenrechtsmechanismen der UN im schweizerischen Genf fliegen. Mehr als fünf Wochen lang fehlte von ihr jede Spur. Ihre Familie wurde schließlich in einem Schreiben vom 21. Oktober über ihre Inhaftierung wegen des Vorwurfs, "Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben", informiert. Cao Shunli wird in der Hafteinrichtung des Stadtteils Chaoyang festgehalten. Amnesty International betrachtet sie als gewaltlose politische Gefangene. Amnesty International vorliegenden Angaben zufolge leidet Cao Shunli an einer schweren Zirrhose sowie an Unterernährung. Beide Beschwerden machen eine ärztliche Behandlung dringend erforderlich. Bislang ist Cao Shunli in Haft jedoch nicht medizinisch versorgt worden.

Cao Shunli gehört zu den wichtigsten VerfechterInnen einer echten, umfassenden Beteiligung der Zivilgesellschaft am Entwurf des nationalen Menschenrechtsaktionsplans und am Bericht für die Universelle Regelmäßige Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat. Die Überprüfung der Lage der Menschenrechte in China durch die UPR-Arbeitsgruppe fand am 22. Oktober in Genf statt. Cao Shunli hat am 18. Juni zusammen mit mehreren AktivistInnen einen Sitzstreik vor dem chinesischen Außenministerium initiiert, um mehr Transparenz und eine Beteiligung der Zivilgesellschaft am UPR-Verfahren zu fordern. Die Behörden haben die friedliche Demonstration mindestens viermal aufgelöst. Zuletzt wurden am 3. Oktober etwa zehn der verbliebenen Demonstrierenden von der Polizei abgeführt. Seither sind vor dem Ministerium Polizeiwagen postiert, sodass sich dort keine Demonstrierenden mehr versammeln können. Cao Shunli wurde wegen ihres friedlichen Engagements und ihres Einsatzes für die Menschenrechte im April 2010 für ein Jahr in ein Lager zur Umerziehung durch Arbeit geschickt, im April 2011 musste sie erneut ein Jahr und drei Monate Haft in einem dieser Arbeitslager ableisten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Cao Shunli und weitere MenschenrechtlerInnen sowie Opfer von rechtswidrigen Zwangsräumungen, ehemalige Insassen der Arbeitslager "Umerziehung durch Arbeit" und DemokratiebefürworterInnen haben im Oktober 2012 einen Brief an das chinesische Außenministerium geschrieben. Darin erkundigten sie sich nach einer Beteiligung der Öffentlichkeit am Entwurf für den Bericht der chinesischen Behörden für das UPR-Verfahren und forderten die Offenlegung der Verfahrensdetails. Im November teilte ihnen das Außenministerium mit, dass mit dem Erstellen des staatlichen Berichts noch nicht begonnen worden sei. Eine weitere Antwort blieb aus, und so begannen sie am 18. Juni 2013 aus Protest mit einem Sitzstreik vor dem Außenministerium in Peking. Den Protestierenden zufolge lag die Zahl der Personen, die sich dem Sitzstreik anschlossen, zwischenzeitlich bei rund 400 Personen. Etwa 200 Personen stammten aus Peking und 200 aus anderen Teilen Chinas, ein Großteil von ihnen waren Frauen. Ende Juni sandte das Außenministerium VertreterInnen, um mit den Demonstrierenden zu verhandeln. Beide Seiten kamen überein, eine Gruppe von VertreterInnen für ein Treffen auszuwählen. Dieses fand jedoch nicht statt, da man sich nicht auf einen Ort einigen konnte.

Die Gruppe reichte außerdem eine Verwaltungsklage ein und forderte die Offenlegung von Informationen im Zusammenhang mit den Vorbereitungen für den staatlichen Bericht im Rahmen der UPR. Die Klage wurde im August von einem Pekinger Gericht mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei dem staatlichen Bericht für die UPR um eine diplomatische Maßnahme handele. Am 1. Juli wurden die Demonstrierenden, die nicht aus Peking stammten, von den Behörden kurzzeitig festgenommen und an ihre Herkunftsorte zurückgeschickt. Aufgrund fortdauernder Einschüchterungsmaßnahmen ist die Anzahl der in Peking ansässigen Demonstrierenden vor dem Ministerium ebenfalls nach und nach gesunken.

Bei der UPR handelt es sich um einen Mechanismus des UN-Menschenrechtsrats zur regelmäßigen Überprüfung der Einhaltung der menschenrechtlichen Verpflichtungen aller 193 UN-Mitgliedsstaaten. Die UPR ist ein zwischenstaatliches Überprüfungsverfahren, das der Verbesserung der Menschenrechtslage im jeweiligen Land dient. Zwar handelt es sich bei der UPR um ein von staatlicher Seite durchgeführtes Verfahren, doch spielt die Zivilgesellschaft bei der Überprüfung eine wichtige Rolle. Nach einer Empfehlung des Menschenrechtsrats sind die Staaten angehalten, beim Erstellen ihres Berichts für die Überprüfung alle relevanten Parteien auf nationaler Ebene umfassend zu konsultieren. Die Zivilgesellschaft kann ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Überwachung der Umsetzung der bei der UPR übernommenen Empfehlungen spielen. Bei der Überprüfung Chinas am 22. Oktober handelte es sich um die zweite Prüfung der Menschenrechtslage in China.